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Tierethik, Vegetarismus, Veganismus

RE: Tierethik, Vegetarismus, Veganismus
19.05.2013, 10:41 (Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 19.05.2013, 10:57 von spell bound.)
@sefja et al.

sicherlich macht es keinen sinn, zu beschließen, dass man selbst nichts ändert weil die andern es ja auch nicht tun. aber ich denke man kann aus whitehawks aussagen noch mehr sinn holen, wenn man es mal so rum interpretiert: es reicht eben nicht, nur seine ernährung umzustellen. vielleicht prangert whitehawk nur eine bestimmte einstellung an, die er fälschlicherweise allen vegetariern zuschreibt: dieses gutbürgerliche gewissen, das sich z.b. auch darin ausdrückt dass man bio kauft oder gegen atomkraft aufkleber auf seinem auto hat oder für kinder in afika oder für wale spendet - und sich dann beruhigt fühlt, sich als guten menschen fühlt. anders gesagt, diese gewissensberuhigung ist insofern faul, da sie eigentlich nur dem zweck dient, sein ansehen bei seiner umwelt zu wahren. der selbe grund warum unternehmen "auf grün" umsteigen, obwohl die dahinterliegenden richtlinien nicht wirklich grün sein müssen.

sowas kann man ja anprangern. genauso wie, dass viele vegetarier eine eher resignative einstellung haben, und es sich nicht mehr trauen, mit anderen über tierleid zu diskutieren. es ist eben nicht genug, sich nur vegetarisch oder vegan zu ernähren, aber das bedeutet für mich nicht dass man zusätzlich auch noch gegen klimawandel protestieren sollte. die frage ist ja grundsätzlicher: wieso bauen menschen scheiße? wieso ignorieren sie leiden oder unterstützen es sogar?

wenn man will, dass mehr menschen mit dem wahn aufhören (mit welchem konkreten wahn auch immer, es gibt ja genug), dann denke ich geht es in letzter instanz um mitgefühl. wer in der lage ist, tiere z.b. als "fellow beings" zu betrachten (ebenso wie pflanzen), also als sowas wie freunde, wird kaum mehr lust haben, sie unnötig leiden zu lassen und sogar energie aufwenden, es zu verhindern.

und da ist es wie beim dritten reich oder der sklaverei (diese vergleiche, zett, gab es übrigens in der tierethikdebatte schon immer, nicht nur im internet bigwink ): die meisten haben eben nicht einfach nur angst gehabt, dagegen etwas zu sagen, sondern sie waren direkt oder indirekt nutznießer der unterdrückung. und das geht nur, wenn sie mit den unterdrückten kein mitgefühl aufbringen konnten - der hauptnutzen ist nämlich auch nicht reichtum, bequemlichkeit, sinnesfreuden usw., sondern schlicht das erhabene gefühl, "besser" zu sein, oder gewalt auszuüben.

das problem in der ethik ist aber, wie ich finde, seit jeher gewesen und immer noch: es geht um moral und nicht um mitgefühl. entsetzen über den holocaust ist vielfach einfach nur moralische heuchelei. damit kommt man nicht weit.

wie auch immer. will man andere menschen erreichen, muss man irgendwie ihr mitgefühl wecken. auch wenn es nicht einfach ist. denn dazu müssen sie in der lage sein, sich in die opferposition hineinzuversetzen OHNE sich dann in dieser opferlage selbst zu verachten.



dass zett meinte, es geht ethisch ums tierleid und nicht ums fleischessen, bedeutet doch auch schlicht, dass das tierleid primär ist, und selbst wenns ums fleischessen geht, es eben nur in hinsicht auf jenes leid relevant ist (oder auf umwelt etc.) (wobei man hier auch sagen könnte: mehr gehalt, bitte biggrin )
Bin nicht mehr hier, aber noch erreichbar.
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RE: Tierethik, Vegetarismus, Veganismus
19.05.2013, 12:29
Mir ist schon klar, dass man z.B. als Vegetarier allein nicht gleich ein guter Mensch ist. Es reicht halt nicht, sich zu sagen, ich leiste meinen Beitrag in dem ich Vegetarier werde und fertig. Beruhigt kann sich man erst fühlen, wenn man sich aktiv einsetzt und etwas verändern/ausrichten kann.
Dennoch ist der Schritt zum Vegetarismus/Veganismus ein Schritt. Ein Schritt, der sogar im Trend zu sein scheint.
Man muss sich nur fragen, wo wir heute wären, wenn unsere Vorfahren in keiner weise nachhaltig oder moralisch gehandelt hätten. Daher finde ich es immer noch besser, etwas zu tun, als nichts zu tun.
Beispielsweise werfe ich Müll nie auf die Straße oder in den Wald oder an Wegränder. Das kann ich gar nicht haben, denn damit trage ich unnötig zur Umweltverschmutzung bei. Ich suche also den nächsten Mülleimer. Das gibt mir kein Gefühl gleich ein besserer Mensch zu sein oder die Umwelt gerettet zu haben. Das wäre Quatsch. Ich zerstörte die Umwelt, in dem ich Autofahre, indem ich heize, etc. ... Aber das mit dem Müll ist eine Kleinigkeit, die ich ohne Aufwand tun kann und die ich gerne tue, auch wenne s nicht viel ist. Schaden tut es nicht.
Und so ähnlich ist es mit meiner Ernähung. Aus verschiedensten Gründen habe ich mich dazu entschieden. Der Hauptgrund ist bei mir wohl das Tierleid und Gesundheit. Dazu kommen noch Faktoren wie, ich war noch nie sehr scharf auf Fleisch. Milch kann ich nicht ausstehen und ich vertrage andere Milchprodukte nicht so gut ... zumindest ab gewissen Mengen. Ich mache das gerne mich so zu ernähren wie es eben tue. Es mangelt mir an nichts und nebenbei tue ich zufälligerweise sogar der Umwelt einen Gefallen. Und wenn man bedenkt, dass die Konsumierung von Fleisch und tierischen Produkten mehr zur Umweltzerstörung beiträgt als Beispielsweise der gesamte Autoverkehr ...
Es ist also immer besser irgendetwas zu tun, als einfach nur wegzusehen.

Sicherlich gibt es Egoisten unter Vegetariern und Veganern, die sich besser fühlen. Aber es ist nicht nett, das auf alle zu verallgemeinern

Ich sehe Fleischesser auch nicht gleich als schlechte Menschen. Ich sehe nur diejenigen als ignorante Egoisten, denen es egal ist, was ihr Fleischkonsum bedeutet. Die sich überhaupt keine Gedanken darüber machen, wo das Fleisch herkommt. Nicht nur aus geschmacklichen Gründen essen viele leider Fleisch. Es ist doch auch Bequemlichkeit, Faulheit und Gewohnheit.
Beispiel mein Großvater. Er ist der Ansicht, Fleisch sei Tradition. Allein aus dem Grund schon isst er Fleisch. Und "weil's halt so lecker ist". Alles andere interessiert ihn nicht. Und wenn ich zum diskutieren anfange sagt er gleich "Nee ... neee ... das glaube ich nicht." (er glaubt Metzger achten darauf, dass die Tiere ein schönes Leben haben).
Und er will sich nicht einmal anhören, was ich zu sagen habe. Grundsätzlich fange ich nicht mit Fleischessern an, darüber zu diskutieren. Weil sich die meisten gleich angegriffen fühlen. Nur wenn MICH jemand kritisiert (wie mein Opa, der meint ich hätte ne Phase, in der ich geistig nicht ganz bei mir sei -.- oder meine Familie, die meint es wäre völlig sinnlos und ungesund) ... dann sage ich ihnen halt was Sache ist. Und dabei geht es mir z.B. um Tatsachen und nicht darum, andere zu kritisieren. Aber viele machen da dann leider die Ohren zu und das finde ich sehr schade.


Das mit dem "auf grün" umstellen oder dem Biosiegel ist leider echt eine Sache von Ansehen. Wird ja heutzutage überall einfach nur noch drauf gedruckt. Typisch Mensch. An erster Stelle steht immer Macht und Geld. -.-
Auch schade, dass bei der Moral das Mitgefühl oftmals keine Rolle spielt. Aber bevor Menschen überhaupt mitfühlen können, müssen sie erstmal anfangen, sich Gedanken zu machen. Ein Schritt führt zum nächsten.
"Zum Herzen führen keine lauten Straßen, sondern nur stille Wege."
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RE: Tierethik, Vegetarismus, Veganismus
19.05.2013, 13:56
(17.05.2013, 11:50)Zett Zelett schrieb: Und so haben auch andere nicht die Disziplin, gegen globare Erwärmung, Welthunger, Aids und Krebs vorzugehen.

Bezieh ich mal ein bisschen verspätet Stellung dazu: Laut einem Artikel der Süddeutschen Zeitung denn ich vor ca. zwei Jahren gelesen habe und nicht mehr finden kann, würden, wenn alle Menschen auf Fleisch verzichten würden die Treibhausgasemissionen um 50% Prozent zurück gehen.
Und natürlich kann auch viel mehr Nahrung produziert werden wenn wir aufhören sie durch Fleisch zu veredeln.
Ich kann mir nicht Vorstellen was globale Erwärmung und Welthunger stärker verhindern könnte als eine Umstellung auf Vegetarische/Vegane Ernährung.
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RE: Tierethik, Vegetarismus, Veganismus
19.05.2013, 15:59
(19.05.2013, 13:56)Dreckiger_Dan schrieb: Ich kann mir nicht Vorstellen was globale Erwärmung und Welthunger stärker verhindern könnte als eine Umstellung auf Vegetarische/Vegane Ernährung.

Das ist kein Geheimnis. bigwink
Gibt aber genug, die das nicht wahrhaben wollen.
"Zum Herzen führen keine lauten Straßen, sondern nur stille Wege."
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RE: Tierethik, Vegetarismus, Veganismus
22.05.2013, 23:39 (Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 22.05.2013, 23:42 von Underjorden.)
(17.05.2013, 14:22)Whitehawk schrieb: Sich als Querdenker zu wehren ist zwecklos solange die Masse nicht mitmacht.
[...]
Das dient aber lediglich für das persönliche Gewissen des Veganers/Vegetariers. Denn wenn sie es nicht essen, isst es jemand anders oder wird weggeworfen.

Was ist denn das für eine Aussage? Die weltweit Millionen Vegetarier/Veganer stellen bereits eine bestimmte Art Masse dar, ohne die die Nachfrage und damit auch die Produktion von Tierprodukten sicher höher wäre.
Aus dem vereisten Unterholz verschneiter Wälder
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RE: Tierethik, Vegetarismus, Veganismus
28.05.2013, 00:05
Fleischkonsum an sich ist evolutionär begründet. Es ist etwas natürliches, aber dennoch hat sich diese Nahrungsmittelindustrie sowie der Verbraucher (Ich will hier nicht Verallgemeinern, sondern gehe von der "Normalen" -obwohl man "Normal" nicht richtig definieren kann, wisst ihr sicherlich was ich meine- Bevölkerung und Nahrungsmittelindustrie aus.)
Wir haben das Wissen solche teuren Ressourcen wie zb. Fleisch bewusst zu produzieren und dennoch geht es nachher nur noch darum wie viel billiger das Schwein an den Mann gebracht werden kann. Ich würde ein Umdenken befürworten, jedoch den Konsum von Fleisch nicht als etwas schlechtes ansehen, es ist nur etwas geworden, dass keinen Wert mehr hat.
Was kostet denn heute noch Fleisch? Es ist ein großer Unterschied der Wertschätzung, wenn wir unsere Eltern, oder Großeltern einen guten Braten hinstellen, oder unseren Kindern.
Ich denke es ist wichtig den Kindern einen vernünftigen Umgang mit zB. Fleisch (sowie mit anderen Ressourcen beizubringen) und einem Grundverständnis der Haltung der Tiere zu geben, sodass eine Massentierhaltung uninteressanter wird, wir intelligenter Fleisch essen und es auch wieder moralisch vertretbar wird.
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RE: Tierethik, Vegetarismus, Veganismus
27.11.2013, 00:51
(28.05.2013, 00:05)Scientist schrieb: Fleischkonsum an sich ist evolutionär begründet. Es ist etwas natürliches, aber dennoch hat sich diese Nahrungsmittelindustrie sowie der Verbraucher (Ich will hier nicht Verallgemeinern, sondern gehe von der "Normalen" -obwohl man "Normal" nicht richtig definieren kann, wisst ihr sicherlich was ich meine- Bevölkerung und Nahrungsmittelindustrie aus.)
Wir haben das Wissen solche teuren Ressourcen wie zb. Fleisch bewusst zu produzieren und dennoch geht es nachher nur noch darum wie viel billiger das Schwein an den Mann gebracht werden kann. Ich würde ein Umdenken befürworten, jedoch den Konsum von Fleisch nicht als etwas schlechtes ansehen, es ist nur etwas geworden, dass keinen Wert mehr hat.
Was kostet denn heute noch Fleisch? Es ist ein großer Unterschied der Wertschätzung, wenn wir unsere Eltern, oder Großeltern einen guten Braten hinstellen, oder unseren Kindern.
Ich denke es ist wichtig den Kindern einen vernünftigen Umgang mit zB. Fleisch (sowie mit anderen Ressourcen beizubringen) und einem Grundverständnis der Haltung der Tiere zu geben, sodass eine Massentierhaltung uninteressanter wird, wir intelligenter Fleisch essen und es auch wieder moralisch vertretbar wird.

Der erste Post, den ich zu diesem Thema ohne jegliche Bemerkung sofort unterschreiben würde.
Der Wiedergeborene;Der neugeborene Sohn“ ist ein mythischer Vogel, der verbrennt, um aus seiner Asche wieder neu zu erstehen, etwas, das schon verloren geglaubt war, aber in neuem Glanz wieder erscheint.
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RE: Tierethik, Vegetarismus, Veganismus
27.11.2013, 13:00 (Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 27.11.2013, 13:10 von Dreamworld.)
Hallo,

den Begriff "evolutionär begründet" halte ich für schwierig. Das klingt so, als ob Fleischkonsum ein notwendiges Element in der Evolution wäre wie etwa (wahlweise 2 oder 4) Beine bei Säugetiere zur Fortbewegung, ohne die sie nicht sein könnten. Ich denke, es ist eher soziokulturell begründet und die Evolution hat sich darauf eingestellt. Wenn es tatsächlich auf diese Art evolutionär begründet war, z. B. weil es in einer bestimmten Zeit keine andere Nahrungsquelle mit der notwendigen Ergiebigkeit gab, dann müsste sich in der Zukunft ein evolutionär begründeter Vegetarismus einstellen, weil wir uns bei der Masse der Menschen auf diesem Globus bald keine solche ineffiziente Nahrungsmittelproduktion wie die Tierzucht mehr leisten können. Wie in der Steinzeit also, nur mit einem anderen Vorzeichen.

Die Frage, ob wir Tiere für die Nahrungsmittelproduktion nun artgerecht oder barbarisch behandeln setzt voraus, dass wir grundsätzlich die ethische Frage beantwortet haben, ob Tiere für den menschlichen Verzehr verwendet werden sollen oder nicht. Die Frage, ob wir andere Menschen für den Verzehr verwenden sollen, wird weitgehend überall auf der Erde gleich beantwortet. Bei den Tieren gibt es da schon deutlichere geografische Unterschiede. Meistens werden bei uns nur Tiere verspeist, die selbst Vegetarier, oder schlimmstenfalls Allesfresser sind. Fleischfresser essen wir sehr selten. Tiere mit einem ausgeprägten Gesicht oder einem Fell, zu denen wir eine emotionale Verbindung aufbauen können, werden in aller Regel nicht von uns gegessen. Für keine der Antworten der mit ethischem Anspruch gestellten Fragen kenne ich übrigens eine plausible Begründung. Es scheint sich also eher um eine stillschweigend akzeptierte Übereinkunft zu handeln. Insofern wundert es mich nicht, wenn andere Menschen, die sich dem Ballast der Jahrtausende nicht verpflichtet fühlen, die Frage für sich abweichend beantworten.

Nur ganz wenig scheint die Frage gestellt zu werden, ob die Tiere denn selbst damit einverstanden sind, wenn sie von uns gegessen werden, vorausgesetzt sie sind zu einer - auch gerne rudimentären - Art der Selbstreflexion fähig oder können körperliche und/oder unkörperliche Schmerzen empfinden bzw. haben einen Selbsterhaltungstrieb.

D.
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RE: Tierethik, Vegetarismus, Veganismus
27.11.2013, 13:59
„I learned long ago, never to wrestle with a pig. You both get dirty, and besides, the pig likes it.“ - George Bernhard Shaw
„Do not feed the troll.“ - Internet
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RE: Tierethik, Vegetarismus, Veganismus
27.11.2013, 16:55
lol der war gut. big wieso sollte jemand damit einverstanden sein dass man ihn verspeist? ob nun mit oder ohne selbstreflexion, mit oder ohne nervensystem, usw....

jaaa, man müsste fructarier werden... wenn das ginge.
Bin nicht mehr hier, aber noch erreichbar.
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RE: Tierethik, Vegetarismus, Veganismus
01.04.2014, 03:18
Auf die letzten Posts von scientist und dreamworld eingehend: Die Frage nach der Bedeutung des Fleischkonsums in der Evolution ist so lang und breit diskutiert worden, dass ich mich eigentlich nur frage, inwiefern das für die Bewertung des Fleischkonsums jetzt und hier überhaupt relevant ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand ernsthaft aus evolutorischen Gründen (!) das Essen von Fleisch argumentativ als notwendig für die Menschheit darstellen würde. Jemanden der den Punkt vertritt, dass die Menschheit vefan auf Sicht durch die Evolution degeneriert, könnte ich nicht ernst nehmen. Aber wie man bei scientists Aussage sieht zielt die evolutorische Schiene im Kern meist auf etwas anderes ab. Das Argument soll sein, dass es für den Menschen an sich "natürlich" sei, Fleisch (Milch und Ei) zu konsumieren. Das ist ein Punkt, der in der Debatte wohl mit am häufigsten fällt und gern windschief mit Darwin (kommt immer gut) untermauert wird. Es ist moralisch gut tierische Lebensmittel zu konsumieren, weil es natürlich ist. Das haben wir doch schon immer so gemacht. Nun stellt sich die Frage: Was ist "natürlich"? Abgesehen davon, dass es mir ein Schmunzeln ins Gesicht treibt, wenn in unserer Pestizit-Industrie-Aldi-Welt jemand von natürlicher Ernährung redet, ist es so, dass zum Bestimmen, was man als "natürlich" bezeichnet, völlig willkürliche Referenzen gezogen werden. Was ist natürliche Ernährung für uns? Beziehen wir uns auf den homo spapiens? Die Menschenaffen? Das Nagetier, das evolutorisch den gemeinsamen Vorfahren von Affen und Menschen vorausgeht? Verschiedenste Ernährungtrends picken sich die unterschiedlichsten Punkte in dieser Entwicklung heraus und leiten aus diesen (kurioserweise häufig sogar auf Grundlage des jeweils ausgewählten Referenzrahmens sehr fragwürdige oder gar unkorrekte) ihre "natürlichen" "besten" Ernährungsweisen ab. Um es nochmal zu sagen: Es ist völlig willkürlich. Das wird umso deutlicher, wenn man das Spektrum auf den homo sapiens verengt und annimmt, dass dessen Ernährungsweisen uns Aufschluss über "die natürliche Ernährung" des Menschen geben kann. Denn wir stellen fest: es gibt nicht den homo sapiens an sich! In den verschiedensten Teilen der Welt hat sich der Mensch zu vielen Zeiten komplett unterschiedlichen Gegebenheiten ausgesetzt gesehen und sich daher auch auf unterschiedlichste Weise angepasst - natürlich auch betreffend der Essgewohnheiten. Hier irgendwo die Richtschnur anzusetzen und die einzig richtige natürliche Ernährung ableiten zu wollen ist einfach nicht möglich.

Nach diesen grundsätzlichen Gedanken kann ich aber sogar noch einen draufsetzen: Selbst wenn ich jedem dieser Diskutanten den Punkt schenke und jedem seine eigene von ihm gefundene tatsächlich natürliche Ernährungsweise des Menschen an sich anerkenne, ist dies nicht einmal relevant für eine moralische Beurteilung. Wer so argumentiert schließt vom Sein auf das Sollen - naturalistic fallacy. Eine natürliche Gegebenheit kann allein kein moralisches Werturteil erlauben. Nur weil jemand davon ausgeht, dass "der Mensch" "schon immer" Fleisch gegessen hat, macht es das nicht zu einem moralisch erstrebenswerten Vorgang. Warum auch?

Alte Totschlagargumente "Es war doch schon immer so! Es ist natürlich! Darwin!" sollte man also langsam aus dem Arsenal entrümpeln. So einfach kann man die moralische Unanfechtbarkeit des Fleischkonsums an sich einfach nicht begründen und es hemmt fruchtbarere Diskussionen, wenn diese archaische Form der Argumentation weiterhin in den Köpfen vieler Menschen umhergeistert.
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RE: Tierethik, Vegetarismus, Veganismus
01.04.2014, 06:41
Das Naturargument ist doch super. Kinder töten ist auch Natur pur, bin voll dafür.

Da gibt es so ein Grundproblem mit der Moral: Moral ist nicht absolut. Tiere essen find ich okay, Kinder töten irgendwie nich so. Ob der Mensch sich den regelmäßigen Fleischkonsum auf Dauer leisten kann wäre vielleicht die praktischer gedachte Frage, an der sich unsere Moral "evolutionär" in Zukunft orientieren könnte und bei einigen offenbar schon orientiert.

Welche Entwicklung ist nützlich oder wenigstens nicht eindeutig schlechter als der Ist-Zustand, was setzt sich durch, ... gesellschaftliche Normen und Moral entwickeln sich nach quasi den gleichen Prinzipien wie die Arten - bloß viel schneller. Es braucht keine Jahrmillionen - ein paar Jahrhunderte oder Jahrzehnte reichen aus. Wem das zu lange dauert, bis all die Menschen mit alten Ideen ausgestorben sind, kann sich ja mal angucken wie lange es gedauert hat, bis Frauen (wieder) als vollwertige, vernunftbegabte Menschen allgemein anerkannt wurden - wobei sich das auch das noch längst nicht bei allen durchgesetzt hat bigwink
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RE: Tierethik, Vegetarismus, Veganismus
01.04.2014, 13:30
Dass die Evolution beim Menschen in diesem Sinne extrem schnell (da nicht mehr rein auf genetischer Ebene) arbeitet, finde ich auch spannend. Ich bin sehr gespannt, wie unsere Gesellschaft sich in den nächsten Jahrzehnten entwickelt.

Allerdings wäre ich vorsichtig mit der Moral. Nur weil keine objektiv bestimmbaren Werte in Sicht sind, würde ich nicht in einen völligen Relativismus verfallen wollen.

Viele Argumente zum Thema Veganismus/ Vegetarismus laufen inzwischen in Richtung Ökologie, Welthunger und so weiter. Auch du fragst ja, ob wir es uns leisten können. Das ist im Grunde auch nicht schlecht, denn auch auf diesem Gebiet spricht wenig für den Verzehr von Fleisch und man umgeht die Grundsatzdebatte.

Ich tendiere aber auch in der Grundsatzdebatte dafür, dass es eben nicht moralisch völlig unbedenklich ist z.B. ein Schwein zu töten. Ganz zu schweigen von der gruseligen industriellen Massentötung.
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RE: Tierethik, Vegetarismus, Veganismus
01.04.2014, 23:24
(01.04.2014, 06:41)Glassmoon schrieb: Da gibt es so ein Grundproblem mit der Moral: Moral ist nicht absolut.

augenroll Unmoral ist jedoch absolut. Absolut beschissen, absolut unzulänglich und absolut schuldig.
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RE: Tierethik, Vegetarismus, Veganismus
02.04.2014, 02:30 (Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 02.04.2014, 02:31 von Glassmoon.)
@pressure
Ich sehe das nicht als Relativismus, schlicht praktisch unter evolutionären bzw. memetischen Gesichtspunkten. So Dinge wie die Nächsten nicht auszurotten ist ja schon evolutionär verankert. Da hast Du vielleicht so etwas wie den Kern von Moral: Erhalt des Genpools. Mitgefühl mit Fremden ist so gesehen eine Erweiterung, die sich in unüberschaubar großen Gemeinschaften zumindest in Maßen als nützlich für den Fortbestand erwiesen hat – auch wenn es wohl, wenn man sich Gemeinschaften anderer, höherer Tiere betrachtet, um eine «Fehlfunktion» gehandelt haben muß: Irgendetwas ist beim modernen Menschen passiert, daß die Vorteile die Nachteile von Vertrauen und Altruismus auch mehr oder weniger Fremden gegenüber die Nachteile überwogen haben. Daß es unmoralisch ist, dem «Nachbarn» den Schädel einzuschlagen, ist irgenwo auch eine moderne Entwicklung – die nicht einmal «abgeschlossen» ist, deren Vorhandensein aber grundsätzlich das Ausmaß an Interaktion und Selbsterhalt moderner Zivilisationen erst ermöglicht hat. Heterogenität ist vermutlich ein Schlüssel zum Adaptionsvermögen auf sich wandelnde Umstände, also haben auch Psychopathen und Arschlöcher letztendlich ihre Daseinsberechtigung.

Und auf den Selbsterhalt läuft es am Ende auch hinaus mit der Moral, wozu beim Menschen auch eine funktionierende Gesellschaft gehört. Und seien es Strukturen, die sich regelmäßig gegenseitig die Köppe einhauen und Sündenböcke durch's Dorf jagen. Das war bei uns ja lange Zeit stabil – bis Massenvernichtungswaffen und industrielle Kriegsführung entdeckt wurden. Da muß man sich halt umorientieren… Selbsterhalt eben.

So, wie wir sind, haben wir uns mit unseren Nutzpflanzen und Nutztieren entwickelt, gemeinsam Lebensräume besetzt. Die Pflanzen und Tiere sind in ihrer Existenz auf uns angewiesen und umgekehrt. Daß Du es persönlich heute nicht (mehr?) vertreten kannst, die uns ähnlicheren Lebewesen zu töten oder töten zu lassen, ist durchaus legitim. Nur gilt das offensichtlich nicht für jeden und zumindest bei uns erst seit jüngster Zeit bei wenigen.

Der Wandel zu weniger Fleischkonsum oder komplettem Verzicht bekommt in meinen Augen durch die immer wieder ans Licht tretenden Probleme der intensiven Massentierhaltung und Monokulturen Aufschwung. Daß der Mensch grundsätzlich empathiefähig und emotional noch am leichtesten (auch zu völligem Unsinn) zu bewegen ist, trägt so wie das erwünschte Gruppenzugehörigkeitsgefühl zur Veganismusbewegung bei. Aber wann und wo beginnt die Moral?


(01.04.2014, 23:24)DasNetzInDir schrieb: augenroll Unmoral ist jedoch absolut. Absolut beschissen, absolut unzulänglich und absolut schuldig.
Kaum malt man den Teufel an die Wand… augenroll
Nein Junge, Du hast die einzig wahrhaftige Moral noch immer nicht für Dich gepachtet. Lern das doch mal. Da kannst Du Dich noch so sehr wie der Oberinquisitor gerieren.
@pressure
Ich sehe das nicht als Relativismus, schlicht praktisch unter evolutionären bzw. memetischen Gesichtspunkten. So Dinge wie die Nächsten nicht auszurotten ist ja schon evolutionär verankert. Da hast Du vielleicht so etwas wie den Kern von Moral: Erhalt des Genpools. Mitgefühl mit Fremden ist so gesehen eine Erweiterung, die sich in unüberschaubar großen Gemeinschaften zumindest in Maßen als nützlich für den Fortbestand erwiesen hat – auch wenn es wohl, wenn man sich Gemeinschaften anderer, höherer Tiere betrachtet, um eine «Fehlfunktion» gehandelt haben muß: Irgendetwas ist beim modernen Menschen passiert, daß die Vorteile die Nachteile von Vertrauen und Altruismus auch mehr oder weniger Fremden gegenüber die Nachteile überwogen haben. Daß es unmoralisch ist, dem «Nachbarn» den Schädel einzuschlagen, ist irgenwo auch eine moderne Entwicklung – die nicht einmal «abgeschlossen» ist, deren Vorhandensein aber grundsätzlich das Ausmaß an Interaktion und Selbsterhalt moderner Zivilisationen erst ermöglicht hat. Heterogenität ist vermutlich ein Schlüssel zum Adaptionsvermögen auf sich wandelnde Umstände(, also haben auch Psychopathen und Arschlöcher in gewisser Weise ihre Daseinsberechtigung).

Und auf den Selbsterhalt läuft es am Ende auch hinaus mit der Moral, wozu beim Menschen auch eine funktionierende Gesellschaft gehört. Und seien es Strukturen, die sich regelmäßig gegenseitig die Köppe einhauen und Sündenböcke durch's Dorf jagen. Das war bei uns ja lange Zeit stabil – bis Massenvernichtungswaffen und industrielle Kriegsführung entdeckt wurden. Da muß man sich halt umorientieren… Selbsterhalt eben.

So, wie wir sind, haben wir uns mit unseren Nutzpflanzen und Nutztieren entwickelt, gemeinsam Lebensräume besetzt. Die Pflanzen und Tiere sind in ihrer Existenz auf uns angewiesen und umgekehrt. Daß Du es persönlich heute nicht (mehr?) vertreten kannst, die uns ähnlicheren Lebewesen zu töten oder töten zu lassen, ist durchaus legitim. Nur gilt das offensichtlich nicht für jeden und zumindest bei uns erst seit jüngster Zeit bei wenigen.

Der Wandel zu weniger Fleischkonsum oder komplettem Verzicht bekommt in meinen Augen durch die immer wieder ans Licht tretenden Probleme der intensiven Massentierhaltung und Monokulturen Aufschwung. Daß der Mensch grundsätzlich empathiefähig und emotional noch am leichtesten (auch zu völligem Unsinn) zu bewegen ist, trägt so wie das erwünschte Gruppenzugehörigkeitsgefühl zur Veganismusbewegung bei. Aber wann und wo beginnt die Moral?


(01.04.2014, 23:24)DasNetzInDir schrieb: augenroll Unmoral ist jedoch absolut. Absolut beschissen, absolut unzulänglich und absolut schuldig.
Kaum malt man den Teufel an die Wand… augenroll
Nein Junge, Du hast die einzig wahrhaftige Moral noch immer nicht für Dich gepachtet. Lern das doch mal. Da kannst Du Dich noch so sehr wie der Oberinquisitor gerieren.
test zwo drei vier
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