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Wissenschaft, Szientismus, Glauben, Aberglauben...

Wissenschaft, Szientismus, Glauben, Aberglauben...
#1
02.10.2008, 00:53
[+] 1 User sagt Danke! ricky_ho für diesen Beitrag

Zitat:spell bound schrieb am 18.09.2008 16:34 Uhr:
na das legt doch den schluss nahe, dass man hier mal ein wunderbaren wissenschaftsphilosophie-thread machen sollte big


So, hiermit starte ich ihn nun, den grossen Thread zu Wissenschaft, Szientismus, Glauben, Aberglauben, Spiritualität, Fundamentalismus, Philosophie und wie das alles zusammenpasst oder auch nicht.

Ich schreib jetzt einfach mal meine Meinung dazu runter, das hab ich alles schon hier und da in anderen Threads mal geschrieben und es ist sicher nichts neues, aber um es mal zu sammeln und einfach den Thread zu starten... das sind so einige Punkte, bei denen ich mich in letzter Zeit zusammenreissen musste, nicht andere Threads damit vollzuspammen.

Als Ausgangspunkt will ich die Aussage nehmen dass man nicht zwischen Wissenschaft und Szientismus unterscheiden soll, da das nur ein Trick ist, um alles schlechte an der Wissenschaft als Szientismus von der Wissenschaft zu lösen und sich so die reine, wahre Wissenschaft erhalten zu können.

Denn grade das kann ich nicht nachvollziehen. Genau diese Unterscheidung halte ich in solchen Diskussionen für essentiell und finde es wichtig, Leute, die eine szientistische Einstellung mit Wissenschaft verwechseln, darauf hinzuweisen.

Zunächst will ich aber klarstellen, was ich hier mit "Wissenschaft" meine, und zwar die westliche Naturwissenschaft, wie sie sich in den letzten 300, 400 Jahren bis heute entwickelt hat. Das heisst nicht, dass ich andere Wissenschaften nicht für "richtige" Wissenschaft halte, aber meine Darstellung bezieht sich in erster Linie auf diese Naturwissenschaft - einiges passt sicher auf Wissenschaft allgemein, manches aber auch nicht.

Wenn man nicht zwischen Wissenschaft und Szientismus unterscheidet, ist das für mich vergleichbar damit, nicht zwischen Glauben und Aberglauben oder zwischen Religiösität und Fundamentalismus zu unterscheiden. Und genau wenn dies unterlassen wird, entstehen erst die scheinbar unauflöslichen Fronten. Denn solche Fronten entstehen zwischen absolutistischen Weltanschauungen.

Wissenschaft ist keine Weltanschauung, sondern eine Methode zur Erkenntnisgewinnung, die nach ganz bestimmten Regeln funktioniert. Es wird eine Hypothese aufgestellt, und dann wird diese anhand von Experimenten getestet. Die Hypothese wird als gültig angesehen, solange sie nicht experimentell widerlegt werden kann. Sie ist deshalb aber nicht wahr oder bewiesen, denn wissenschaftliche Hypothesen lassen sich nur falsifizieren. Durch die Eliminierung ungültiger Hypothesen durch Falsifikation entsteht so, in einer Art Evolution, ein wachsendes und sich veränderndes Gebäude von Aussagen über die Welt, und dieser objektive Mechanismus ist der Grund für die Effizienz der Methode, die sich heute zum Beispiel in der Technik zeigt, die Errungenschaften hervorbringt, die früheren Generationen wie reine Zauberei vorkommt (frei nach Arthur C. Clarke).

Man muss unterscheiden zwischen dieser Methode und vor allem zwei Dingen: dem von Menschen praktizierten Wissenschaftsbetrieb mit seinen Institutionen und Karrieren sowie der zur absolutistischen Weltanschauung mutierten Wissenschaft, dem Szientismus. Zu behaupten, dass nichts existiert, was nicht heute oder irgendwann mal rein wissenschaftlich erklärbar ist, hat nichts mit Wissenschaft (als Methode) zu tun, es ist unwissenschaftlich, denn diese Aussage ist nicht falsifizierbar. Jeder seriöse Wissenschaftler weiss das auch, was aber noch lange nicht bedeutet, dass er sich auch entsprechend verhält. Für die Karriere im Wissenschaftsbetrieb kann es sogar wichtig sein, wider besseren Wissens absolutistische Standpunkte zu vertreten. Das ist bei allen Karrieren so, auch ausserhalb der Wissenschaft. Wessen Karriere zum Beispiel von der optimalen Vermarktung eines bestimmten Produktes abhängt, der wird dieses Produkt als das beste, tollste, nie dagewesene preisen, auch wenn er es eigentlich besser weiss. Von der Politik brauchen wir gar nicht erst anfangen.

[Fortsetzung folgt]
„I learned long ago, never to wrestle with a pig. You both get dirty, and besides, the pig likes it.“ - George Bernhard Shaw
„Do not feed the troll.“ - Internet
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Re: Wissenschaft, Szientismus, Glauben, Aberglauben...
#2
02.10.2008, 00:54
Die Menschen ausserhalb des Wissenschaftsbetriebes lesen oder hören absolutistische Aussagen von Wissenschaftlern und nehmen diese an, da für sie die Wissenschaftler Autoritäten sind. Die wenigsten überprüfen diese Aussagen, sie können es in der Regel auch nicht, und so entsteht in der breiten Masse eine wissenschaftsgläubige Einstellung, die alles nicht-wissenschaftliche für minderwertigen Quatsch hält. Der grösste Teil der Leute, die diese Ansichten verinnerlicht hat und in Diskussionen vehement gegen Esospinner verteidigt, hätte in anderen Zeiten die vorherrschende Meinung genauso vertreten, z.B. im Mittelalter die Lehren der Kirche. Das ist einfach eine Sache der Konditionierung. Aber die hieraus entstehenden Konflikte kann man nicht der Wissenschaft an sich anhängen, genauso wie man nicht religiöse oder spirituelle Menschen pauschal für die Ausgeburten von religiösem Fundamentalismus oder die Machenschaften von verbrecherischen Sekten verantwortlich machen kann.

Oft wird eingeräumt, dass die derzeit gültigen wissenschaftlichen Theorien niemals als absolut wahr oder bewiesen angesehen werden können, aber es wird gesagt, dass sich diese Theorien durch den angesprochenen evolutionären Prozess (falsche Theorien werden widerlegt) immer mehr der "Wahrheit" annähern müssen, so dass eben die Wissenschaft irgendwann dann doch alles erklären können wird und höchstens noch ein paar unwichtige Detailfragen ungeklärt bleiben. Viele gehen davon aus, dass dieser Zustand im Grunde schon erreicht ist. Aber das bezweifle ich. Ich glaube, dass die Wissenschaft grundsätzlich niemals "alles" erklären kann, weil die Wissenschaft (die heutige westliche Naturwissenschaft) die Welt nur aus einer bestimmten Perspektive betrachtet und andere ausblendet.

Auf subjektive Erfahrungen, wie zum Beispiel Träume, ist die wissenschaftliche Methode des objektiv überprüfbaren Experimentes nun mal nicht anwendbar. Wie fiodra glaube ich mal erwähnte, wird nur mit Traumberichten gearbeitet, nicht mit Träumen an sich. Die Untersuchung von Traumberichten ist sozusagen die äussere, objektive Perspektive auf das Phänomen Traum. Das ist eine ganz andere Perspektive als die innere, subjektive, in der der Traum erlebt wird. Wissenschaftler, die ihre Perspektive nicht für eine Perspektive unter mehreren, sondern für die eine, absolute halten, gehen darum soweit, zu behaupten, dass es Träume gar nicht wirklich gibt. Weil sie ihren Instrumenten nicht zugänglich sind. Es wird nach den neurobiologischen Korrelaten der Träume im Gehirn gesucht, um etwas messbares zu haben. Es wird dann behauptet, dass dieses Korrelat der Traum "ist" - und nicht das subjektive Erleben, dem keine Wirklichkeit zugestanden wird.
[Fortsetzung folgt]
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Re: Wissenschaft, Szientismus, Glauben, Aberglauben...
#3
02.10.2008, 00:55
Es gibt aber noch ganz andere Perspektiven, Ken Wilber zum Beispiel unterscheidet in seinem Quadrantenmodell zunächst vier (die werden dann noch weiter unterteilt): objektiv, subjektiv, interobjektiv, intersubjektiv - die Naturwissenschaft im beschriebenen Sinn betrachtet nur den objektiven Quadranten. Sozialwissenschaft z.B. betrifft den interobjektiven Quadranten, Meditation/Spiritualität den subjektiven usw... die Vertreter der einzelnen Quadranten behaupten oft, dass ihre Perspektive die "richtige" ist und den Blick auf die "Wirklichkeit" darstellt, während die anderen alle auf diese eine reduziert werden können. Es sollte aber in der Entwicklung des Menschen und der Menschheit darum gehen, alle Perspektiven zu integrieren - Ken Wilber spricht darum vom integralen Ansatz.

Ein weiteres Beispiel ist C.G.Jung, der neben der kausalen Ordnung der Wissenschaft eine synchronizistische Ordnung annimmt. Synchronizitäten sind bedeutungsvolle Zusammenhänge zwischen inneren (subjektiven) und äusseren (objektiven) Begebenheiten, bei denen kein kausaler, wissenschaftlich beschreibbarer Zusammenhang besteht, die aber trotzem keine reinen Zufälle sind - wie ein Szientist annehmen muss, denn für ihn gibt es keine Zusammenhänge, die nicht wissenschaftlich beschreibbar sind.

David Bohm, ein Quantenphysiker, spricht von der expliziten und der impliziten Ordnung. Hier beschreibt die Physik eben nur die explizite Ordnung der Welt, die aber einer impliziten entspringt, deren Gesetzmässigkeiten der physikalischen Beobachtung nicht zugänglich ist.

Diesen Ansätzen ist gemein, dass sie die aus der wissenschaftlichen Methode gewonnen Erkenntnisse nicht ablehnen, sie aber nicht für absolute Wahrheiten halten. Durch diese Sichtweise entsteht gar kein Konflikt. Natürlich geht der Konflikt nicht nur von der wissenschaftlichen Seite aus, es gibt andersherum auch Leute, die wissenschaftliche Erkenntnisse ablehnen oder ignorieren und aus ihrer subjektiven Erfahrung heraus an Dinge oder Zusammenhänge glauben, die man objektiv untersuchen kann und die dann nicht vorhanden sind. Ein Beispiel sind hier für mich Aussagen über Charaktereigenschaften, die vom Sternbild abhängen und wo dann z.B. daran geglaubt wird, dass bestimmte Konstellationen von Sternzeichen besonders stabile Beziehungen ergeben - objektive Untersuchungen von Scheidungsraten bei verschiedenen Konstellationen widerlegen so einen Zusammenhang, aber diese Untersuchungen werden dann ignoriert - das nenne ich Aberglauben im Gegensatz zu Glauben, der Bereiche betrifft, die nicht objektiv untersuchbar sind - z.B. der Frage nach der Unsterblichkeit der Seele. Zwischen Aberglauben und Wissenschaft sowie zwischen Glauben und Szientismus wird es immer Konflikte geben - zwischen Glauben und Wissenschaft sind sie nicht nötig.

Darum halte ich es für essentiell, zwischen Wissenschaft und Szientismus, zwischen Glauben und Aberglauben, zwischen Religiösität und Fundamentalismus klar zu unterscheiden, wenn man Konflikte auflösen und integrieren will, anstatt sie zu suchen und zu fördern.
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Re: Wissenschaft, Szientismus, Glauben, Aberglauben...
#4
02.10.2008, 01:53

@ricky: Danke, das macht glücklich; sehr beeindruckend und wohltuend unaufgeregt und ausgewogen dargestellt. Sicherlich wird noch häufig auf diesen Thread vewiesen werden.

Aber hättest Du nicht ein paar mehr "Steine des Anstoßes" einbauen können - wie sollen wir denn so mit Dir diskutieren pleased bigwink )?


Liebe Grüße,
der LuftAtmer

geträumte Luft schmeckt irgendwie anders

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Re: Wissenschaft, Szientismus, Glauben, Aberglauben...
#5
02.10.2008, 09:08
Ich finde es toll, wie du sorgfältig deine Sichtweise dargestellt hast.

Lustig finde ich, wie du am Anfang zwischen Scientismus und Wissenschaft klar unterscheidest, um nachher ausführlich zu zeigen, dass Wissenschafter szientistisch argumentieren können und es auch ausgiebig tun. Die Unterscheidung und die Fronten zwischen diesen beiden Einstellungen scheinen offenbar gar nicht so klar zu sein. Die reine Wissenschaft gibt es vermutlich nur theoretisch, als Ideal, ebenso den reinen Scientismus. (als Teufel. twisted )

In weiten Teilen stimme ich mit dir überein.
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wir sind nur gekommen, zu träumen,
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auf der Erde zu leben. - Tochihuitzin Coyolchiuhqui


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Re: Wissenschaft, Szientismus, Glauben, Aberglauben...
#6
02.10.2008, 10:13
Als Motiv für Wissenschaftler, "scientistisch" oder verallgemeindernd zu argumentieren gibt es finanzielle Gründe. Ein gutes Beispiel sind die Flut von kontroversen wissenschaftlichen Untersuchungen zum Thema Gefährdung der Gesundheit durch Margarine versus Butter, oder Süssstoff versus Zucker. Diese Untersuchungen wurden natürlich von den jeweiligen Wirtschaftszweigen gesponsert.

Ein anderes wichtiges Motiv, das wohl eher in weniger lukrativen Sparten, wie der Traumforschung spielt, ist der persönliche Ehrgeiz. Ich vermute die vehement vorgetragenen Thesen von Hobson (Träume sind bedeutungslos) und Revonsuo (Träume sind ein antiquierter Mechanismus um das Überleben zu sichern) haben viel mit diesem Wirkfaktor zu tun. Man muss nur genügend laut und aromatisch in ein Zimmer furzen, damit man Beachtung findet. Das sind Begleiterscheinungen der Wissenschaft, die natürlich von den Medien dankbar aufgenommen und an prominenter Stelle plaziert werden.

Der Ehrgeiz ist ebenfalls dafür verantwortlich, dass möglichst viel publiziert wird, was wichtig für das Ansehen, die Finanzierung und das Fortkommen ist. Ob die Qualität der Publikationen gleichbleibend hoch ist, kann da kaum einer mehr prüfen.

All dies als "Scientismus" zu bezeichnen, der mit (Natur-)Wissenschaft nichts zu tun hat, scheint mir nach wie vor fragwürdig, denn offensichtlich gehören die beiden zusammen und erscheinen zusammen im wissenschaftlichen Alltag. Diese Fronten scheint es nur in philosophischen Diskussionen zu geben, man kann sie deshalb meiner Meinung nach als philosophische Artefakte bezeichnen, die etwas illustrieren mögen, die aber in der wissenschaftlichen Praxis nicht klar zu unterscheiden sind.

Nach wie vor halte ich deshalb die (Natur-)Wissenschaft für kritisierbar und nicht nur den sogenannten Scientismus, der angeblich was ganz anderes ist. (Ricky, offenbar unterscheiden sich unsere Definitionen von Naturwissenschaft, deine ist theoretischer und enger, meine praxisorientiert und weiter.)
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Re: Wissenschaft, Szientismus, Glauben, Aberglauben...
#7
02.10.2008, 13:28
Ich gebe dir völlig recht, wenn du sagst, dass es die Wissenschaft an sich, also als reine Methode, ohne dahinterstehende Ideologie, nur als Ideal gibt. Denn sobald sich Menschen dieser Methode bedienen fliessen eben die typisch menschlichen Faktoren in die Geschichte ein und das ganze lässt sich nicht mehr klar trennen.

Ich denke aber, dass das ein allgemeines Phänomen ist. So gibt es z.B. den reinen Sozialismus auch nur als Ideal, und sobald Menschen versuchen, dieses Ideal umzusetzen, wird es verzerrt. Andersrum genauso mit dem freien Markt, der eine Idealvorstellung ist. Aber um entstehende Konflikte richtig bewerten und vielleicht sogar auflösen zu können, halte ich es für wichtig, in der Kritik zwischen der allgemeinen Idee und der realen Umsetzung zu trennen und nicht Probleme, die bei letzterer entstehen, vom Menschen zu trennen und dem Ideal an sich zuzuschreiben, um dieses dann allgemein zu verdammen.

Trotz aller Probleme, die im realen Wissenschaftsbetrieb entstehen (und die eben überall entstehen, wo Menschen miteinander auskommen müssen), halte ich es für wichtig, dass die Menschheit die Wissenschaft nicht verwirft, wenn sie ihre Probleme lösen oder, etwas weiter geblickt, sich in Zukunft weiterentwickeln will. Allerdings darf die Wissenschaft auch keine Alleinherrschaft beanspruchen, und für genauso wichtig halte ich es z.B., dass spirituelle Traditionen nicht verworfen werden.

Nochmal zu den Begriffen:

Unter Naturwissenschaft verstehe ich ganz grob gesagt die Methode, eine Hypothese experimentell zu überprüfen und dadurch falsifizierte Hypothesen fallen zu lassen, mit allen Konsequenzen. Dies ist ein Ideal, wie du sagst.

Wenden Menschen diese Methode an, entsteht der Wissenschaftsbetrieb, und das Ideal wird verfälscht, insbesondere werden experimentell falsifizirte Hypothesen manchmal nicht (sofort) fallengelassen (man sagt, dass neue Ideen sich erst durchsetzen, wenn die Väter der alten gestorben sind) oder es werden Spekulationen als wissenschaftliche Tatsachen dargestellt.

Unter Szientismus oder Wissenschaftsgläubigkeit verstehe ich die Ansicht, dass etwas, dass durch die wissenschaftliche Methode nicht beschreibbar ist, ob heute oder in Zukunft, nicht existiert. Das wissenschaftliche Modell wird zur Realität.

Und zu der evolutionären Entwicklung der Wissenschaft, aus der manche schliessen, dass sich das wissenschaftliche Modell der Realität zwangsläufig immer mehr annähern muss, wollte ich noch anmerken, dass das natürlich auch schon von Thomas Kuhn abgewiesen wurde, der festgestellt hat, dass die Geschichte der Wissenschaft keine kontinuierliche Entwicklung darstellt, sondern von Paradigmenwechseln bestimmt ist, was genau mit den Problemen im Wissenschaftsbetrieb zusammenhängt, die du beschreibst (Geld, Ehrgeiz, usw...). Wie oben schon gesagt, neue Ideen werden zunächst nicht akzeptiert und setzen sich erst in einer neuen Generation von Wissenschaftlern, die nicht durch das herrschende Paradigma konditioniert sind, durch.

Das hat man z.B. bei der Entstehung der Quantenphysik gesehen, die von heute auf morgen der klassischen Physik, die viele um die Jahrhundertwende noch für praktisch abgeschlossen hielten, völlig den Boden unter den Füssen weggezogen hat, was viele alteingesessene Physiker gar nicht so gut verkraftet haben, unter ihnen teilweise sogar Leute, die die Entstehung der neuen Physik massgeblich mitgestaltet haben, wie Planck und Einstein. Es waren dann die jüngeren Kollegen wie Heisenberg, die an der neuen Theorie festgehalten und diese durchgesetzt haben, während z.B. Einstein trotz aller experimentellen Resultate bis zuletzt bei seinem "Der Herrgott würfelt nicht" blieb.
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Re: Wissenschaft, Szientismus, Glauben, Aberglauben...
#8
02.10.2008, 16:36
Deine Unterscheidung scheint mir nachvollziehbar. Mir geht es auch gar nicht darum, die (Natur-)Wissenschaft zu verwerfen, sondern sie zu kritisieren, indem ich zeige, dass wissenschaftsfremde Faktoren die Wissenschaft zwangsläufig beeinflussen. Ich dachte, das sei aus all meinen Voten klar hervorgegangen.

Zum Beispiel das Experiment, das als unbestechliche Methode dargestellt wird. Wiederum nehme ich ein Beispiel aus der Lebensmittelindustrie, weil man davon hie und da in den Zeitungen lesen kann. Eine Firma hat eine Margarine entwickelt, die nicht nur reich an Omega 3 Fettsäuren sind, sondern diese werden zusätzlich künstlich und auf anspruchsvolle Weise eingeschossen. Das heisst die Margarine ist hochangereichert an Omega 3 Fettsäuren, so wie es in der Natur nicht vorkommt. Sie ist dementsprechend teuer. Es konnte nachgewiesen werden, dass man mit dieser Margarine, täglich genossen, den Cholesterinwert im Blut senken kann. Das hilft potentielle Herzinfarkte zu verhindern, weil Cholesterin dazu führt, dass die Herzkranzgefässe verfetten und verstopfen. Das war lange die Meinung: weniger Cholesterin im Blut, weniger Herzinfarktrisiko. Der Cholesterinspiegel kann experimentell einwandfrei nachgewiesen werden. Ob dies dazu führt, dass das Herzinfarktrisiko tatsächlich gesenkt wird, müssten Langzeitstudien durchgeführt und mit empirisch statistischen Methoden, nicht mit experimentellen, nachgewiesen werden. Nun zeigen aber neuere Experimente, dass das Cholesterin nicht im Blut gelöst ist, wenn man diese Margarine isst, sondern dass es an den Wänden der Blutgefässe klebt. (Na bravo) Von gesenktem Herzinfarktrisiko kann keine Rede mehr sein.

Dieses Beispiel zeigt, dass das Problem in der Wissenschaft nicht das wiederholbare Experiment ist, sondern die Versuchsanordnung und die Interpretation der Ergebnisse. Bei Versuchsanordnungen muss man sich für etwas entscheiden und schliesst dafür anderes aus. Bei den Ergebnissen muss man interpretieren, ansonsten sind sie völlig sinn- und wertlos. Aber überall da kommt der Mensch hinein mit seinen Vorlieben und seinen Motiven, wie du ja ebenfalls siehst. Man kann das Experiment also nicht aus einem Kontext herauslösen. Deshalb scheint es mir auch sinnvoll, nicht zwischen Wissenschaft, Wissenschaftsbetrieb und Szientismus zu unterscheiden, weil alle völlig ineinander verwoben sind.

Nun zu deinem Beispiel des Sozialsimus, den es in einer idealen und einer gelebten Form gibt. Weil die gelebte Form gescheitert ist, hat auch das Ideal ernsthaften Schaden genommen. Auch hier kann man also nicht wirklich trennen. Dasselbe mit dem Liberalismus, der wird durch das praktische Beispiel heute ernsthaften Schaden nehmen, auch als Idealform wird er deshalb fallen gelassen werden müssen. Auch hier greift die Trennung zwischen theoretischem Ideal und Praxis nicht wirklich. Das Ideal ist einzig für eine Zielsetzung sinnvoll, aber nicht für eine Rechtfertigung. Die Rechtfertigung geschieht immer in der Praxis.
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Re: Wissenschaft, Szientismus, Glauben, Aberglauben...
#9
02.10.2008, 21:22

Zitat:fiodra schrieb

Deine Unterscheidung scheint mir nachvollziehbar. Mir geht es auch gar nicht darum, die (Natur-)Wissenschaft zu verwerfen, sondern sie zu kritisieren, indem ich zeige, dass wissenschaftsfremde Faktoren die Wissenschaft zwangsläufig beeinflussen. Ich dachte, das sei aus all meinen Voten klar hervorgegangen.


Ehm, sind wir uns jetzt hier plötzlich alle einig, oder wie?
Eigentlich war ich bisher derjenige, der in den anderen Threads überall die wissenschaftsfremden Faktoren kritisiert hat...

Einer der Unterschiede ist wohl, dass du (oder ihr) anscheinend davon ausgeh(s)t, es wäre zwangsläufig so und man könnte ohnehin nichts dagegen machen. Ich hingegen plädiere dafür, immer darauf hinzuarbeiten, den Einfluß so gering wie möglich zu halten und Einflüssen, denen man sich ohne Probleme auch entziehen könnte auch tatsächlich zu entziehen. Also darunter zählt sowas wie Interessen von Geldgebern, Moralvorstellungen, das Bedürfnis berühmt zu werden und so...
Denn man _kann_ sich diesen Sachen entziehen.


Zitat:(...) Nun zeigen aber neuere Experimente, dass das Cholesterin nicht im Blut gelöst ist, wenn man diese Margarine isst, sondern dass es an den Wänden der Blutgefässe klebt. (Na bravo) Von gesenktem Herzinfarktrisiko kann keine Rede mehr sein.

Dieses Beispiel zeigt, dass das Problem in der Wissenschaft nicht das wiederholbare Experiment ist, sondern die Versuchsanordnung und die Interpretation der Ergebnisse. Bei Versuchsanordnungen muss man sich für etwas entscheiden und schliesst dafür anderes aus. Bei den Ergebnissen muss man interpretieren, ansonsten sind sie völlig sinn- und wertlos. Aber überall da kommt der Mensch hinein mit seinen Vorlieben und seinen Motiven, wie du ja ebenfalls siehst.


Es gibt also Studien, die zu einem Ergebnis kommen, und dabei von gewissen Voraussetzungen ausgehen. Dann werden andere Studien durchgefürt, durch die erstmals klar wird, dass diese Voraussetzungen falsch waren... und damit quasi die Ergebnis-Aussage der ersten Studie relativiert werden muss.
Wo ist jetzt bitte das Problem? Dies hat irgendwie gar nichts mit den vorher genannten vermeidbaren Einflüssen auf die Versuchsanordnung, die Interpretation oder die Forschung generell zu tun...

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Re: Wissenschaft, Szientismus, Glauben, Aberglauben...
#10
03.10.2008, 13:00

Zitat:owa schrieb am 02.10.2008 21:22 Uhr:
Einer der Unterschiede ist wohl, dass du (oder ihr) anscheinend davon ausgeh(s)t, es wäre zwangsläufig so und man könnte ohnehin nichts dagegen machen. Ich hingegen plädiere dafür, immer darauf hinzuarbeiten, den Einfluß so gering wie möglich zu halten und Einflüssen, denen man sich ohne Probleme auch entziehen könnte auch tatsächlich zu entziehen. Also darunter zählt sowas wie Interessen von Geldgebern, Moralvorstellungen, das Bedürfnis berühmt zu werden und so...
Denn man _kann_ sich diesen Sachen entziehen.


Ich glaube auch, dass man sich diesen Einflüssen zumindest in einem gewissen Grade entziehen kann. Bei den äusseren Einflüssen seh ich da gar kein Problem, bei den inneren, die einen dazu verleiten, die eigene Perspektive als die richtige anzusehen, dürfte das schwieriger sein, aber trotzdem nicht unmöglich. Ich weiss nicht, ob man als Individuum eine vollkommene Objektivität erreichen kann, aber wenn nicht, kann man sich zumindest darüber bewusst werden, dass man nicht vollkommen objektiv ist und so eine absolutistische Haltung vermeiden.

Meiner Meinung nach kann man nicht abstreiten, dass es Wissenschaftler gibt, die man nicht als Dogmatiker oder Szientisten bezeichnen kann und die auch gar kein Problem haben mit spirituellen Ideen. Was nicht unbedingt heissen muss, dass sie an sie glauben, was aber auch nicht ausgeschlossen ist. Hier hat vor kurzem jemand ein Interview mit Harald Lesch gepostet, leider finde ich es nicht, aber das war doch ein gutes Beispiel.

Aber sobald viele Menschen sich zusammentun und ein organisierter Wissenschaftsbetrieb entsteht, in dem Publikationen über Karrieren und Fördergelder und so weiter entscheiden, halte ich es auch für schwierig bis unmöglich, dass sich in dieser Struktur keine dogmatischen Haltungen entwickeln. Es entsteht eine gewisse Eigendynamik, die Mechanismen der Massenpsychologie beginnen zu wirken.

Ich denke, genau wie eigentlich jede Religion letztlich aus Machtgründen bestimmte absolutistische Tendenzen entwickelt, ohne dass diese auf individueller, spiritueller Ebene vorhanden sein müssen, ist es auch in der Wissenschaft und anderen Gebieten. Jede Gruppe muss sich in irgendeiner Weise von anderen abgrenzen und entwickelt einen gewissen Chauvinismus. Das heisst halt nicht, dass dieser Chauvinismus bei allen Mitgliedern der Gruppe in gleichem Maße vorherrscht.
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Re: Wissenschaft, Szientismus, Glauben, Aberglauben...
#11
03.10.2008, 18:16
Juhu, schonwieder wurden gut 20 Minuten meiner Zeit verschwendet, danke...


grüße,

Carter
»Der Wahrheitsliebende ist jenseits von Gut und Böse«,
intonierte eine Stimme, die keine war. »Der Wahrheitsliebende ist ins
AllesIstEins getrieben. Der Wahrheitsliebende hat gelernt, daß Illusion die
Einzige Realität ist und Wirklichkeit die Große Betrügerin.«
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Re: Wissenschaft, Szientismus, Glauben, Aberglauben...
#12
04.10.2008, 13:55

Zitat:ricky schrieb
Meiner Meinung nach kann man nicht abstreiten, dass es Wissenschaftler gibt, die man nicht als Dogmatiker oder Szientisten bezeichnen kann und die auch gar kein Problem haben mit spirituellen Ideen. Was nicht unbedingt heissen muss, dass sie an sie glauben, was aber auch nicht ausgeschlossen ist. Hier hat vor kurzem jemand ein Interview mit Harald Lesch gepostet, leider finde ich es nicht, aber das war doch ein gutes Beispiel.


Hier gepostet von DreamScience: http://www.klartraumforum.de/forum/showt...&startid=4 (zwölftes Posting von oben).



Zitat:randolph schrieb
Juhu, schonwieder wurden gut 20 Minuten meiner Zeit verschwendet, danke...


Komisch, ich erkenne die Threads, die Zeitverschwendung sind, sofort wenn ich sie zum ersten Mal anklicke und die Postings ein wenig überfliege. Das dauert keine 20 Minuten, höchstens zwei. Aber Zeitverschwendung ist dieser Thread in der Tat dennoch, da alles was hier gesagt wurde ja schon in anderen Threads zur Sprache kam und dieser Thread hier nur existiert, weil dort irgendjemand der Meinung war, die Diskussion wäre offtopic. Was erstens nicht der Fall war, wie man in dem betreffenden Thread klar erkennen kann und zweitens sind Leute, die sich über offtopic echauffiert haben (mit Ausnahme von ricky) sowieso diejenigen, die nichts zum Thema beigetragen haben, weder zum offtopic-Thema, noch zu dem Thema von dem sie der Ansicht waren es wäre das 'nicht-offtopic-Thema' gewesen. Ich plädiere hiermit dafür, dass sich die Threads dorthin entwickeln dürfen wohin sie wollen. Aber nein, kaum schreit jemand "Offtopic!" dann wird die Diskussion als beendet erklärt oder in einen anderen Thread ausgelagert, damit die möglicherweise vorhandene Kritik auch ja niemanden stört. Menschen nerven mich manchmal ganz schön mit sowas. Nundenn, zurück zur Wissenschaft, da ich gerade in der Laune bin, meine in den anderen Threads begonnene Killing-Spree ein wenig fortzusetzen. Da fiodra mich ja nun ignoriert wie man sieht, brauche ich auch nicht zu befürchten, dass mir wieder jemand eine Salami-Taktik unterstellt, wenn ich mal auf das "Wissenschafts"-Gebiet eingehe, was so ziemlich am wenigsten von allen mit Wissenschaft zu tun hat. Diese Unterstellung würde ohnehin an ihrer Wirkung verlieren, wenn man sich vor Augen führt, dass mir vorher von fiodra eine Salami-Taktik unterstellt wurde, als ich mich unter anderem von Szientismus distanzierte, und hier in diesem Thread plötzlich wie aus dem Nichts fiodra ricky mit seiner Definition zustimmte, obwohl meine Definition und rickys Definition von Szientismus exakt die gleichen sind, was ich bereits lange vorher auch zu erkennen gegeben habe. Das aber nur nebenbei. Welches ist nun das Gebiet, was sich mit dem Attribut wissenschaftlich schmückt, es aber am wenigsten ist? Es ist: Jura. Auf deutsch: Rechts"wissenschaft". Was passiert da genau? Es gibt Hochschulen, Studiengänge, Diplome, Doktortitel und alles was auch ansonsten so vorhanden ist, und beim normalen Volk den Eindruck von Seriösität und Werthaltigkeit erweckt. Dies täuscht natürlich über die inhärenten Unzulänglichkeiten hinweg. Zunächst ist Jura keine Forschung, nichts was den Menschen neue Erkenntnisse bescheren würde, die ihr Weltbild, ihr Denken oder ihr Handeln verändern könnten. Jura selbst veranlasst Menschen dazu, ihr Denken und Handeln zu verändern, was ich eher als Manipulation, Propaganda, Anpassungszwang und so weiter bezeichnen würde und werde. Wohl dem, der sich dem nicht unterwirft.
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Re: Wissenschaft, Szientismus, Glauben, Aberglauben...
#13
04.10.2008, 13:55

Es gibt hier sogar Götter und Engel und alles, was ansonsten nur in der Theologie (auch so eine Anti-Wissenschaft... Vorsicht, Salami-Taktik!) oder in der Esoterik verbreitet ist. Die Götter und Engel haben nur andere Bezeichnungen. Der Gott der Rechtswissenschaft ist der geschriebene Gesetzestext. Die Engel der Rechtswissenschaft sind Richter an den verschiedenen Gerichtsinstanzen, die das Wort Gottes interpretieren müssen. Hier ist sogar eine Hierarchie vorhanden, also das was ein Engel interpretiert, ist minderwertiger, als das was ein anderer Engel interpretiert, weil der eine nur an am Amtsgericht Berlin-Moabit tätig ist und der andere beispielsweise am Bundesgerichtshof. Bei rechtlichen Debatten greift man bevorzugt auf die Interpretationen der höchstrangigen Engel zurück, mit anderen Worten man unterwirft sich deren Autorität, und blendet abweichende Ansichten aus. Man wendet bei der "Wahrheitsfindung" also permanent ein Autoritätsargument an, welches jedoch ein logischer Fehlschluß ist. Schlimmer noch, wer sich an abweichende Ansichten hält wird sanktioniert durch vollstreckbare Urteile und für sein freies Denken und Handeln bestraft. Weiterhin ist das Wort Gottes den Launen einiger elitistischer Narren unterworfen, die man gemeinhin als Legislative bezeichnet. Ob deren Ausfluss nun sinnvoll und dem Wohl der Menschen förderlich ist, oder ob es nur Maßnahmen sind die eigene Macht zu sichern, kann dahingestellt bleiben. Fakt ist, dass je nach Laune (sie nennen es möglicherweise "gesellschaftspolitische Notwendigkeit") eine "Wahrheit" aufgegeben, und durch eine andere "Wahrheit" ausgetauscht werden kann, die dann sogar später auch wieder durch die erste "Wahrheit" ausgetauscht werden könnte. Und es gibt Leute, die bezeichnen sich als Wissenschaftler, als Professoren und Doktoren nur weil sie auswendig gelernt haben, wann eine "Wahrheit" mal gültig war und wann es eine andere war. Das tut einem schon fast körperlich weh. Noch mehr tut einem weh, dass diesen Leuten dann tatsächlich auch das entsprechende Ansehen entgegenbegracht wird, was mit diesen Titeln einhergeht. Das einzige, was an diesem Gebiet noch etwas mit wissenschaftlichem Vorgehen zu tun hat, ist die Notwendigkeit, in entsprechenden Publikationen Quellenangaben sowie abweichende Ansichten aufzuführen, das war es dann aber auch schon. So... natürlich war dieses Posting ebenfalls Zeitverschwendung, was einen in keiner Form weiterbringt und neue Erkenntnisse gebracht hat. Wer bis hierhin gelesen hat (und ich bezweifle dass es irgendjemand getan hat), der kam den ganzen Weg und findet schlußendlich ...nichts. Zumindest nichts, was nicht auch schon vorher mit genügend Hirn und kritischem Denkvermögen sonnenklar war.

owa was looking good till she killed herself.

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Re: Wissenschaft, Szientismus, Glauben, Aberglauben...
#14
04.10.2008, 15:09

Zitat: Aber nein, kaum schreit jemand "Offtopic!" dann wird die Diskussion als beendet erklärt oder in einen anderen Thread ausgelagert, damit die möglicherweise vorhandene Kritik auch ja niemanden stört.

ich glaube, wenn jemand kritik ignorieren will, dann kann er das in jedem thread tun, ob offtopic oder nicht..
ich halte das auslagern in diesem fall aber fuer sinnvoll, weil das thema in mehreren threads schon zur sprache kam, und wenn dort dann noch kreuzverweisend diskutiert wird, ist ein ueberblick nicht mehr so einfach zu finden, vor allem nicht fuer neueinsteiger.
ausserdem, wohin sich threads entwickeln sollten, bleibt wohl eher frage des threaderstellers.. immerhin kann auch jeder welche erstellen.


was mir zum thema uebrigens auffaellt ist, dass hier oefter von "wissenschaftlichkeit" gesprochen wird, und dann gewisse "wissenschaftliche ideale" bzw. methoden vorgestellt werden, die erfuellt werden muessen. dabei sollte man aber vielleicht beachten, dass nicht jede wissenschaft gleich ist, sogar wissenschaften in sich selbst oft gespalten sind. in den naturwissenschaften mag das eindeutiger und auch "objektiver" erscheinen, aber bei "humanwissenschaften" gibt es allein wegen des anderen untersuchungsgegenstandes auch ganz andere methodische probleme oder wissenschaftlichkeitskriterien.

ausserdem haben einzelne disziplinen so ihre eigenen entstehungsgeschichten, in der sich auch traditionen und autoritaeten ergeben haben, oder gewisse probleme ganz besonders versucht werden, nicht zu wiederolen; manchmal unterscheidet sich das sogar von standort zu standort z.b. von universitaeten, zumindest international gesehen. das alles beeinflusst denn auch, was als "gute wissenschaft" angesehen wird und werden kann. es waere in jedem fall vielleicht ganz nuetzlich, die jeweiligen disziplingeschichten daher auch zu kennen und zu verstehen. und auch seinen eigenen biographischen standort und die damit verbundenen vorverstaendnisse und vorurteile ueber "gute wissenschaft" oder dem konkreten untersuchungsgegenstand, der einen gerade interessiert.

man koennte, in anderen worten, vielleicht auch etwas mehr differenzieren zwischen den einzelnen wissenschaften & ihren jeweiligen anspruechen, weil wissenschaft einfach nicht gleich wissenschaft ist.


z.b. koennte man sich fragen, inwiefern denn eine rechtswissenschaft ueberhaupt wissenschaftlich sein kann. was dort die kriterien dafuer sein sollten. z.b. koennte sie ja, anstatt nur rechtstexte zu interpretieren, sie auch analysieren auf ihre schluessigkeit oder klarheit oder sowas. allerdings kenne ich mich dort nicht aus, weiss nicht, inwiefern das praxis ist oder nicht. es wuerde dann auf jeden fall eine engere verbindung mit literaturwissenschaften und vielleicht auch ethik und sozialwissenschaften erfordern.. (ich bin ja sowieso fuer interdisziplinaritaet..)

was ich auch ganz interessant finde ist, wie sich theologie als wissenschaft verkaufen kann. offensichtlich ist mir, dass sie ihren sitz an den unis wohl vorwigend aus traditionsgruenden hat. wenn es um die untersuchung von religiositaet gehen soll, in einem angeblich laizistischen staat, dann sollte das doch einer neutraleren religionswissenschaft ueberlassen werden. (sehr fies finde ich es immer, wenn in unserer institutsbibliothek kaum buecher vorhanden sind, und ich dann immer zu den theologen gehen muss, mit ihren pompoesen bibliotheken..)



was ich noch ganz interessant finde ist die frage: inwieweit koennen wissenschaften eigentlich normative aussagen treffen? oft gilt naemlich objektivitaet, oer zumindest neutralitaet als grundtugend einer wissenschaft. aber, vor allem in humanwissenschaften, scheint mir sowas nur begrenzt moeglich. ausserdem ist reine deskription wohl ueberhaupt nie moeglich, und vielleicht nicht einmal wuenschenswert. denn, moechte man dann fragen: wozu das ganze dann?
ich glaube, normative aussagen stecken in wissenschaftlichen aussagen bereits drin. verkleiden sich oft als "objektivitaet" und "neutralitaet", um dadurch nur eine umso groeßere autoritaet und verfuegungsgewalt zu bekommen. auf diese weise zumindest wurde in frueheren religionswissenschaften gerne ueber den fremden, mysterioesen "orient" gefachsimpelt, um sich als die tolle, fortschrittliche europaeische kultur davon entschieden abheben zu koennen.. und vielleicht sogar, um die eigene kultur anderen aufpfropfen zu duerfen.
nun waere es vielleicht also angebrachter, normative aussagen als solche kenntlich zu machen, und zu begruenden, inwieweit die eigene fachkompetenz solche aussagen unterstuetzen kann..


das problem, das owa ueber die verehrten titel anspricht, wurde hier ja schon oefter angesprochen. ich denke auch nicht, dass das ein typisches jura-problem waere, sondern eines, das den gesamten wissenschaftsbetrieb betrifft, sofern man darin auf gelder, prestige, sozialen / kulturellen aufstieg, usw. angewiesen ist.

ein anderes fragment: lustig finde ich, wenn forschungseinrichtungen mit geldern ueberhaeuft werden, und dann mit allen mitteln, die vorhanden sind, rumgespielt werden. was dabei herauskommt, ist manchmal garnicht das, wofuer die gelder gedacht waren, sondern das, was man halt gerade so mit den vorhandenen mitteln herausfinden konnte.
Bin nicht mehr hier, aber noch erreichbar.
Bitte keine coronaleugner
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Re: Wissenschaft, Szientismus, Glauben, Aberglauben...
#15
05.10.2008, 16:27


Zitat:spell schrieb

ich glaube, wenn jemand kritik ignorieren will, dann kann er das in jedem thread tun, ob offtopic oder nicht..


Sage das den Leuten, die Yatahaze und meine Wenigkeit damals mit nicht wirklich höflichen PNs zugeschüttet haben, weil wir es gewagt hatten Wilko-Kettenspam-Threads zu kritisieren.


Zitat:(...) in den naturwissenschaften mag das eindeutiger und auch "objektiver" erscheinen, aber bei "humanwissenschaften" gibt es allein wegen des anderen untersuchungsgegenstandes auch ganz andere methodische probleme oder wissenschaftlichkeitskriterien. (...)


Für die methodischen Probleme werden deswegen im besten Fall Lösungen gesucht. Im schlimmeren Fall - und das ist der Ansatzpunkt meiner Kritik, als ich zB woanders geschrieben habe, dass Sozialwissenschaft mehr zur Manipulation von Leuten geeignet ist als Naturwissenschaft - werden gar nicht erst auf die Probleme aufmerksam gemacht und es wird so dargestellt, als hätte eine Aussage des selben Verbindlichkeitscharakter.


Zitat:man koennte, in anderen worten, vielleicht auch etwas mehr differenzieren zwischen den einzelnen wissenschaften & ihren jeweiligen anspruechen, weil wissenschaft einfach nicht gleich wissenschaft ist.


Die Grenzen sind schon fließend. Man muss man sich aber auch dessen bewusst sein, dass dies eine offene Einladung dafür darstellt, den Wissenschaftlichkeitsbegriff zu mißbrauchen:

"Für mich ist die Existenz Gottes bewiesen. Die Bibel ist das Wort Gottes und in der Bibel steht, dass Gott existiert. Dieser Nachweis entspricht meinem Anspruch auf Wissenschaftlichkeit. Nur weil mein Anspruch auf Wissenschaftlichkeit ein anderer ist als eurer, darf meine Überzeugung keinen geringeren Stellenwert haben."

Nein, tut mir leid. Nenn mich von mir aus engstirnig, altmodisch, konservativ oder pessimistisch, aber die möglichen Folgen dieses Mißbrauches stellen für mich eindeutig das größere Übel dar, als eine engere Definition von Wissenschaftlichkeit.


Zitat:z.b. koennte man sich fragen, inwiefern denn eine rechtswissenschaft ueberhaupt wissenschaftlich sein kann. was dort die kriterien dafuer sein sollten. z.b. koennte sie ja, anstatt nur rechtstexte zu interpretieren, sie auch analysieren auf ihre schluessigkeit oder klarheit oder sowas. allerdings kenne ich mich dort nicht aus, weiss nicht, inwiefern das praxis ist oder nicht. es wuerde dann auf jeden fall eine engere verbindung mit literaturwissenschaften und vielleicht auch ethik und sozialwissenschaften erfordern.. (ich bin ja sowieso fuer interdisziplinaritaet..)


Hmm, die Analyse auf ihre Schlüssigkeit und Klarheit erfolgt schon. Entweder im Rahmen von sogenannten "Kommentaren" oder in vom Stil her eher journalistischen Aufsätzen. Verbindlichen Charakter haben aber nur die Analysen der Gerichte.

Ein Gericht hat dann zwei Möglichkeiten... entweder es kann sich bei unklaren Gesetzestexten festlegen, wie der Gesetzestext auszulegen ist (das führt dann in manchen Fällen zum Entstehen von sogenannten "ungeschriebenen Tatbestandsmerkmalen"... zumal auch schon für die Auslegung selbst verschiedene Kriterien herangezogen werden: Teleologie, Historische Entwicklung, Grammatik oder die Einordnung ins Rechtssystem).

Oder das Gericht prüft nur auf Klarheit, Schlüssigkeit und auf Widersprüche zu anderen höherrangigen Gesetzen oder EU-Richtlinien und sagt dann, ob das Gesetz an sich Gültigkeit behalten darf oder nicht (das macht vorwiegend das Verfassungsgericht). Ethische oder soziale Betrachtungen beeinflussen diesen Prozess natürlich. Ein geradezu vortreffliches Anschauungsbeispiel dafür ist die in der Sache absolut üble und verachtenswerte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum Inzestverbot: http://www.bundesverfassungsgericht.de/e...39207.html


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