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Über die Struktur des Traums

Über die Struktur des Traums
#1
12.12.2007, 12:19
Über die Struktur des Traums und die Möglichkeiten ihn zu beeinflussen.


Kapitel 1: Strukturlosigkeit des Traums


In dieser Schrift betrachtet der Autor ein alltägliches, allgemeinmenschliches und doch so ein rätselhaftes Phänomen, wie das nächtliche Erleben des Traumes. Sein Wissen darüber (eigentlich seine Gedanken, denn Wissen ist nichts anderes als die Gedanken) bezieht er aus einer primären Quelle. Diese Unmittelbarkeit resultiert aus zahlreichen Begegnungen des wachen Autors mit dem Phänomen des Traums in den sogenannten Klarträumen.
Was ist also ein Traum? Was macht ihn aus? Was ist seine Quintessenz? Als erstes muss festgestellt werden, dass die Vorstellung vom Traum, als sei er etwas Statisches, Festes oder Beständiges wohl trügerisch ist. Der Traum, gewöhnlich betrachtet als ein Produkt der gedanklichen Aktivität, ist vielmehr selbst ein Prozess, ein Gedankenfluss, eine kognitive Bewegung. Lassen Sie an dieser Stelle den Autor den Gedanken weiterentwickeln. Im Traum, viel deutlicher und schneller als im Wachleben, verändert sich die Umgebung, transformieren sich die Gegenstände oder die Personen. Diese, wohl augenfällige Behauptung hat eine Reihe interessanter Konsequenzen. In einer (Selbst) Analyse des Geträumten ist immer vom Traum per se die Rede. Die Betrachtung des Traumes als ein Zustand, basiert meistens auf einem Wissen über die nächtlichen Bilder, deren Inhalt und die mehr oder weniger sinnvollen Geschichten drumrum. Man könnte einen Träumer mit einem Bahnreisenden vergleichen, der in einem Zug sitzt und eine vorbeiziehende Landschaft im Fenster anschaut. Aus den früheren Erfahrungen weiß der Passagier, dass er (falls der Zug stehen bleibt) immer aussteigen und in der jeweiligen Gegend die sie ausmachende feste Materie anfassen kann. Im Traum ist es jedoch anders. Zwar können wir im Traum auch alles handfest erleben, doch diese Struktur ist fluid. Der etscheidend verhängnisvolle Schritt ist die falsche Attribution oder fehlerhafte Verknüpfung von täglichen Erfahrungen mit nächtlichen Bildern. Anders gesagt glauben wir, dass der Traum echt ist. Und nicht nur im Traum, während des Träumens, sondern (wohl in einer anderen, subtilen Form) auch nach dem Aufwachen. Selbstverständlich wissen wir am morgen, dass es nur ein Traum war, der von den eigenen Gedanken gesponnen wurde und das es sich dabei um nichts Echtes handelte. Jedoch genau dieses Quasiwissen ist der subtile Irrtum. Das Problem in der Betrachtungsweise des Geträumten ist nämlich, dass wir mit diesem Wissen wie mit dem Wissen aus dem Wachleben umgehen. Um dieses Problem zu verdeutlichen, müssen wir uns zuerst bewußt machen, was das Wissen aus der wachen Realiät ausmacht. Von der Annahme einer objektiven Welt „da draußen“ ausgehend, ist das menschliche Wissen so etwas wie ein ständiges Abtasten einer reelen Form mithilfe einer „Knetmasse“ der Gedanken. Der dabei entstehende (und wohl immer wieder bestätigte) Eindruck der festen Form dient als ein Duplikat, als eine mehr oder wenig gelungene Entsprechung der Wahrheit. Mit diesem Duplikat schlagen wir uns durch unser Leben, verwechseln ihn oft mit der Realität, denn er ist für unseren Umgang mit der Umwelt ausgesprochen wichtig. Beziehen wir jedoch diese Gewohnheit in der Wissensbehandlung auf den Umgang mit der Traumerinnerung, so wirkt das Wissen über den Traum ebenfalls als ein Duplikat einer anderen, nächtlichen Form. Dass diese Feststellung keine bloße Behauptung ist, sondern de facto praktiziert wird, beweisen nicht nur die populären dicken Wälzer über Traumsymbole, sondern die ganze Traumarbeit der Psychoanalyse. Wobei die Anhänger der Letzteren im Traum einen Ausdruck der Persönlichkeit suchen, im Sinne der realen statischen Manifestation der lebendigen Triebe. Jeder, der sich mit diesen Dingen beschäftigt hat, weiß wie wenig hilfreich diese Praktiken wirken.
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Re: Über die Struktur des Traums
#2
12.12.2007, 12:20
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Ist man sich dieser fatalen Verwechselung bewusst, so stellt sich die Frage wie man mit einem Traum (oder dem Wissen darüber) umgehen soll. Als erstes sollte man den Traum, seine wahre strukturlose Essenz ohne Brille des Wachlebens betrachten. Der Traum war noch nie ein Zustand, ein Produkt, ein Duplikat von irgendetwas, sondern er sind (und hier wurzelt wahrscheinlich einer der größten seiner Geheimnisse und Missverständnisse) er sind die augenblickliche Denkbewegung des Träumenden. Diese Denkbewegungen dienen keinem Abgleich oder Informationsgewinn über die Form der inneren Realität, sie sind funktions- und zwecklos . Diese, auf den ersten Blick enttäuschende Aussage, mindert auf keinen Fall die Wichtigkeit von Träumen, umgekehrt sie öffnet ganz neue, bis jetzt ungeahnte Möglichkeiten der Introspektion. Genau weil die Denkbewegungen als Traum von ihrem üblichen funktionellen Gebundensein befreit sind, können sie dort unverfälscht, so wie sie ursprunglich auch sind, erscheinen. An dieser Stelle muss der Autor noch mal betonen, dass die falsche Betrachtungsweise dieser Denkbewegungen zuerst und der falsche Umgang mit Träumen in weiterem, deformieren diese Denkbewegungen zu etwas ganz anderem, monströsen. Genauso wichtig wie die Einsicht in die wahre, strukturlose Essenz der Denkbewegungen ist ein angemessener Zugang zu ihrer Aufführung enorm bedeutsam. Wohl bewusst geht der Autor weg von der Analyse, der Deutung oder der Interpretation des Traumes hin zur Darbietung. Diese Wandlung ist nicht zufällig entstanden, sie kann und soll hier auch erklärt werden. Das zweite große Geheimnis des Traumes besteht in seiner Unzertrennlichkeit der Kette des Träumers – Der Akt des Träumen - und der Traum selbst. Wir haben diese Verkettung wohl von ihren hinteren Glied betrachtet und konnten feststellen, dass der Traum und der Akt des Traumes ein und dasselbe ist. Wandeln wir die Kette weiter zum Ursprung, finden wir im selben Bund den Träumenden, der wie die Denkbewegungen nicht ungleich existiert. Es ist eine der größten Perversionen der menschlichen Kultur, vor dieser Tatsache die Augen zu verschließen und so zu tun, als wären die Träume etwas Selbstständiges. Es ist deshalb so schlimm, weil es die Denkbewegungen an ihrer einzigen schwachen Stelle trifft– die Erniedrigung durch des gleichen, Kannibalismus in ihrer barbarischen Ausprägung.
Schon fast anekdotisch wirken heute die lauten Rufe der Denkbewegungen über die Unzertrennlichkeit dieser Kette in einem der ersten, noch trüben klaren Träumen des Autors.


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Re: Über die Struktur des Traums
#3
12.12.2007, 12:23

Ich bin ein Weißkopfadler und fliege über das Meer. Ich genieße den Flug: spüre mit jeder Feder die Luftströmung, lasse mich von ihr hochsteigen und betrachte mit meinen scharfen Augen das Meer und die Insel.
Auf einer Insel sehe ich ein Gebäude, das wie eine Oneironautenschule aussieht. Wie ein Stein stürze ich hinein und setze mich auf die Schulter von meinem Lehrer. Der steht in seinem langen Mantel da und beendet gerade den Unterricht. Ich packe ihn mit meinen kräftigen Krallen an die Schulter und hebe ihn hoch. Wir fliegen über das Meer, höher und höher, durch eine dicke Wolkenschicht zur ewigen Sonne hinaus. Irgendwann kommen wir an einer unsichtbaren energetischen Grenze und fliegen durch. Die Grenze flammt kurz um unsere Konturen mit flimmernder Goldfarbe auf, und auf der anderer Seite steht auf den Wolken ein Adlermensch: mit dem Kopf eines Weißkopfadlers und den Körper gehüllt in einen langen Mantel von meinem Lehrer.
Ich laufe über die Wolken um die Ecke und befinde mich plötzlich in einem kleinen Saal. Es ist Nacht, der große Kaminofen brennt, der Saal ist im viktorianischen Stil möbliert, ich sitze im Sessel am Feuer den Adlermenschen gegenüber und wir trinken einen schottischen Whisky.
- Du wolltest doch das Neue wissen, sagt der Adlermensch zu mir, ich werde dir heute ein großes Traumgeheimnis verraten. Hör zu!

Wir Träume sind die älteste und zugleich höchste Form der Existenz. Evolutionsgemäß haben wir uns vom unbewussten Traumfetzen zu einer Art die jenseits von Zeit und Raum ist und über jegliche Gesetzmäßigkeiten herrscht, entwickelt. Doch auch die entwickelteste Wesen haben ihre Schattenseite. Jedes Traumwesen hat am Tag auch ein Wachleben. Früher wurde diesem Aspekt des Traumdaseins kaum Aufmerksamkeit geschenkt. Wachleben wurde oft als Traummüll bezeichnet: gefangen in einen menschlichen Körper, den physikalischen Gesetzmäßigkeiten unterworfen, verdummt und versklavt. Dort ist die Traumwirklichkeit leider nur eine schwache Erinnerung. Den anderen Ansichten nach ist das Wachleben eine biologisch bedingte Notwendigkeit, ein Übel, das man in Kauf nehmen muss um sich vom Traumgeschehen zu erholen und um die Traumphantasien zu verarbeiten.
In der letzten Zeit wurden jedoch mehrere Versuche unternommen um das Wachleben gezielt zu beeinflussen. Ein Traumwesen, das gleich zwei Namen trug, Sigmund und Freud, bewegte die anderen Menschen dazu, sich um ihr wahres Traumdasein zu kümmern. Er lies einen anderen Menschen über seine Traumerinnerung sprechen, unterbrach ihn zuerst nicht und im Weiteren versuchte er durch unsinnige Bemerkungen den Gesprächspartner vom Wachlebenbewußtsein abzulenken, um das Traumwesen dadurch entfalten zu lassen.
Der zweite Wachlebenforscher, ein Traumwesen Namens Tholey, vereinfachte die ganze Prozedur radikal. Der Mensch sollte, Tholey nach, ein Traumerinnerungstagebuch führen und sich mehrmals am Tag die Frage stellen: „wach ich oder träum ich“? Wobei die Betonung auf „träum ich“ liegt. Als Folge davon findet der Mensch in seiner Wachumgebung mehrere Beweise für den Traum und begreift, dass er in Wirklichkeit ein Traumwesen ist. Die andere Methode, die Tholey entworfen hat, beinhaltete, das wenn man vom Wachleben endlich zum Traum übergeht, dann soweit wie möglich auch das Wachlebenbewußtsein mitnimmt, um es im Traum zu untersuchen und besser kontrollieren zu können.
Ein Traumwesen Namens LaBerge bemühte sich um eine unmittelbare Wirkung des Traumwesens auf das Wachleben. Er lies die Traumwesen die ihr Wachlebenbewußtsein unter Kontrolle haben im Wachleben mit komplizierten Geräten anschließen um diesen Traumwesen die Möglichkeit zu geben sich direkt auszudrücken. Leider sind diese Experimente bis jetzt fehlgeschlagen weil die Untersucher selber nur ein begrenztes Wachlebenbewußtsein besaßen und dementsprechend auf Buchstaben und Zahlen konditioniert waren. Sie haben mehrere herrliche Traumwesenbücher lediglich als Gehirnstromwellen interpretiert. Um Kommunikation zwischen Traumwesen im Wachzustand zu ermöglichen, schufen die Traumwesen ein globales Computernetz mit Knoten, wo sich die vom Tag benebelten Traumwesen treffen können. Dort können sie ihre Traumerinnerungen und Techniken zum Erlangen vom Traumwesenbewusstsein austauschen. Und so sitzt du jetzt vor deinem Computer, liest diese Zeilen und ich hoffe, dass du mich verstehst. Es ist der Grund warum du in deinem Wachleben so oft unzufrieden bist; es ist das, wonach du suchst; es ist das, was dich unruhig macht; das, warum du so oft und solange auf dieser Internetseite hängst. Es ist das Geheimnis. Die Zeit ist gekommen um es zu wissen..... „Wir Träume sind nicht voneinander getrennt! Sei dir deinem Traumwesen bewusst!“

Ich bin jetzt der Adlermensch, nehme einen Schluck vom schottischen Whisky und lasse meinen Kopf in den Nacken fallen damit der Whisky auch runterrutscht.
Der Sessel mir gegenüber ist leer.


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Re: Über die Struktur des Traums
#4
12.12.2007, 12:25
Kapitel 2: Reine Träume als sinnvolle Denkbewegung



Die Identifikation mit sich selbst ist eine der einfachsten und schwierigsten Aufgaben eines Menschen schlecht hin. Diese Aufgabe ist aber auch eine der dankbarsten in diesem Leben. Nichts kann eine tiefere Befriedigung bereiten, als die Selbstverschmelzungen. Um präzise zu sein, sollte man hier nicht von Selbstverschmelzung, sondern von der „Selbstbefreiung vom Selbst“ reden. Die tiefe Einsicht in die wahre dynamische Strukturlosigkeit des Selbst ist allerdings noch keine Garantie der Selbstbefreiung. Man muss, und das wird hier mit Absicht betont, man muss es können richtig zu träumen. Was heißt hier richtig? Eine Einsicht in die wahre Natur des Traumes ist vergleichbar mit einem Schlüssel, den man von einer Geheimtür bekommt. Der nächste Schritt ist allerdings, mit diesem Schlüssel die Tür zu öffnen und Mut zu haben, jenseits der gewohnten Welt rausgzugehen. Wie träumt aber, ein Träumer, der selbst die Denkbewegungen, der Traum ist, der von sichselbst nicht getrennt ist. Träumt er möglicherweise trüb? Oder ist er in dem ablaufenden Traum klar? In Gegenteil. Der involvierte Träumer ist weder trüb noch klar. Er ist ein natürlicher Träumer, ein reiner Träumer der nicht über seinen Denkbewegungen steht, sondern im Fluss seiner Gedanken bewusst fließt. Seine Identifikation ist allerdings nicht der Name des Flusses, nicht seine Beschaffenheit oder sein Bett, vielmehr ist er der Strom des Flusses, tatsächlicher Strom, vergleichsweise mit dem messbaren elektrischen Strom seines Gehirnes. Im ziellosen Lauf seiner Denkbewegungen ist er keine besondere davon, er ist jede selbst. Doch dies deutet auf kein chaotisches oder zweckloses Rumtoben, wie man sich das vorstellen möge. Das reine Träumen ist von den Prozesseigenschaften der Denkbewegungen bestimmt und das weist auf einen anderen, dynamischen Aspekt des Denkens hin. Es ist zwecklos zu versuchen, diese dynamischen Prozesse zu beschreiben. Denn die Tagesbeschreibung neigt wieder und wieder zu der Produktion ihrer spezifischen statischen Duplikaten. Im Wind des natürlichen Selbsttraumes zu reiten ist reine Selbstaufopferung für nichts und alles. In diesem selbstlosen Flug entfaltet sich das Gefühl für die wahre einzige Bewegung. Die Bewegung, die sogar nicht mehr als Dynamik registriert werden kann, wenn ihr jegliche Referenzpunkte fehlen, keine stehende oder andersfliessende Denkbewegungen von ihr mehr wahrgenommen werden können. Diese eine, dynamiklose Strömung der Denkbewegungen ist das Unmöglichste auf der Erde: das Erwachen des Geistes aus dem ewigen ewigen ewigen Traum.

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Re: Über die Struktur des Traums
#5
13.12.2007, 16:28
Hi Don,

Dein anspuchsvoller komplizierter Text hat mich sehr inspiriert, auch wenn ich möglicherweise überhaupt nichts davon richtig gecheckt habe bigwink

Der Träumer, das Träumen und der Traum sind untrennbar eins, richtig?

Diese Deine Erkenntnis hat mich dazu angeregt, mich auf meine klarträumerischen Wurzeln zurückzubesinnen und den Klartraum vollständig auf den Akt des (möglichst nondualen) Schauens zu reduzieren.
(Denn wie oft war ich schon beim Erinnern eines KTes unzufrieden, dass ich keine konkreten Bilder vor Augen hatte und mich offenbar - obwohl klar bei Bewusstsein - in einem wischiwaschi-Ambiente wie in einem trüben Trübtraum herumbewegt hatte.)

Es fand also Schauen statt (mehr als "ich schaute") und alles herum war gestochen scharf und WUNDERSCHÖN!
Leider schlug mein Herz zu hoch, als dass es sich für längere Zeit mit dem Schlafen hätte vereinbaren lassen neutral

Somit danke für's Posten und
liebe Grüße big

Rhetor
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Re: Über die Struktur des Traums
#6
13.12.2007, 17:35
auch ich mag diesen text und freue mich auf mehr.
darum ein paar anmerkungen von mir, die du wiederum mit bemerkungen versehen kannst, wenn du magst. tut mir im voraus schonmal leid, wenn ich zu angreifend wirke.


das statische voellig loszulassen scheint mir gleichbedeutend zu sein damit, die sprache loszulassen. ueber solche "prozesse" ließe sich nichts mehr mitteilen. es ist allerdings, denke ich, dennoch moeglich, auf so etwas hinzuweisen, denn statisch und dynamisch sehe ich nicht unbedingt als absolute und als gegensaetze.
das kommt allein schon bei dem ausdruck "dynamik" als ein ja eigentlich "statisches" wort zutage. dein ganzer text scheint mir demnach ein hinweis zu sein auf etwas, wovon man doch genau genommen nicht reden kann.

die sprache beherbergt wohl weitere eigenarten, die probleme bereiten koennen: heben wir einmal den dualismus von trueb und klar traeumen auf, so entsteht sofort ein neuer dualismus zwischen natuerlich und unnatuerlich(?) bzw. zwischen richtig und falsch.
vielleicht ist das nicht schlimm, und du moechtest akzeptieren, dass es eben bestimmte arten des traeumens gibt, die falsch sind. ich wuerde aber meinen, dass man letzten endes auch diese angeblich falschen traeumereien als bestimme ausdrucksform des einen sehen kann. was passiert da? es gibt kein erwachen mehr, keine spezielle erwachenstechnik, kein ziel, keinen weg.. erwachen ist einfach immer schon und ueberall enthalten und ausgedrueckt.
mag sein, dass das aus deiner sicht "falsch" ist, aber ich schildere eben meine sicht: das "programm" das du vorfuehrst (wenn ich es mal so nennen darf), "natuerlich" zu traeumen, halte ich durchaus fuer erstrebenswert, nicht aber um absolutes erwachen zu erreichen (weil das unmoeglich, ja unsinnig ist). es bleibt, fuer mich, eine vorliebe. ein spiel. darum wuerde ich mich weigern von "richtigem" traeumen zu sprechen. allerdings gehoert, wie ich glaube, auch wahrheit zu manchen spaßigen spielereien.

ich halte ebenso die "natur des traumes" fuer weder dynamisch, noch statisch. allein kann man traeume auf beide weisen betrachten, und jede betrachtungsweise hat etwas fuer sich. dass traumdeutung einigen menschen etwas bringt, scheint mir offenkundig.

ich wuerde auch nicht traeume so sehr generalisieren und dann vom wachleben abgrenzen. um vorwegzugreifen, ich halte es etwa so: es gibt verschiedene "arten" von traeumen, manche sind dynamischer, manche statischer. die (jetzige) wachwelt gehoert dazu, als eher statischer traum.

dass traeume nun per se dynamisch seien, diese weisheit hast du entweder aus der introspektion (dann muss ich einfach sagen, meine introspektion sagt mir nicht so etwas), oder du begruendest es auch aus der aussage, dass der traum ja keinen abbildcharakter, wie die wachwelt habe. woher allerdings diese weisheit stammt, weiss ich auch nicht.
ich halte es wiederum so: sowohl traum als auch wachwelt koennen betrachtet werden als abbildhaft, ebenso aber auch als nicht abbildhaft. beide betrachtungsweisen haben wiederum etwas fuer sich.
ich tendiere allerdings dazu zu sagen, dass das was abgebildet wird (d.i. die objektive welt) selbst nur ein konstrukt ist, dass also der ganze abbildungsmechanismus eine erfindung ist. das gilt auch fuers sogenannte wachleben, nicht nur fuer traeume.
dass daraus aber folgt, traeume koennte oder duerfte man nicht auf diese weise behandeln oder in kontext von anderen traeumen deuten, halte ich fuer falsch. vielleicht aber hast du das auch gar nicht sagen wollen, sondern nur, dass dieses verhalten einen am "erwachen" hindert.
nun muss ich wohl sagen, dass ich das erwachen selbst als ein konstrukt halte, eine illusion der man ebenso nachlaeuft wie den deutungen von traeumen und der wachwelt.
das erwachen, von dem du sprichst, scheint mir kein absolutes zu sein (weil es das nicht geben kann, wie bereits gesagt), es scheint mir lediglich ein veraenderungsprozess zu sein.
aber du sagst ja selbst, mir noch etwas unklar, dass es "das unmoeglichste der erde" sei.


vielleicht habe ich auch einiges missverstanden, kann gut sein.
Bin nicht mehr hier, aber noch erreichbar.
Bitte keine coronaleugner
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Re: Über die Struktur des Traums
#7
27.03.2008, 17:49
Hi Don,
es lohnt es sich doch ab und an erkältet im Bett zu liegen. Sonst hätte ich beim Stöbern wohl kaum Deinen Beitrag entdeckt. Er kam zum richtigen Zeitpunkt.

Ich habe ihn vorhin noch einmal meiner Frau vorgelesen und wir halten ihn für einen der schönsten und originärsten Texte über die Natur des Traums - ob im Wachen oder Träumen, den wir kennen. Du gibst den Traumfiguren eine Seele, wie schön. Und Träumen ist Denken, genauso empfinde ich es auch.

Mein Klarträumen kennt nur noch selten eine volle Identifikation mit einem Teil des Traums, immer bis ich auch alles, in unterschiedlichen Ausprägungen. Wir tauchen (bewußt) ein in die millionenfach parallelen Denkprozesse des individuell-kollektiven Unter-Überbewusstseins. Früher habe ich dies die Sicht der großen Mutter genannt. Viele Deiner Traumbeschreibungen erinnern mich an diesen kreativen, komplexen und so geheimnisvoll vielschichtigen Einsichts-Klarsichts-Wachtraum-Flow. Wow - und Du findest Worte dafür ... träumst Geschichten, eine uralte Tradition.
Die Schamanen (zumindest ein Teil von ihnen) haben dieses Denken seit Jahrtausenden kultiviert, verborgen in ihren kulturellen Mythen. Ich habe die Shipibos als die Meister dieser Kunst entdeckt.
In meiner Arbeit nenne ich es nun das "komplexe Denken" - so ist das in der Forschung, man braucht langweilige Namen. wink4 Rilke war soviel präziser in seinen Gedichten ...
Die Achtsamkeit ist für mich neben dem Klarträumen nur ein anderer Weg, in diesen Modus zu kommen. Vor meiner Unizeit dachte ich, er sei stabil, extremes analytisches Denken kann ihn jedoch trüben - bei mir zumindest, weshalb ich auch wieder (überwiegend) das Künstlerdasein wähle.

Da Du ja auch was an der Uni machst/gemacht hast:
Einer der wenigen bekannten deutschen Psychologen, der diesen Modus zu kennen scheint, ist Julius Kuhl, Professor für Persönlichkeitsdiagnostik und Motivationspsychologie zu sein. Ich habe Dir (glaube ich) mal einen Link zu seiner Psi-Theorie gepint. Er nennt es dort "Extensionsgedächtnis", C.G.Jung bezeichnete es einfach als "Fühlen" - allerdings in einer sehr komplexen Bedeutung. Interessanter Mensch der Kuhl, Austausch lohnt sich - er weiß mehr als er in seiner exponierten Stellung öffentlich sagen/schreiben darf. (Leider ein Problem, wenn man im akademischen Esteblishment kusiert.) Sein Buch "Der kalte Krieg im Kopf" gibt einiges her ... und doch scheint er noch zu Befangen in seiner Theorie.

Schade, dass ich am Wochenende nicht in Hamburg bin - hätte Dich wirklich gerne mal kennengelernt.
Hoffe, dass es sich irgendwann einmal ergibt. happy

Kein Himmel - keine Erde
aber immer noch
fallen Schneeflocken
Hashin
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Re: Über die Struktur des Traums
#8
24.04.2008, 14:49
Vielen Dank für die Antworten!

ich habe lange hier nicht geschrieben und das hat seine Gründe. Diesen Text habe ich im Zug von Bamberg nach Dresden mehr oder weniger unbewusst verfasst. Es war wie ein Drang, ich habe mein Laptop angeschaltet und losgetippt ohne nachzudenken... die Zeit ist stehen geblieben, ich war voll im Flow, absorbiert vom Geist, total "high" in diesem Augenblick.

Es sind also keine logisch durchdachte Textsequenzen, mir geht es gar nicht darum. Ich freue mich total auf die Antworten und versuche sie zu kommentieren big



Zitat:Rhetor schrieb am 13.12.2007 16:28 Uhr:

Der Träumer, das Träumen und der Traum sind untrennbar eins, richtig?

Diese Deine Erkenntnis hat mich dazu angeregt, mich auf meine klarträumerischen Wurzeln zurückzubesinnen und den Klartraum vollständig auf den Akt des (möglichst nondualen) Schauens zu reduzieren.
(Denn wie oft war ich schon beim Erinnern eines KTes unzufrieden, dass ich keine konkreten Bilder vor Augen hatte und mich offenbar - obwohl klar bei Bewusstsein - in einem wischiwaschi-Ambiente wie in einem trüben Trübtraum herumbewegt hatte.)

Es fand also Schauen statt (mehr als "ich schaute") und alles herum war gestochen scharf und WUNDERSCHÖN!
Leider schlug mein Herz zu hoch, als dass es sich für längere Zeit mit dem Schlafen hätte vereinbaren lassen neutral


Sehr beeindruckend, danke!

@ spell:


Zitat:das statische voellig loszulassen scheint mir gleichbedeutend zu sein damit, die sprache loszulassen.


Ich bin mit dir einverstanden. Es existieren viele Möglichkeiten die Denkbewegungen viel adäquater darzustellen (Improvisationen in Musik oder Tanz). Nun wenn es gerade sprachlich fließt, dann soll es auch tun.



Zitat:die sprache beherbergt wohl weitere eigenarten, die probleme bereiten koennen: heben wir einmal den dualismus von trueb und klar traeumen auf, so entsteht sofort ein neuer dualismus zwischen natuerlich und unnatuerlich(?) bzw. zwischen richtig und falsch.
vielleicht ist das nicht schlimm, und du moechtest akzeptieren, dass es eben bestimmte arten des traeumens gibt, die falsch sind. ich wuerde aber meinen, dass man letzten endes auch diese angeblich falschen traeumereien als bestimme ausdrucksform des einen sehen kann. was passiert da? es gibt kein erwachen mehr, keine spezielle erwachenstechnik, kein ziel, keinen weg.. erwachen ist einfach immer schon und ueberall enthalten und ausgedrueckt.



Deine Betrachtungsweise finde ich korrekt. Jedoch in einem Punkt habe ich das Gefühl nicht verstanden zu sein: die Unmittelbarkeit. Wenn du meinst, dass die Traumanalytiker bei der Sezierung des Traumes ihre eigene Denkbewegungen unmittelbar erleben, ... dann war der Text wirklich daneben


Zitat:das erwachen, von dem du sprichst, scheint mir kein absolutes zu sein (weil es das nicht geben kann, wie bereits gesagt), es scheint mir lediglich ein veraenderungsprozess zu sein.


ja, das meine ich auch



Zitat:vielleicht habe ich auch einiges missverstanden, kann gut sein.


hmm... das liegt wohl nicht nur an der Schwammigkeit der Sprache, sondern auch daran, dass dieses Wissen mir größenteils verborgen bleibt. Ich kann es nicht klar bekunden, drum schreibe hier so, wie es sich gerade fühlt.
Es scheint mir so zu sein, dass du in deinen Beschreibungen von absoluten Einstellungen ausgehst. Das tue ich auch. Mir geht es primär um die Negation. Das Alte los zulassen, damit es jetzt sofort bewegt. Mein Erleben ist, dass die Geschwindigkeitsgleichheit, die Veränderungsparallelität imstande sind die Kohärenz zu erzeugen und erlauben einen Organismus paradoxerweise in der Bewegung still zu sein.

@ Sundance:

danke für die warme Worte und dein Verständnis! Ich muss zugeben, diese Gedanken sind nicht ausgereift genug, es ist keine widerspruchsfreie Theorie, aber es fliesst bigwink

Und hier im Forum haben wir eine tolle Möglichkeit uns austauschen...



liebe Grüße,

don
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Re: Über die Struktur des Traums
#9
24.04.2008, 16:52
alles, was ich erfahren (traumfahrt) habe, sagt mir, daß da kein rätsel ist, das gelöst werden kann (oder sollte). physiologisch angeschaut, kommt unterhalb der sprachebene die der reinen bilder, also farben und formen; das, womit die abstrakten und die gegenstandslosen maler gestalten:

http://www.hamburger-kunsthalle.de/start/start.html => Rothko
Rothko selbst sagte, dass es ihm um den Ausdruck der grundlegenden menschlichen Emotionen gehe:

„Ich bin kein Abstraktionist. Mich interessiert nicht das Verhältnis von Farbe oder Form oder irgend so etwas. Mich interessieren nur die grundlegenden menschlichen Emotionen: Tragödie, Ekstase, Schicksal … Die Tatsache, dass Leute zusammenbrechen und weinen, wenn sie mit meinen Bildern konfrontiert werden, zeigt, dass ich diese Gefühle kommunizieren kann … Die Leute, die vor meinen Bildern weinen, haben die gleiche religiöse Erfahrung wie ich, als ich sie gemalt habe.“

wir sind so sprach- und sprechfixiert, obwohl diese art der kommunikation gleichzeitig so verkommen ist. in den ausstellungen gehen die menschen schnell von bild zu bild und reden und reden und vergleichen, was sie sehen, mit den wörtern im katalog. statt das sie still werden und sich dem schauen überlassen. rhetor beschreibt das gut, das still werden und schauen. sprechen/schreiben ist hier ja notwendig; aber eben bloß krücke.


lg
banzai!
offene weite - nichts von heilig
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Re: Über die Struktur des Traums
#10
24.04.2008, 21:43
[+] 1 User sagt Danke! Don Rinatos für diesen Beitrag
Kapitel 3: Das Aufwachen

„Aufwachen ist zum Lachen“
- Sabine


Viele Vorgänge des Lebens, mögen sie auch trivial erscheinen, sind bei der genauen Betrachtung faszinierend, mysteriös, wundervoll. Haben Sie sich schon gefragt, warum wir aus den Träumen aufwachen? Haben Sie sich bereits gefragt, ohne eine Antwort darauf zu geben? Den Autor interessieren keine Antworten. Ihm interessiert nur, ob Sie sich gefragt haben. Keine physiologischen, psychologischen, physikalischen oder religiösen Erklärungen vermögen das Aufwachen zu ergründen. Ist das Aufwachen noch ein Traum oder bereits ein Wachzustand? Ist das Aufwachen überhaupt von diesen beiden Bereichen zu trennen? Bei der genauer Untersuchung des Aufwachens scheint es gar nicht da zu sein. Man greift zu, doch die Hand geht wie durch den Nebel durch, verfehlt das eigentliche Aufwachen. Ist das Aufwachen ein Prozess, eine Bewegung, stellt es womöglich eine Dynamik dar? Ist es ein Übergang? Wenn wir ein Traum verlassen was geschieht da?

Wir nehmen so viele Prozesse einfach so hin, ohne sie ruhig und unvoreingenommen zu durchleuchten. Mein Gott, wir untersuchen sonst ja jeglichen Unsinn, erschaffen technische und virtuelle Welten, kümmern uns um alles mögliches… nur nicht um das Wunder des Alltäglichen.
Tritt eine Krankheit auf, die einigen Menschen betrifft, wird sie sorgfältig beschrieben und analysiert. Doch das Aufwachen betrifft jeden Menschen. Jeden! Einen Morgen nach dem anderen erlebten Milliarden von Menschen das Gleiche, …ist es nicht verwunderlich, dass keiner sich darum kümmert?

Um zu entdecken, was das Aufwachen nun wirklich ist, muss man zuerst verstehen was ein Traum für sich darstellt. Der Autor hat versucht zu verdeutlichen, dass ein Traum auf keiner Weise mit den „Brillen des Wachzustandes“ betrachtet werden darf. Kein Symbol, keine Form und keine Festlegung bilden die Quintessenz des Traumes ab. Der Traum ist der Träumer, der Träumer ist der Traum, er sind seine Denkbewegungen, er ist ein einziger Strom, welcher nicht auseinander zu nehmen ist.
Spannend, wirklich spannend ist der Moment des Aufwachens. Diese Augenblicke bescheren den aufmerksamen aufwachenden Menschen mit einer Fülle recht heterogenen Eindrücken. Was ist das, was da statt findet? Nun erlauben Sie bitte dem Autor zu behaupten, dass das Aufwachen Kein Übergang, Kein Unterschied und Kein Prozess in herkömmliche Sinne ist. Diese Vorstellung ist nur eine weitere fatale Folge der falschen Interpretation von Träumen, als wären sie etwas stabiles, formbares, dingliches. Geht man dieser Vorstellung nach, dann ist das Aufwachen ein Übergang, ein Verlassen des Traumufers und ein Einkommen im Hafen der wachen Existenz. Sehen Sie…, bitte sehen Sie das nur an! Diese Vorstellung (und der Autor meint das absolut ernst) diese Vorstellung ist komplett unsinnig! Sie trennt uns nicht nur von unseren Träumen, nein, sie trennt uns von uns selbst! Wir verlassen doch keine Denkbewegungen, auf keinen Fall. Es mag vielleicht unglaublich erscheinen, aber wir verlassen keine Träume (oder die Träume uns)! Was ist aber das Aufwachen dann? Was passiert mit den Träumen, wenn sie nicht augenblicklich ausgelöscht oder nur Stückweise gespeichert werden? Wohin gehen sie? Ist das Aufwachen womöglich doch ein Prozess, nämlich der Prozess der Traummutation? Stammen die Traumerinnerungen vielleicht von denjenigen Träumen, welche nicht rechtzeitig ihre Verwandlung abgeschlossen haben?
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Re: Über die Struktur des Traums
#11
24.04.2008, 21:45
Klar ist zuerst, dass der Träumer als ein geschlossenes System nichts verliert. Seine Denkbewegungen, was er selbst ist, erstellen für und von ihm seine phänomenale Welt. Auf jener fundamentalen Ebene besteht kein Grund zur Transformation. Diese unbeständigen, formlosen und dynamischen Denkbewegungen der Nacht füllen genauso unsere innere wache Welt mit Leben. Wir sind vielmehr auf die Träume angewiesen, viel enger mit den eigenen Träumen verbunden, als es uns bewusst ist! Erstaunlich. Erstaunlich und bemerkenswert, dass wir im wachen Leben die innere Träume nicht sehen können. Sie erscheinen uns so selbstverständlich und so selbstevident, wie die eigene Haut.
Tief in unseren Inneren besteht Jeder von uns aus den kunterbunten wilden Regenbögen der Träume. Doch was bedeutet „tief“? Wir Menschen sind doch keine Gefäße! „Tief“ heißt hier proximal, heißt unmittelbar an Betrachter angesiedelt, heißt fokal involviert.
Das ewige Streben eines Menschen, zu begreifen wer er nun sei, ist ein erfolgloses Unternehmen. Diese zwanghafte solipsistische Suche forciert die Erkenntnis nicht, ganz in Gegenteil, sie wühlt nur den Schmutz im Wasser auf. Der Poe’sche gestohlene Brief liegt vor Jedem unverdeckt. Wer nach ihm sucht, muss von lauter Suche wohl geblendet sein. „Wir Träume sind nicht voneinander getrennt! Sei dir deinem Traumwesen bewusst!


Nachschlag:

„Aufwachen ist zum Lachen“ schrieb einst Sabine. Zum Lachen sind konventionelle Aufmerksamkeitsverschiebungen, anerzogene und konditionierte Annahmen über uns selbst, zum Lachen ist unser naiver Glaube an Jedem, der vor unserer Nase herum watschelt.
Lass uns gemeinsam über die Oberflächlichkeit und die Oberoberflächlichkeit lachen, lass uns die Reaktionen auf die äußere Stimuli als das ansehen, was sie in Wirklichkeit sind: die Reaktionen auf äußere Stimuli.

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RE: Über die Struktur des Traums
#12
07.11.2009, 20:05 (Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 07.11.2009, 20:49 von Don Rinatos.)
„Wohin fließt der ontologische Strom?“
Die weiteren sinnlosen Betrachtungen der Klartraumtheorie

Die Versuche des Autors die grundlegende menschliche Natur als "ontologischer Strom" zu beschreiben sind dort nachzulesen.
Da Autor selbst ein leidenschaftlicher Träumer ist, macht er kein Unterschied zwischen Traum und Wachzustand, und beschreibt aus dem selben Ansatz die Strukturlosigkeit des Traums . Weiterhin folgt jedenfalls monistische Überlegung, dass Träumer (und somit auch der Traum) eine fokale abgeschlossene Einheit bilden.

Nun erklären diese Überlegungen nicht die Negentropie der komplex organisierten Traumzustände (und darum geht es so oft bei der Traumdeutung).

Bevor man aber solche Erklärungen anstiftet, sollen an dieser Stelle zuerst die grundlegenden begrifflichen Dispositionen geklärt werden. Man kann die eingeführten Termini leicht missverstehen. Von einer Seite klingt „ontologischer Strom“ nach Entelechie, Lebensfluss oder Lebenssaft; von anderer Seite, wenn über Gedankenbewegung die Rede ist, schwebt etwas dinglich-dynamisches vor, was sich vom Punkt A nach Punkt B rinnt.
Um diese Begriffe besser zu verstehen, sollte man eigentlich die zweite, entscheidende Annahme näher betrachten. Es geht hier generell um die Nichttrennbarkeit der geistigen psychophysischen Phänomene. Der Fall der Transjunktivität scheint vielleicht zu einfach, zu simpel zu sein, daraus folgt jedoch eine Reihe interessanten Operationalisierungen:

1. Informationsverlust:

Betrachtet man ein Subjekt, als ein distinktes Individuum, so macht erst seine Distinktion der äußeren oder (wie in unserem Fall) der inneren Umwelt gegenüber die Möglichkeit der semantischen Valenz. Und die Information ist im kognitivistischen Sinne nichts anderes als Semantik. Wird den Menschen dagegen im Falle der inneren Transjunktivität ein autopoietisches (rekursiv organisierten) System subsumiert, so negiert man jegliche Informationen, so macht man die Beschreibungen unmöglich. Wenn Punkt A gleich dem Punkt B ist, kann keine Bewegung zwischen A und B bestehen. In dieser Hinsicht muss der Begriff „ontologischer Strom“ stets auf das unmittelbare Erleben bezogen werden.

2. Hiatus:

Welchen Nutzen hat solch radikale Informationsnegierung? Bei dem Schlüssel-Schloss Verhältnis weiß eigentlich so gut wie keiner wo der Eingang, wo das Schloss Loch sich befinden soll. Das Problem ist, dass diese Metapher oft selbst als eine Einladung zur Informationsanschaffung missverstanden wird. Erst die transjunktive Betrachtung von autopoietischen Verhältnis des Träumers zu seinen Träumen, schafft die Klarheit der Hiatuslokalisation. In diesem Sinne bekommt die Traumauslegung absolut neue Bedeutung.

3. „ab ovo!“ :

so kann die Antwort auf die Frage lauten „wohin der ontologische Strom fließt?“ „Basso continuo“ dieser Überlegungen mündet in der präorganisationalen Einheit. Etwas andere Verständnis für die Matrix als im gleichnamigen Blockbaster, jedoch im Einklang mit Paracelsus: „ein elementarer Muttergrund, der die Kraft hat, aus sich heraus die Fülle der Formen zu gebären.“ Bewusstes zeitlich-räumliche unmittelbares Erlebnis von Hiatus. All die Traumformen, all die Traumsymbole und Traumhandlungen weisen direkt darauf. Der klare Blick des Träumers durchdringt die Schichten der Ausprägungen und entdeckt „wohin der ontologische Strom fließt“ (d.h wird sogleich transjunktiv).
Alles begann mit einem Tod


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RE: Über die Struktur des Traums
#13
16.03.2010, 12:54 (Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 16.03.2010, 13:05 von Don Rinatos.)
Für die folgenden Betrachtungen bedanke ich mich rein herzlich bei der Dakini- Himmelstänzerin Rosebud für ihre Inspiration und bei spell_bound für seinen Traum "Hornissen im Garten"

Es macht den Autor unheimlich viel Spaß den Rad neu zu erfinden und über den Klartraum zu schreiben. Betrachtet man jedoch den Ursprung unserer Kultur, welcher in griechischen Sagen wurzelt, so wird man leicht entdecken, dass bereits damals das notwendige Wissen über den Traum und die Möglichkeiten seiner Steuerung zusammengetragen wurde. Diesen Wegen wollen wir nun nachgehen.

In der griechischen Kosmogonie wurde geglaubt, dass aus dem Chaos die so genannte Nyx, die personifizierte Göttin der Nacht entspringt. Uns ist bekannt, dass die Nyx einige Nachkommen hervorgebracht hat, die für uns von Bedeutung sein sollen. So gilt der griechische Schlafgott Hypnos, der Zwillingsbruder des Todesgottes Thanatos, als Oberhaupt der Träume. Etwas komplizierter wird es mit Oneiroi, denn hier unterscheiden sich die Quellen erheblich, je nach dem, ob wir Homer, Hesiod oder Ovid lesen. Die Oneiroi (griech. Träume) werden als schwarzgeflügelte Wesen beschrieben, die weit im Westen an der Grenze zum Hades leben. Nachts verlassen sie fledermausgleich ihre Höhlen und fliegen dabei durch ein Tor entweder aus Horn oder Elfenbein. Das erstere steht für prophetische Träume, letzteres für falsche oder bedeutungslose Träume. Interessanterweise wurde der Singular Oneiros nur selten als Bezeichnung für einen Gott des Traumes gebraucht. Häufiger werden die Oneiroi als nicht näher spezifizierte Gruppe genannt, die tausend einzelnen Dämonen hat.
In augustescher Zeit wird nun Ovid etwas konkreter. Er zählt in den Metamorphosen XI, 633ff die Söhne des Hypnos, die drei Brüder Morpheus, Phobetor (bzw. Icelos) und Phantasos zu den Oneiroi. Von ihnen ist Morpheus wohl der mächtigste. Er formt in den Träumen menschliche Akteure. Phobetor ist für die Darstellung von Tieren zuständig. Phantasos schließlich gestaltet alles Unbeseelte, also Erde, Steine, Wasser und Bäume.

Würden wir diese Kosmogonie auf unsere Träume übertragen, so könnten wir feststellen, dass die Trauminhalte und -qualität aus drei Quellen gespeist werden:

1. Phantasos symbolisiert die unbeseelte Quelle. Also all das, was unsere Träume auf einer materieller Ebene beeinflusst: das Essen, die Raumtemperatur, die Eigenschaften des Bettes usw.

2. Phobetor (bzw. Icelos) vertritt die "tierische Quelle". Sein Doppelname kommt dadurch zustande, dass die Menschen ihn als den Dämon Phobetor kennen, während die Götter „Icelos“ nennen. Die wilden Tiere dieser Quelle sind Sexualität, starke Angst, überhaupt alle mögliche Affekte.

3. Morpheus stellt die geistige Quelle dar und ist für die menschliche Seele vertreten. Das subsumiert wohl ein Konglomerat aus feineren Gefühlen, aus Gedanken, impliziten Wissen/Intuition, göttliche Funke.

Es ist nicht das Bestreben des Autors an dieser Stelle aus den vorangehenden Betrachtungen die Prinzipien für die Traumsteuerung abzuleiten. Klar ist nur, dass ein Oneironaut die Opfergaben allen dreien Götter bringen soll. Das heißt, dass er seine Aufmerksamkeit auf die obengenannten Aspekte richten muss und die drei Quellen klären. Z.B. in Punkt 1 Phantasos:
Vor dem Schlafen darf nicht zu viel und vor allen nicht zu schwer gegessen werden, keine Rauschmittel, der Raum muss gut durchgelüftet und das Bett darf nicht zu weich sein… usw. usf. bzgl. alle drei Quellen.

Die Steuerung ist nur dann möglich, wenn das Ziel hinreichend definiert wurde. Wir versuchen hier das Ziel des Oneironautes zu erläutern. Während die Motive der Götter Phantasos und Phobetor relativ einleuchtend sind (Lebenserhaltung, Fortpflanzung), scheint die treibende Kraft des Morpheus unklar zu sein. Man fragt sich zu Recht nach der Aufgabe des Bewusstseins, wann kann es sie lösen, wo kann es aber auch scheitern? Hier kann uns vielleicht die etymologische Auseinandersetzung mit dem Morpheus weiterhelfen. Morpheus stammt aus griechischen „morphe“ und bedeutet „Gestalt“. Es ist also die Aufgabe des Bewusstseins, während des Schlafs im nächtlichen Chaos eine bestimmte Form zu erkennen. Je mehr von dem unerkennbaren Chaos vertreten ist, desto mehr ist die Spannung, desto größer ist der Drang daraus eine Gestalt zu bilden. Eine (fast) abgeschlossene Gestalt wiederum geht mit der Erhöhung des Gefühls der Bestimmtheit ein und mit einer Erleichterung, oder Befriedigung des Gestalttriebes.
Vor einen Klartraum steht der Träumende einer besonderen Herausforderung gegenüber:
Er muss zuerst durch kritisches Denken die bereits aufgebaute Traumgestalt „zerstören“ oder durchschauen.
Dann muss er willentlich, volitionel auf einer Metaebene neue Denkgestalt bilden (vgl. Tholeys siebte Klartraummerkmal: Der Träumer ist sich über den Sinn des Traums im Klaren)
und diese Gestalt im dritten Schritt gegenüber der Trübheit verfestigen.

Ziel ist es letztendlich alle drei Götter Morpheus, Phobetor und Phantasos in sich zu vereinigen, um ein Oneiros zu werden.


LG,
Don
Alles begann mit einem Tod


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