(05.05.2009, 20:17)spell bound schrieb: ich meine, der unterschied bei uns ist, dass du sagst, es gibt etwas, das sei dem verstand völlig fremd und gänzlich jenseits davon. aber später, wenn du von bewusstseinszuständen sprichst, wird es vielleicht leichter, anzuknüpfen.
Also "völlig fremd" in einem dualistischen Sinne, dass es da zwei völlig voneinander getrennter Dinge gäbe, meine ich nicht. Ich meine, dass es etwas gibt, dass dem Verstand zugrundeliegt (Bewusstsein in seiner allgemeinsten Form?) und in gewisser Weise vor ihm kommt. Man könnte auch sagen, dass der Verstand ein Teilbereich dieses Etwas ist, aber nicht umgekehrt. Oder anders: du kannst den Verstand wegnehmen, und das Etwas bleibt. Umgekehrt geht das nicht.
Zitat:Zitat:Trennungen zu machen ist die Arbeitsweise des Verstandes. Du wirst auf diese Weise nicht das finden können, was nicht Verstand ist.
wieso denn nicht? wenn ich den verstand von irgendetwas anderem unterschiede (z.b. gefühl meinetwegen), dann hab ich doch etwas gefunden, das nicht verstand ist.
Nein, weil eben so, wie ich das sehe, das Einteilen der Erfahrung in getrennte Dinge oder Objekte eine Vorgehensweise des Verstandes ist. Ich behaupte also, dass die Dinge "vorher" gar nicht in dieser strikt voneinander getrennten Form existieren. Wenn du nun trennst und unterscheidest dann ist das, was du erhälst, Ergebnis der Verstandestätigkeit und wäre darum ohne den Verstand so überhaupt nicht da.
Das, was nicht Verstand ist, ist das, was da ist, ohne dass es durch den Verstand geordnet, sortiert, unterteilt, getrennt wurde. Darum kann das, was du durch das verstandesmässige Analysieren erhälst, nicht das sein, was nicht der Verstand ist.
Ich glaube, dass das im Grunde verwandt ist mit dem Tao, von dem du sprechen kannst, und das genau darum nicht das Tao ist. Und weil ich das so sehe, macht dieser Spruch vom Tao auch Sinn für mich, während er vielen eher nichtssagend vorkommt.
Zitat:oder meinst du hier mit "finden" sowas wie "erfahren"? aber ich würde garnicht sagen, dass verstehen und erfahren so verschiedene sachen sind. ich würde eher sagen, man kann etwas oberflächlicher und tiefgreifender verstehen. das oberflächlichere kann dann z.b. darin bestehen, mit worten eine art mathematik zu betreiben, aber nicht die letzten konsequenzen, die in ihrem begriffsumfang enthalten liegen, nachzuspüren. du unterscheidest diese beiden verstehensweisen anscheinend strikt, und nennst das erste "verstand", das zweite "veränderte bewusstseinszustände".
Ja, ich glaube das entspricht zumindest so ungefähr bzw. teilweise meiner Vorstellug. Ich gehe davon aus, dass die Begriffe, Objekte, Trennungen usw..., also die Gegenstände des Verstandes, vom Verstand erst konstruiert werden. Die werden also nicht einfach so vorgefunden in der Welt, das hattest du ja auch schon gesagt, sondern aktiv geschaffen. Dann wird mit diesen Konstrukten operiert, auf irgendeine "logische" Art und Weise. Alle Schlüsse die man dabei zieht, alle Erkenntnisse, die man erhält, bleiben gezwungenermassen auf der Ebene dieser Konstrukte und können diese nicht transzendieren.
Genau das ist aber - möglicherweise - in veränderten oder alternativen Bewusstseinszuständen wie dem Träumen möglich (wobei natürlich beim Erinnern im Wachzustand sofort wieder die Verstandestätigkeit einsetzt und alles in Begriffe packt, das macht es ja so schwer, diese Ideen zu überprüfen, wenn man sich im normalen Bewusstseinszustand befindet). Ich gehe davon aus, dass unsere Bewusstsein in diesen Zuständen anders(!) arbeitet und möglicherweise(!) sogar einen direkteren (auf jeden Fall aber völlig anderen) Zugang zu den Ebenen "hinter" den Begriffen hat. Ein Zugang, der dem Verstand per definitionem nicht möglich ist.
Zitat:ich kann dieser unterscheidung nicht folgen, denn ich finde in beiden dieser verstehensweisen einige ähnlichkeiten. und man kann auch in beiden z.b. sinnvolle sätze formulieren (die deshalb natürlich noch nicht alle verstehen), die das beschreiben, was man erlebt.
Wenn ich richtig verstehe, hast du ein Problem damit, dass ich Verstand und "das Andere" so strikt trenne, obwohl du den Verstand und die Erkenntnisweisen in alternativen Bewusstseinszustände eher als etwas ähnliches betrachtest. Für dich sind das wohl eher unterschiedliche Arten von Verstand (ja, weiter unten schreibst du es auch so).
In gewisser Weise seh ich das auch so. Mit dem oben genannten "das, was nicht der Verstand ist", meine ich auch nicht nur die alternativen Bewusstseinszustände. Die Tatsache, dass es verschiedene Bewusstseinszustände gibt, in denen man die Welt teilweise völlig anders erfährt (das geht so weit, dass sich Raum, Zeit, Kausalität usw... auflösen können und keine Rolle mehr spielen), ist für mich ein deutlicher Hinweis darauf, dass es da etwas darunter liegendes gibt, dass je nach Bewusstseinszustand anders interpretiert wird.
Ich nenne diese Interpretationstätigkeit im normalen Bewusstseinszustand "Verstand" und meine Behauptung ist, dass wir hier eben nur einen Teilbereich der Wirklichkeit betrachten. Und das ist auch der Teilbereich der Sprache, die aus der Verstandestätigkeit entstanden ist und die Konstrukte des Verstandes als Grundlage hat.
Wenn wir auch manche alternative Bewusstseinszustände noch als besondere Arten oder Arbeitsweisen des Verstandes bezeichnen wollen, hab ich damit gar kein Problem. Man muss aber "Verstand" irgendwie definieren, und wenn wir darunter die Sache mit Begriffen und so verstehen, nehme ich an, dass es auch Bewusstseinszustände geben könnte, auf die diese Definition nicht mehr passt.
Zitat:ich bin mir nicht so sicher, ob ich da wem unrecht tue, aber ich glaube, mystische texte leiden sehr stark unter sprachverwirrungen. oder man könnte auch sagen: sie leben von metaphern und einer ganz eigentümlichen sprache, die allerdings schnell falsch verstanden wird. sehr seltsam finde ich daran auch: es heisst immer, man könne nicht darüber reden, und dann redet man doch so viel darüber, und sei es nur über die unsagbarkeit all "dessen".
Da hast du glaube ich völlig recht, was die Sprachverwirrungen und den Gebrauch von Metaphern in mystischen Texten angeht. Aber es wird nicht nur über die Unsagbarkeit geredet. Gemeint ist, dass mystische Erfahrungen sich eben nicht in die Sprache übersetzen lassen. Das heisst, es ist nicht möglich, diese "direkt" auszudrücken wie gewöhnliche Erfahrungen, für die diese Sprache eben "gemacht" ist (wobei das "direkt" auch in diesem Fall schon aus gutem Grund in Anführungszeichen steht). Das ist einfach so und das weiss der Mystiker auch. Nun möchte er diese Erfahrungen aber trotzdem seinen Mitmenschen irgendwie mitteilen, was kann man also tun?
Man greift auf sprachliche Mittel wie Metaphern, Mythen, Analogien zurück, die eben nie das meinen, was oberflächlich in den Worten steht, sondern die indirekt auf etwas verweisen. Es bleibt einem nichts anders übrig, und für die meisten Leute sind solche Text dann einfach nur unsinnig, widersprüchlich, wirr. Das liegt dann aber auch oft daran, dass sie wörtlich genommen werden und/oder daran, dass beim Leser ein bestimmter Erfahrungshintergrund nicht vorhanden ist, der durch bestimmte Metaphern angesprochen werden soll.
Ich hab zu dem Thema mal
diese Textstelle aus Ken Wilbers "Spektrum des Bewusstseins" eingescannt, Seite 57-62.
Zitat:ich glaube, hier sind wir uns wirklich garnicht so fern, allein in einem bestimmten, aber sehr bedeutsamen akzent: ich stimme dir z.b. zu, dass es verschiedene bewusstseinszustände gibt, und dass da das denken ganz anders abläuft, und man die dinge in der normalen sprache oft nur unbeholfen oder garnicht ausdrücken kann. allerdings, so legen meine jetzt verwendeten begriffe wie "normale sprache" und "anderes denken" ja schon nahe: ich glaube, dass es sich hier immernoch um denkweisen, um begriffe, etc. handelt. sie sind nur manchmal so sehr verschieden von dem normalen, dass eine direkte übersetzung unmöglich wird. und dennoch gibt es möglichkeiten, diese andersartige denkweise zu verstehen. nämlich, indem man sie sich selbst aneignet, indem man diese sprachspiele wie eine erste sprache erlernt. ich denke wir gehen hier sogar konform. mein entscheidender zusatz ist bloß: das ganze passiert nicht jenseits der sprache im allgemeinen, sondern nur jenseits bestimmter, als normal geltender sprachspiele. man könnte sich z.b. gemeinschaften denken, in denen leute ständig solche veränderten bewusstseinszustände haben, und zwar etwa die gleichen, und dann kann ich mir vorstellen, dass sie dann auch eine sprache haben, in der sie sich darüber austauschen können, die aber fremde leute nicht verstehen.
ich weiss nicht recht. kannst du damit was anfangen?
Ja, also da würde ich auf jeden Fall zustimmen, das seh ich eigentlich genauso. Ich könnte mir z.B. vorstellen, dass die Aborigines mit ihrer Traumzeit so ein Fall sind. Eine Kultur, die Zugang zu anderen Bewusstseinszuständen hat und für die das völlig normal ist.
Es ist dann eine Definitionsfrage. Ich meine mit Verstand eben wirklich die Denktätigkeit im "normalen" Bewusstseinszustand (bzw. in bestimmten Bewusstseinszuständen). Du verstehst den Begriff offenbar etwas weiter und vielleicht ist das ja auch richtig. Ich könnte jetzt gegen diesen Gebrauch des Begriffes argumentativ nichts einwenden, was du oben sagst macht für mich auch Sinn.
Allerdings gehe ich jetzt davon aus, dass wenn es verschiedene Arten gibt, die Welt zu interpretieren oder zu erfahren, dies doch ein starker Hinweis darauf ist, dass da etwas ist, dass interpretiert wird und dass nicht identisch ist mit der Interpretation und das vor allem auch nicht auf die Interpretation reduziert werden kann. Möglicherweise wenn man alle verschiedenen Interpretationen zusammennimmt, vielleicht ist das, was man dann erhält, die Realität.
In dem Fall hättest du mit deinem Verständnis von "Verstand" recht, wenn du sagst, dass doch alles dem Verstand zugänglich ist, und ich mit meinem Verständnis auch, wenn ich sage, dass dem Verstand nicht alles zugänglich ist. Wenn ich deinem Begriff von Verstand als folge, würde ich dir auch recht geben, wenn du sagst, dass wir nichts erfahren können, was jenseits des Verstandes wäre.
Vielleicht ergeben alle Interpretationen zusammengenommen ja auch noch nicht die Realität, vielleicht gibt es da doch noch ein "Ding an sich", aber da würde ich dann fast auch sagen: etwas, dass wir in keinem (!) Bewusstseinszustand erfahren können, dürfen wir wohl vernachlässigen.
Zitat:Zitat:Von mystischen Erlebnissen oder auch Erfahrungen mit psychedelischen Drogen werden ähnliche Dinge berichtet. Insbesondere wird oft gesagt, dass die Trennungen und Begrenzungen, die man im begrifflichen Modus als Teil der Welt erfährt, aufgelöst werden und man beginnt, die ursprüngliche Verbundenheit zu erkennen, die durch das begriffliche Denken erst zerstört wurde.
ja, alte begriffe mögen sich auflösen und an deren stelle mag es sogar sein, dass gar keine neuen begriffe auftreten. aber solange man noch irgend etwas wahrnimmt, erlebt, versteht, begreift, bleibt noch ein teil begrifflichen denkens übrig, wennauch es völlig andere begriffe sein mögen.
Da bin ich mir nicht so sicher. Wir kennen nichts anderes als diese "indirekte" Wahrnehmung und sicherlich ist auch in den meisten alternativen Bewusstseinszuständen die Wahrnehmung indirekt, d.h. in irgendeiner Weise begrifflich. Aber ich sehe keinen Grund, völlig auszuschliessen, dass es auch möglich ist, direkt wahrzunehmen, was dann aber bedeutet, dass, was man wahrnimmt, zu sein. Das bedeutet, dass alle Trennungen nicht mehr vorhanden sind, d.h. insbesondere auch die zwischen Subjekt und Objekt, das Subjekt nimmt das Objekt nicht mehr wahr, sondern es verschmilzt mit ihm.
So ungefähr steht es in mystischen Texten, und eine derartige Erfahrung habe ich auch mal gemacht, da hab ich das Sofa nicht mehr gesehen, sondern ich war das Sofa. Beweisen tut das nix, auch mir nicht, aber ich kann eben nicht ausschliessen, dass an solchen eigentlich unsinnigen Aussagen wie ich sie grade geschrieben habe doch mehr dran ist als man sich, solange man im begrifflichen Denken verharrt, vorstellen kann.
Zitat:und im übrigen: ideen von ursprung und verbundenheit sind auch begriffsweisen, die man auch mehr oder weniger nachvollziehen kann, unter umständen. (allerdings gucke ich sehr skeptisch auf diese formulierung eines "absoluten ursprunges". ich weiss noch nicht genau, was das bedeuten soll, oder ob es überhaupt irgendetwas bedeuten kann.)
Ja, an der Stelle beisst sich die Schlange eben immer in den Schwanz:
Alles, worüber wir hier schreiben oder reden, sind Begriffsweisen. Es ist nicht möglich, etwas nicht in Begriffen zu formulieren. Sobald wir es versuchen, basteln wir widersprüchliche und unsinnige Sätze oder Begriffe zusammen, die so für sich eigentlich nichts mehr bedeuten, z.B. sowas wie "absoluter Ursprung".
Zitat:Zitat: (30.04.2009, 18:03)spell bound schrieb: der witz an den koans ist ja gerade, dass sie unsinnig sind, dass man das aber erst erkennen muss.
Für mich hat die Beschäftigung mit so Fragen wie der nach dem Sinn des Lebens eine ganz ähnliche Bedeutung. Weshalb ich sie nicht strikt zurückweisen würde.
sicher, man sollte sie nicht einfach so zurückweisen. sondern darum, weil man ihre unsinnigkeit entlarvt hat. im etwas softeren falle formuliert man die unsinnigen fragen einfach um in sinnvollere varianten. man geht einen schritt zurück und schaut, was einem, nebst sprachverwirrung, dazu getrieben hat, diese fragen überhaupt zu stellen. und es kann manchmal sein, dass da garnichts mehr übrig bleibt.
Aber es ist dann immer noch die Frage: Bleibt da wirklich "nichts" mehr übrig - oder bleibt nichts mehr übrig, dass sich begrifflich fassen liesse? Lässt sich diese Frage durch begriffliches oder logisches Denken entscheiden? Bedeutet die Tatsache, dass da nichts mehr übrig bleibt, dass da nichts ist oder dass man die Grenzen der Sprache erreicht hat?
Ich tendiere eben zu letzterem, ohne mir da jetzt total sicher zu sein. Das ist halt eine Frage, mit der ich mich beschäftige und ein Grund für mich, mich mit alternativen Bewusstseinszuständen zu beschäftigen, wie zum Beispiel dem Klarträumen. Das Denken in Begriffen führt mich irgendwie nicht weiter, zum Beispiel eben das Grübeln über diese Fragen, wahrscheinlich genau aus den Gründen die du nennst, und nun schau ich mal, obs dazu Alternativen gibt.
Zitat:ich weiss nicht genau, was du damit meinst, dass ich die begriffe mit der realität gleichsetze (positivitisch? äh..
).
Also unter "Positivismus" verstehe ich die Haltung, dass für uns nur das "real" ist, was wir erfahren können, und Dinge, die wir niemals erfahren können, mögen zwar irgendwie existieren (onthologisch gesehen), sind aber für uns ohne Belang (also nicht wirlich, nicht Teil der Wirklichkeit). So sagen Leute z.B., dass Kantsche "Ding an sich" mag onthologisch gesehen existieren, aber da wir es nie direkt erfahren können, ist diese Frage bedeutungslos und nicht entscheidbar für uns. Das heisst: wir haben eben nur die Begriffe und sonst nichts.
So scheinst du es auch zu sehen, wir können nur in Begriffen die Welt erfahren (ob jetzt unsere "gewöhnlichen" Begriffe oder irgendwelche anderen in alternativen Bewusstseinszuständen oder sonstwie, auf jeden Fall dualistisch, Subjekt erfährt Objekt) und darum ist eben die Welt der Begriffe unsere Realität und ob und was dahinter liegen mag, ist ein Bereich der völlig willkürlichen Spekulation bzw. Metaphysik.
Ich gehe dagegen davon aus, dass die begriffliche Wahrnehmung der Welt nur ein bestimmter Modus des Bewusstseins ist und wir durchaus Alternativen haben, bis zum Extremfall der direkten Wahrnehmung der Dinge, wie sie sind, was bedeutet, dass wir selbst die Dinge dann sind, mit allem verschmelzen, und das ist, was in mystischen Texten als Erleuchtung beschrieben wird (ich denke aber, dass es durchaus noch "Zwischenstufen" zwischen dem begrifflichen Denken und der Erleuchtung gibt).
Zitat:was ist denn diese tiefere ebene? kants ding an sich?
Da bin ich mir nicht ganz sicher, einfach weil ich jetzt nicht so der Kant-Kenner bin. Wie ich es verstehe, ist Kants "Ding an sich" einfach das, was wirklich onthologisch existiert, im Gegensatz zum Phänomen, unserer Wahrnehmung. Die Formulierung "Ding an sich" hört sich ein bischen so an, als gäbe es eben für jedes Objekt unserer Wahrnehmung ein entsprechendes "Ding an sich", was ich eher nicht glaube; wenn Kant dagegen sagt, dass Raum, Zeit und Kausalität Kategorien der Wahrnehmung und nicht Eigenschaften des Universums sind, kann das eigentlich nicht der Fall sein, denn ohne Raum, Zeit und Kausalität müssten eigentlich auch die klar voneinander unterschiedenen Objekte (der Wahrnehmung) verschwinden.
Also ich weiss es nicht genau, was Kant mit seinem "Ding an sich" meint, aber ich glaube schon, dass das in die Richtung einer Realitätsebene jenseits der begrifflichen Wahrnehmung geht. Ich jedenfalls sehe Kants Darstellungen durchaus als eine Bestätigung der mystischen Aussagen an, aber ich habe schon oft gelesen, dass man Kant auch genau andersherum interpretieren kann... dazu kann ich nicht wirklich etwas sagen.
Zitat:die bedingungen der möglichkeit von erkenntnis? ich sage nicht, dass es keine solchen bedingungen gebe. allerdings bin ich mir nicht so ganz sicher, ob ich sagen soll, dass sie "tiefere ebenen" oder auf sonstige weise völlig transzendent wären.
ich kann sagen, dass man begriffe erlernt, indem man ihre verwendungsweise einübt (antrainiert bekommt). aber um das zu können, bedarf es ja auch schon bestimmter voraussetzungen. sind diese "vorsprachlichen" bedingungen, z.b. dass man sprachen lernen kann, vor einer sprachlichkeit im allgemeinen, oder bloß vor diesen bestimmten sprachen? gibt es ein jenseits von sprache im allgemeinen, oder immer nur ein jenseits von bestimmten sprachen? ich glaube, letzteres. d.h. ich stimme dir teilweise zu. (aber dieses "teilweise" wiegt hier sehr schwer.)
Hm, vielleicht kann man das ganze mal von einer ganz anderen Seite her aufrollen: Wie stellst du dir denn das Universum vor, als es noch keine Menschen oder noch gar kein Leben gab? Ist das für dich überhaupt eine sinnvolle Formulierung? Oder anders gefragt, ist der Mond auch am Himmel, wenn keiner hinguckt? Was ist das, der Mond, den keiner beobachtet? Äh, oder drifte ich jetzt grade ab ins Offtopic?
Zitat:Zitat:Aber irgendwo muss es ja etwas nicht weiter reduzierbares geben, das einfach ist.
muss es das? ich meine: es gibt immer eine grenze, von der aus man nicht weiter geht, aber ist es immer die gleiche? prinzipiell aber kann man immer weiter gehen, sofern man die nötigen mittel (begriffe) dazu hat. aber es macht nicht immer sinn, weiter zu gehen. und wo es sinn macht und wo nicht, hängt vom zweck der tätigkeit (untersuchung) ab.
Ja, und vor allem schaffen wir uns die Begriffe, mit denen wir immer weiter gehen, ja selbst. Ich glaube nicht, dass es in der Hinsicht eine Grenze gibt, wir werden uns immer neue Begriffe schaffen können. Die Frage ist, inwiefern die noch was mit der "Realität" zu tun haben und inwiefern sie eher willkürliche Konstruktionen sind.
Wenn ein Physiker tausende Aufnahmen von subatomaren Teilchen analysiert auf der Suche nach einem bestimmten, von der Theorie vorhergesagten Teilchen und dann auf zweien davon einen Punkt findet, woher wissen wir eigentlich, ob dieser Punkt jetzt wirklich das gesuchte Teilchen darstellt oder ob es sich um eine telekinetische Projektion des Physikers auf das Photopapier handelt? Woher wissen wir, was wahrscheinlicher ist? Woran liegt es, welche Interpretation bevorzugt wird?
Zitat:aber es gibt hier auch noch einen weiteren punkt: das problem der "privatsprache": sicher gibt es viele dinge, die niemand erkennt oder in bestimmten situationen auch garnicht erkennen kann, genauso wie man viele dinge nicht sagt oder in bestimmten situationen garnicht sagen kann. dass solche sachen dennoch existieren, stellt sich u.a. dadurch heraus, dass sie indirekte einflüsse haben auf irgendwas anderes. man kann sie prinzipiell, von irgend einer perspektive und situation heraus, erkennen, verstehen, formulieren.
aber es ist unsinnig zu sagen, etwas würde prinzipiell nicht erkennbar oder nicht sagbar sein, denn dann wäre es auch kein "etwas" mehr.
Ja klar, da geb ich dir recht, aber ich sag ja auch nur, dass dieses Etwas vom begrifflichen Denken nicht erkannt werden kann. Und ich behaupte halt, dass es Alternativen zum begrifflichen Denken gibt, mit denen es erkannt werden kann. Aber ich denke dazu haben wir oben schon einiges geschrieben.
Zitat:und wenn man nun sagt, man könnte es zwar wahrnehmen, aber nur höchst privat, sozusagen jeder für sich, und man könnte nie darüber miteinander reden, ist das nur eine ähnliche form dieses problems: denn was ich sagen kann, macht erst dadurch sinn, dass es öffentlich zugängliche kriterien gibt, anhand deren man es überhaupt erst feststellen kann. es kann nicht sein, dass ich sage: wir wissen alle bloß aus der eigenen erfahrung, was ein begriff bedeutet, und dadurch auch, was andere damit meinen. denn dann hätten wir noch gar kein kriterium dafür, herauszustellen, dass jemand anderes überhaupt von dem gleichen redet wie ich.
Ja, aber an der Stelle helfen z.B. sprachliche Hilfsmittel (oder wenn man so will von mir aus auch sprachliche Krücken) wie Analogien. Ich mache die subjektive Erfahrung X, die ich sprachlich nicht beschreiben kann. Ich spüre aber gewisse Analogien zu einer Erfahrung Y, die objektiv zugänglich ist. Dann sage ich "das X ist wie Y". Jemand anders, der auch die subjektive Erfahrung X gemacht hat, hat die Analogie zu Y möglicherweise auch festgestellt und denkt dann: "Ja genau, so hat er es gut ausgedrückt, es ist echt wie Y", oder aber, die Analogie wird ihm in dem Moment bewusst, in dem der andere sie äussert. Natürlich ist das eine höchst subtile und fehleranfällige Sache, und letztlich können zwei Mystiker wohl nie so genau wissen, ob sie von demselben sprechen. Ich denke aber, je tiefer die mystische Erfahrung auf beiden Seiten war und je besser die Analogien und Metapher gewählt werden, desto eher kann eine Kommunikation dann doch funktionieren.
Ausserdem kommt hinzu, dass es ja gar nicht so sicher ist, dass man über die mystischen Erfahrungen gar nicht sprechen kann, dass sie rein privat sind. Du hast ja beschrieben, dass es möglicherweise auch in alternativen Bewusstseinszuständen sowas wie Sprache gibt, und für mich sind Phänomene wie Shared Dreams z.B. keineswegs völlig ausgeschlossen. So privat sind mystische Erfahrungen vielleicht gar nicht, zumindest nicht prinzipiell. Das Problem ist eher, dass wir im gewöhnlichen Bewusstseinszustand eben nur die begriffliche Sprache zur Verfügung haben und beide Kommunikationspartner ihre Erfahrungen eben nicht in diese Sprache übersetzen können, selbst wenn sie dieselben Erfahrungen gemacht haben. Und da hilft dann eben, wie gesagt, der Umweg über Analogien, Metaphern und noch andere sprachliche Hilfsmitteln. Das Resultat sind dann Texte die für viele Leute völlig unverständlich sind.
Hierzu passt wieder der Wilber-Text den ich oben verlinkt hab.
Zitat:wenn ich eine sprache habe, die nur ich verstehe, dann ist es dennoch eine sprache, die auch prinzipiell aufgeschrieben und anderen beigebracht werden kann. ansonsten weiss ich selbst nichtmal, was ich mit meinen begriffen bezeichne.
Sofern sich beide im selben Bewusstseinszustand befinden, ja
Das Problem ist weniger die Übersetzung von Person A zu Person B, sondern die Übersetzung von Bewusstseinszustand X in Bewusstseinszustand Y (ob bei derselben oder verschiedenen Personen ist egal).
Zitat:nein, ich sage nicht, dass ich nicht an das absolute glaube. sondern ich verwende diesen scheinbegriff am besten garnicht. ausser, um seine unsinnigkeit klar zu machen. ausserdem heisst es nicht, dass man stattdessen garnichts sagen soll. sondern man verwendet eben begriffe, die sinn machen 
Jaaaa... aber damit setzt du doch deine Behauptung einfach als gegeben voraus, nämlich dass man alles, was existiert, auch in sinnvolle Begriffe packen kann.
Zitat:(im übrigen gibt es auch fälle, in denen "absolut" sinn macht. eben in einem anderen sinne, wenn man z.b. sagt: "absolut geil!", oder sowas. es spricht nichts dagegen, das wort so zu verwenden, solange einen das noch nicht verwirrt. alltagsfremde philosophen kommen aber dann sicher schnell daher und sagen "warte mal, das ist garnicht wirklich absolut, was du da "absolut" nennst"....)
Natürlich ist es ok, das Wort so zu verwenden, trotzdem ist es auch richtig, dass es dann eine andere (umgangssprachliche) Bedeutung hat. Also ich würde dir Recht geben, dass dieser Philosoph alltagsfremd ist, aber trotzdem hat er in gewisser Weise ja recht. Es ist nur in so einer Situation etwas daneben, das ausdiskutieren zu müssen, denn der Begriff wurde hier eben in einer anderen Bedeutung verwendet, die durch Konvention genauso gültig ist (bzw. in dieser Situation ist es auch die passendere oder von mir aus einzig passende Bedeutung). Man könnte auch annehmen, der Philosoph hält
seine Interpretation für die absolut richtige, ohne den relativen Kontext zu bedenken. Und er scheint nicht fähig zu sein, zu erkennen, dass er Signale bekommt, die ihn eigentlich veranlassen müssten, seine Interpretation anzupassen.
Zitat:Zitat:Und wenn ich jetzt sage, dass diese Verabsolutierung eine Folge der Übertragung in Begriffe ist, die ja nötig ist, um die Frage zu kommunizieren? Bin ich dann nicht fein raus?
leider nicht. verabsolutierung ist eine folge der falscher begriffsverwendung. es ist nötig, begriffe zur kommunikation zu verwenden. allerdings sind kategorienfehler nicht notwendig, sondern vielmehr störend. ausserdem bin ich dagegen, zu sagen, man würde eine frage in begriffe übertragen. sie findet nämlich schon immer in begriffen statt. genauso das wundern; es ist bereits ein zug in unserem sprachspiel. freilich heisst das nicht, dass man dazu worte verwenden oder sich die frage im kopf vorsagen müsste.
Ja, aber wie begründest du denn diese Behauptung? Mir kommt es wieder so vor, als würdest du deine Behauptung als gegeben voraussetzen. Wenn du sagst: es ist eben alles unser Sprachspiel, dann ist klar, dass es nichts anderes gibt.
Ich würde dir ja sofort recht geben, wenn du sagst, dass alle bewussten Vorgänge schon auf der begrifflichen Ebene sind, oder wie du sagst, Sprachspiel sind. Also auch ein vages Wundern oder Staunen, dass ich in mir bemerke. Aber woher willst du wissen, dass auch die ursächliche Quelle dieses Wundern, die ja möglicherweise im Unbewussten (das für mich übrigens sehr stark mit diesem "Etwas", von dem wir die ganze Zeit reden, dass sich nicht in Begriffe packen lässt, verbunden, vielleicht sogar identisch ist) liegen, die begriffliche Ebene nicht transzendieren? Warum soll die Quelle des Staunens nicht etwas völlig anderes sein, dass sich eben nur im gewöhnlichen Bewusstsein im begrifflichen Denken manifestiert (und dessen Ursprung im Begrifflichen wir dadurch, dass wir uns unsere Begriffe selbst schaffen, beliebig tief beschreiben können, ohne je an ein Ende zu geraten)?
Zitat:Zitat:...aber die Beschreibung eines Gefühls ist eben nicht das Gefühl, und sie funktioniert in der Kommunikation nur dann, wenn der Empfänger das Gefühl selber kennt und die Beschreibung ihn veranlasst, die Erfahrung des Gefühls aus der eigenen Erinnerung hervorzurufen.
das hatte ich ja schon in der privatsprachproblematik angesprochen. nur noch soviel: wie kann man sich sicher sein, dass die erinnerung an das gefühl richtig ist? und sag nicht: man würde raten oder von einer prästabilisierten harmonie (leibniz) gelenkt.
(und wie erkennt man, dass man richtig rät? - und sage nicht, man würde es nie sicher wissen können und am ende wäre jeder mit sich allein (solipsismus). wäre das nicht arg esoterisch und ausserdem kontrafaktisch?)
Doch, das hab ich ja oben schon geschrieben :-) Die zwei Mystiker können nie sicher sein, ob sie vom selben sprechen, aber im Grunde gilt das doch bei jeder Kommunikation. Du kannst nur zu einem gewissen Grade annehmen, dass die Kommunikation funktioniert, d.h. beide vom selben sprechen, und oft genug stellt sich hinterher raus, dass es gar nicht der Fall war. Immer wieder geraten unsere begrifflichen Landkarten mit dem Territorium in Konflikt, worauf wir unsere Karten anpassen, oder es einfach verdrängen und die störenden Signale in Zukunft nicht mehr bis ins Bewusstsein vordringen lassen. Wer ist sich absolut sicher, dass seine begriffliche Realität die richtige ist? Dogmatiker und Fundamentalisten.
Was soll daran esoterisch sein? Meinst du damit, dass alles völlig willkürlich wird und jeder behaupten kann, was er will? Das seh ich nicht so. Zumindest würde er dann wohl nicht ernstgenommen werden. Auch in mystischen Kreisen wird nicht einfach jedes Geschwätz ernst genommen. Glaub ich zumindest
Wie schon oben geschrieben schliesse ich aber auch die Möglichkeit der "Absicherung" auf ganz anderen Wegen als dem begrifflichen Denken nicht aus, mal ganz krass und übertrieben formuliert halte ich es durchaus für vorstellbar, dass zwei Mystiker in völlig abgehobenen Bewusstseinszuständen sich in irgendwelchen Astralebenen treffen und kommunizieren oder dass eine Bestätigung auf telepathischen Wegen stattfindet oder wie auch immer. Gut, das kann man vielleicht esoterisch nennen...
Solipsismus seh ich da aber auch nicht. Daraus, dass ich mir nicht absolut sicher sein kann, dass es ausserhalb von mir noch andere gibt, muss ich ja nicht schliessen, dass es nicht so ist. Die absolute Sicherheit haben wir nun mal nicht. Soviel ich weiss kann der Solipsismus rein logisch nicht widerlegt werden. Aber genauso wie ich bei mystischen Erfahrungen Analogien und ähnliches verwenden kann, um bestimmte Dinge mitzuteilen, läuft das auch in anderen Bereichen, und so führen mich Analogien zwischen der Beobachtung von mir selbst und anderen auch zu der Annahme, dass die anderen genauso wirklich sind wie ich.
Und wieso kontrafaktisch? Welchen Fakten widerspricht das?
Zitat:ich sags mal so: sich etwas klar zu machen bedeutet immer, etwas zu begreifen.
(ich glaub, ich hab auch einfach einen weiteren begriff von "begriff" (
)als du). ich sage nicht, dass es prinzipiell nichts "ausserhalb" von begriffen gäbe. aber man muss sich erstmal klar machen, was diese formulierung eigentlich bedeuten soll.
z.b. kann ich ja sagen, dass der "tisch" schon etwas ausserhalb vom begriff des tisches ist, wenn ich damit meine, dass er ja nicht bloß aus dem wort oder dem, was ich dabei assoziiere, etc. besteht, sondern aus materie etc. [...] aber man kann sich auch vorstellen, dass ein wesen anderer art (oder ein mensch unter drogen *g*) sogar gegenstände nicht mehr als solche wahrnimmt, sondern z.b. als energieformen oder als fließende prozesse, etc. und wieso nun sagen, das eine wäre wahrer als das andere?
Das seh ich eigentlich auch so... scheinbar verstehst du das, was ich sage, so, als würde ich von der
einen objektiven Realität ausgehen, die irgendwo da draussen ist und die bestimmt, wessen Interpretation der Realität die "richtige", die "Wahrheit" ist. Das wäre so das objektive, unabhängig von uns existierende, einzig wirkliche Ding, dass die Wissenschaft erforscht. Aber das sehe ich eigentlich nicht so. Wenn es etwas jenseits des Bewusstseins gibt, dass allem zugrunde liegt, dann ist dies kein Ding. Es lässt sich nicht als "absolute Wahrheit" missbrauchen, denn es liegt völlig jenseits derartiger Begrifflichkeiten. Und vielleicht ist es wirklich identisch mit der Gesamtheit des Bewusstseins und der Begriffe und Wahrnehmungen, die wir eben nicht "da draussen" finden, sondern konstruieren. Vielleicht ist der Konstruktionsprozess die Realität und sonst gibt es nichts. Also kein "Ding an sich". Eigentlich ist das am ehesten meine Ansicht. Aber der Konstruktionsprozess selbst lässt sich eben nicht durch seine Produkte vollständig beschreiben bzw. direkt erfahren.
Tschüss,
Riky