Wissenschaft, Szientismus, Glauben, Aberglauben...
Zitat:spell bound schrieb am 18.09.2008 16:34 Uhr:
na das legt doch den schluss nahe, dass man hier mal ein wunderbaren wissenschaftsphilosophie-thread machen sollte![]()
So, hiermit starte ich ihn nun, den grossen Thread zu Wissenschaft, Szientismus, Glauben, Aberglauben, Spiritualität, Fundamentalismus, Philosophie und wie das alles zusammenpasst oder auch nicht.
Ich schreib jetzt einfach mal meine Meinung dazu runter, das hab ich alles schon hier und da in anderen Threads mal geschrieben und es ist sicher nichts neues, aber um es mal zu sammeln und einfach den Thread zu starten... das sind so einige Punkte, bei denen ich mich in letzter Zeit zusammenreissen musste, nicht andere Threads damit vollzuspammen.
Als Ausgangspunkt will ich die Aussage nehmen dass man nicht zwischen Wissenschaft und Szientismus unterscheiden soll, da das nur ein Trick ist, um alles schlechte an der Wissenschaft als Szientismus von der Wissenschaft zu lösen und sich so die reine, wahre Wissenschaft erhalten zu können.
Denn grade das kann ich nicht nachvollziehen. Genau diese Unterscheidung halte ich in solchen Diskussionen für essentiell und finde es wichtig, Leute, die eine szientistische Einstellung mit Wissenschaft verwechseln, darauf hinzuweisen.
Zunächst will ich aber klarstellen, was ich hier mit "Wissenschaft" meine, und zwar die westliche Naturwissenschaft, wie sie sich in den letzten 300, 400 Jahren bis heute entwickelt hat. Das heisst nicht, dass ich andere Wissenschaften nicht für "richtige" Wissenschaft halte, aber meine Darstellung bezieht sich in erster Linie auf diese Naturwissenschaft - einiges passt sicher auf Wissenschaft allgemein, manches aber auch nicht.
Wenn man nicht zwischen Wissenschaft und Szientismus unterscheidet, ist das für mich vergleichbar damit, nicht zwischen Glauben und Aberglauben oder zwischen Religiösität und Fundamentalismus zu unterscheiden. Und genau wenn dies unterlassen wird, entstehen erst die scheinbar unauflöslichen Fronten. Denn solche Fronten entstehen zwischen absolutistischen Weltanschauungen.
Wissenschaft ist keine Weltanschauung, sondern eine Methode zur Erkenntnisgewinnung, die nach ganz bestimmten Regeln funktioniert. Es wird eine Hypothese aufgestellt, und dann wird diese anhand von Experimenten getestet. Die Hypothese wird als gültig angesehen, solange sie nicht experimentell widerlegt werden kann. Sie ist deshalb aber nicht wahr oder bewiesen, denn wissenschaftliche Hypothesen lassen sich nur falsifizieren. Durch die Eliminierung ungültiger Hypothesen durch Falsifikation entsteht so, in einer Art Evolution, ein wachsendes und sich veränderndes Gebäude von Aussagen über die Welt, und dieser objektive Mechanismus ist der Grund für die Effizienz der Methode, die sich heute zum Beispiel in der Technik zeigt, die Errungenschaften hervorbringt, die früheren Generationen wie reine Zauberei vorkommt (frei nach Arthur C. Clarke).
Man muss unterscheiden zwischen dieser Methode und vor allem zwei Dingen: dem von Menschen praktizierten Wissenschaftsbetrieb mit seinen Institutionen und Karrieren sowie der zur absolutistischen Weltanschauung mutierten Wissenschaft, dem Szientismus. Zu behaupten, dass nichts existiert, was nicht heute oder irgendwann mal rein wissenschaftlich erklärbar ist, hat nichts mit Wissenschaft (als Methode) zu tun, es ist unwissenschaftlich, denn diese Aussage ist nicht falsifizierbar. Jeder seriöse Wissenschaftler weiss das auch, was aber noch lange nicht bedeutet, dass er sich auch entsprechend verhält. Für die Karriere im Wissenschaftsbetrieb kann es sogar wichtig sein, wider besseren Wissens absolutistische Standpunkte zu vertreten. Das ist bei allen Karrieren so, auch ausserhalb der Wissenschaft. Wessen Karriere zum Beispiel von der optimalen Vermarktung eines bestimmten Produktes abhängt, der wird dieses Produkt als das beste, tollste, nie dagewesene preisen, auch wenn er es eigentlich besser weiss. Von der Politik brauchen wir gar nicht erst anfangen.
[Fortsetzung folgt]
„I learned long ago, never to wrestle with a pig. You both get dirty, and besides, the pig likes it.“ - George Bernhard Shaw
„Do not feed the troll.“ - Internet
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