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Suizid

Re: Suizid
01.11.2008, 19:39
Ich glaube, hier werden zwei unterschiedliche Sachverhalte über einen Kamm geschoren, nämlich

- Suizidversuch und
- parasuizidale Handlung.

Ersterer ist definiert als "absichtliche Selbstschädigung mit dem Ziel tödlichen Ausgangs". Hier steht ganz klar die Autoaggression im Vordergrund. Eine parasuizidale Geste wiederum ist eine "Handlung mit meist (!) nicht-tödlichem Ausgang, bei der ein Mensch sich absichtlich Verletzungen zufügt oder Medikamente/Drogen einnimmt, mit dem Ziel einer averbalen Kommunikation". Ziel ist hier also nicht die Selbsttötung, sondern der Hilferuf, aber auch der Wunsch nach Ruhe oder einer Pause. Hier steht also eindeutig der kommunikative Aspekt, das "Signal" an die Außenwelt im Vordergrund.

Beispiel: Wenn ein suizidaler Mensch einen Versuch macht, sein Leben zu beenden, dann wird er das so tun, dass ihn niemand daran hindern kann. Der parasuizidale andererseits wird vielleicht zuwenig Tabletten schlucken und "zufällig" vorher noch seinen besten Freund anrufen, damit ihm nicht wirklich etwas passiert, aber sein Umfeld auf seine missliche Lage aufmerksam wird.

Natürlich sollte klar sein, dass die Grenzlinie zwischen beiden Formen fließend ist. Und oft sind schon parasuizidale Gesten tödlich ausgegangen, weil etwas "schiefgelaufen" ist in der Rettungskette oder der Dosierung o.ä. Keine der beiden Formen sollte also auf die leichte Schulter genommen werden.

- Für mich ist jeder, der suizid- oder parasuizidgefährdet ist, hilfebedürftig. Ich halte nichts vom "Suizid als Ausdruck des freien Willens" o.ä., das sind für mich vorgeschobene Gründe, weil man sich sein eigenes Unglück nicht eingestehen will, das in Wirklichkeit zu diesen Handlungen führt.

Das beste Gegenmittel ist immer die direkte Kommunikation (da stimme ich Rhetor voll und ganz zu) - es sollte darüber gesprochen werden! Auch eine Therapie (die in Deutschland alle 3 Jahre die Krankenkasse voll bezahlt) gehört für mich absolut zum Hilfeprogramm dazu. Wenn ich einen Beinbruch erlitten habe, leide ich auch nicht im Stillen oder hoffe gar, dass es sich von selbst heilt, sondern gehe zum Arzt, oder? Warum also sollten psychische Schwierigkeiten nicht genauso offen besprochen und entsprechende Hilfe in Anspruch genommen werden?

Gerade das Nach-innen-wenden der Aggression und anderer Gefühle ist einer der wichtigsten Faktoren, die zu solchen Handlungen führen. Also ist Offenheit und Sich-nach-außen-wenden der erste Schritt zur Heilung. Niemand muss mit seinen Problemen alleine stehen oder im stillen Kämmerlein damit fertig werden! Und wenn die Angehörigen nicht zuhören wollen, dann vielleicht, weil sie sich hilflos fühlen und nicht dafür ausgebildet sind. Dafür sind eben die Fachkräfte da.

Zum Schluss noch evt. Interessantes aus der Theorie:

Suizidale Entwicklung nach Pöldiger:

1. Stadium: Erwägung
Der Suizid wird als mögliche Problemlösung in Betracht gezogen. Aggressionshemmung und soziale Isolation.

2. Stadium: Abwägung
Kampf zwischen selbsterhaltenden und -zerstörerischen Kräften. Hilferufe als Ventilfunktion, Appelle, cry for help, leise Andeutungen o.ä.

3. Stadium: Entschluss
Der Klient hat sich zum Suizid durchgerungen, Beruhigung tritt ein, teilweise glückselige Gefühle.
=> Wenn die Krise durchgestanden aussieht und eine scheinbare Besserung eintritt, kann das also gerade eines der schlechtesten Zeichen sein, was die Suizidvorbereitung angeht!

- Und wo ich gerade so schön dabei bin...:

Präsuizidales Syndrom nach Ringel ... besteht aus:

1. Einengung (eher kognitiv): situative und dynamische Einengung (positive Dinge werden teilweise gar nicht mehr wahrgenommen), Einengung der zwischenmenschlichen Beziehungen, Einengung der Wertewelt (scheinbare Sinnlosigkeit)

2. gehemmte, gegen die eigene Person gerichtete Aggression (Umkehr des aggressiven Affekts)

3. Selbstmordphantasien: aktive (werden mitgeteilt) oder passive (werden nicht kommuniziert, zuerst werden sie teilweise als "schöne Lösung" in Gedanken durchgespielt, in einem späteren Stadium der suizidalen Entwicklung drängen sie sich oft von selbst auf, der Klient wird davon sozusagen "heimgesucht")
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Re: Suizid
01.11.2008, 20:50


Zitat:Dreamweaver schrieb am 01.11.2008 19:39 Uhr:
Ich halte nichts vom "Suizid als Ausdruck des freien Willens" o.ä., das sind für mich vorgeschobene Gründe, weil man sich sein eigenes Unglück nicht eingestehen will, das in Wirklichkeit zu diesen Handlungen führt.


Wieso eigentlich vorgeschoben...warum sollte jemand, der Suizid beabsichtigt(als Manifestierung seines freien Willens) sich nicht eingestehen, dass er unglücklich ist....versteh ich jetz nich, wie du das meinst.

Hmm, einen Beinbruch würde ich jetzt nicht grade mit Situationen vor einem Suizid vergleichen - klar, jeder empfindet individuell. Aber stelle dir mal Menschen vor, die jahrelang schon gegen schwerste Leiden kämpfen, erfolglos, wo die Ärzte aufgeben
Du kannst zu tausend Ärzten rennen, dich dusslig therapieren lassen, weder Ärzte noch Therapeuten sind bzw. haben die Lösung für alles, was Menschen quälen kann...sie haben Grenzen, sie sind nur Menschen, nicht mehr und nicht weniger, ohne Wertung, sie können tun, was in ihren Kräften liegt, nicht mehr.


Zitat:Gerade das Nach-innen-wenden der Aggression und anderer Gefühle ist einer der wichtigsten Faktoren, die zu solchen Handlungen führen. Also ist Offenheit und Sich-nach-außen-wenden der erste Schritt zur Heilung. Niemand muss mit seinen Problemen alleine stehen oder im stillen Kämmerlein damit fertig werden! Und wenn die Angehörigen nicht zuhören wollen, dann vielleicht, weil sie sich hilflos fühlen und nicht dafür ausgebildet sind. Dafür sind eben die Fachkräfte da.


Ja, du hast recht, man sollte nicht so viel schlucken, sich verbeißen, Gefühle wegschieben, abwerten usw. offenheit ist einer der ersten Schritte, das sehe ich auch so. Manche unüberlegte Kurzschlusshandlung ließe sich so sicher vermeiden. Aber was ist mit denen, die nicht im Kurzschluss handeln? Alle geisteskrank? Oder etwas gepflegter ausgedrückt, psychisch behandlungsbedürftig?

Geh mal davon aus, dass das, was wir oben grade als so heilsam beschreiben, Offenheit, Kommunikation, schon längst hinter einem Menschen liegen. jemand, der sich das zigfache blabla, das ewige "Alles wird gut" usw. nicht mehr anhören kann, weil er spürt, dass auch seine Gegenüber keinen Weg mehr zeigen können, nicht mehr helfen können, ratlos sind, wenn Ärzte mit den Schultern zucken, therapeuten auf lebenslänglich plädieren, menschliche Grenzen erreicht sind. Dann stehst du ganz allein. Mir ist das mehrfach so gegangen im Leben. Ich habe die Grenzen der menschlichen Hilfs-Fähigkeiten zu oft erlebt. Dir bleibt am Ende eines solchen Weges nur eines: dich nach innen zu wenden, nur du selber kannst dir noch helfen deine Einstellung zu ändern. Falls! du die Kraft noch aufbringst.
Und ich würde nie jemanden verurteilen, der diese Kraft nicht mehr aufbringt.

Aber eben so wenig denjenigen, der sich von Anfang an bewusst entscheidet, nicht um das Leben zu kämpfen.


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Re: Suizid
01.11.2008, 21:48

Zitat: Dreamweaver schrieb
Das beste Gegenmittel ist immer die direkte Kommunikation (da stimme ich Rhetor voll und ganz zu) - es sollte darüber gesprochen werden!


Darüber reden und alles wird gut... und Lichterketten anzünden hilft für den Weltfrieden, oder wie?

Aber immerhin, ist schon gut geeignet, um sich im Nachhinein sagen zu können, man hätte ja alles getan was man konnte.


Zitat:Gerade das Nach-innen-wenden der Aggression und anderer Gefühle ist einer der wichtigsten Faktoren, die zu solchen Handlungen führen. Also ist Offenheit und Sich-nach-außen-wenden der erste Schritt zur Heilung.


Ich denke eher, das macht es nur noch schlimmer... gerade Aggressionen nach außen zu wenden und so. Ich habe irgendwie auch ein bisschen Unverständnis dafür, Suizidgedanken "heilen" zu müssen.

edit: Ich würde sowieso vermuten, dass viele psychische "Krankheiten" eher sowas wie andere Bewusstseinszustände sind. Sie werden als Krankheiten bezeichnet, weil sie nicht gesellschaftstauglich sind.

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Re: Suizid
01.11.2008, 23:03

Zitat:Laura schrieb am 01.11.2008 20:50 Uhr:
Wieso eigentlich vorgeschoben...warum sollte jemand, der Suizid beabsichtigt(als Manifestierung seines freien Willens) sich nicht eingestehen, dass er unglücklich ist....versteh ich jetz nich, wie du das meinst.


Es gab mehrfach in der Weltgeschichte so eine Strömung, sich umzubringen, nur so, als Ausdruck des freien Willens, und es wurde immer behauptet, es stecke kein Leidensdruck dahinter. Das halte ich für "vorgeschoben".


Zitat:Aber was ist mit denen, die nicht im Kurzschluss handeln? Alle geisteskrank? Oder etwas gepflegter ausgedrückt, psychisch behandlungsbedürftig?


Psychisch behandlungsbedürftig: Ja, absolut. Zu verurteilen: Definitiv nein. Im "Kurzschluss" handelt da übrigens kaum einer, nur bei Psychosen kommt das vor.


Zitat: Geh mal davon aus, dass das, was wir oben grade als so heilsam beschreiben, Offenheit, Kommunikation, schon längst hinter einem Menschen liegen. jemand, der sich das zigfache blabla, das ewige "Alles wird gut" usw. nicht mehr anhören kann,...


Es geht definitiv nicht um oberflächliches Gerede wie "Alles wird gut" (das würde es eher schlimmer machen), sondern um ein echtes Herausarbeiten der Schwierigkeiten, um Erstellung von Lösungsansätzen und ein Heraustasten aus der Krise mithilfe der eigenen psychischen Kräfte der Regeneration. Schon vielen Suizidbedrohten ist von der Psychologie geholfen worden, das kann man einfach nicht abstreiten.

Was ich nicht ansprechen wollte, war, dem eigenen Leben ein Ende zu setzen, wenn man an einer unheilbarer Krankheit leidet. Mir ging es nur um die psychischen Faktoren, die zu einer Suizidhandlung führen können.
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Re: Suizid
02.11.2008, 08:07

Zitat:owa schrieb am 01.11.2008 21:48 Uhr:
edit: Ich würde sowieso vermuten, dass viele psychische "Krankheiten" eher sowas wie andere Bewusstseinszustände sind. Sie werden als Krankheiten bezeichnet, weil sie nicht gesellschaftstauglich sind.


Genau das ging mir auch schon oft durch den Kopf. Es sind andere Zustände, die nicht in unser übliches Gesundheitschema passen. Da fällt mir ein Buch dazu ein, da ging es auch darum, dass wer heute noch als gesund gilt eigentlich nur noch nicht gründlich genug untersucht wurde, wer weiß, ob wir alle hier nicht auch ein paar Botenstoffe im Hirn zu wenig oder zuviel haben twisted




Zitat:Dreamweaver schrieb am 01.11.2008 23:03 Uhr:

Es gab mehrfach in der Weltgeschichte so eine Strömung, sich umzubringen, nur so, als Ausdruck des freien Willens, und es wurde immer behauptet, es stecke kein Leidensdruck dahinter. Das halte ich für "vorgeschoben".


Aha bigwink Da fallen mir doch gleich die Sonnentempler und Kamikazeflieger ein. Ob die alle in Wirklichkeit unglücklich waren weiß ich nicht. Verstehe schon, was du meinst. Man kann das nur nicht verallgemeinern, nicht auf alle Suizide beziehen, so kam das oben zumindest rüber


Zitat:Psychisch behandlungsbedürftig: Ja, absolut. Zu verurteilen: Definitiv nein. Im "Kurzschluss" handelt da übrigens kaum einer, nur bei Psychosen kommt das vor.


Definition Psychose ja oder nein, Kurzschluss ist Kurzschluss. Nicht jeder den man psychotisch nennen würde nach xxx-Definition bigwink ist wirklich nicht mehr in der Lage, über sein Vorhaben objektiv nachzudenken.
M.E. sollte aber jeder, der den Schritt Suizid machen will, sich wirklich sicher sein, dass er es will. Und in Panik, Angst oder was auch immer einen Kurzschluss auslösen kann, Wut, weil die Freundin Schluss gemacht hat oderoderoder...würde ich auch immer zweifeln, ob derjenige wirklich gehen wollte


Zitat: Was ich nicht ansprechen wollte, war, dem eigenen Leben ein Ende zu setzen, wenn man an einer unheilbarer Krankheit leidet. Mir ging es nur um die psychischen Faktoren, die zu einer Suizidhandlung führen können.


Man kann das auf jeden Bereich ausdehnen. Dass man für jeden Fall eine Lösung finden kann, wäre irreal. manch ein "kleines" Problem wird individuell von einem Betroffenen genauso extrem belastend und untragbar empfunden wie es z.B. für einen anderen eine unheilbare Krankheit wäre. Das ist immer sehr subjektiv zu sehen, da kann man nicht sagen, wer nicht offiziell körperlich als unheilbar eingestuft wurde hat weniger zu leiden, bessere Chancen usw. Das wird stets nur eine Bewertung von Außenstehenden sein, aus welchen Wertvorstellungen sie auch immer hervorgeht

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RE: Suizid
09.11.2012, 12:28
Ich kram mal hier den alten thrad aus, weil das ein Thema ist, das mir sehr am Herzen liegt. Und ähnlich wie hier schon mal jemand schrieb, gruselt`s mich teilweise, wie "kalt" da teilweise drüber gesprochen wird. Also nicht falsch verstehen, ich meine nicht das nüchterne reden darüber, das find ich okay, aber etwa dem Suizidkandidaten noch Vorwürfe machen, was er den anderen antut, zu verlangen, er solle gründlich die Folgen bedenken.....das ist natürlich hirnrissig, wenn er das könnte, dann würd er sich in den allermeisten Fällen nicht umbringen.

Aber er kann es eben nicht, weil er sich in einem Zustand befindet, den die meisten Menschen (glücklicherweise) niemals kennenlernen, und zwar,wie hier auch schon beschrieben, zu 90 % in einem psychiatrisch kranken Zustand, in einer Psychose oder sehr viel häufiger in einer Depression.

Also ich persönlich kann nur sagen ich wünsch das meinem ärgsten Feind nicht, jemals in eine schwere Depression zu geraten, wo Gedanken an Suizid irgendwann zwangsweise kommen. Einfach weil der Zustand einer schweren Depression soooo quälend ist, das kann sich niemand vorstellen, der es nicht selbst schonmal erlebt hat. Und niemand geht dann, weil er eine wirklich "eigene Entscheidung" trifft, sondern weil er diesen Zustand einfach nicht mehr aushält, er möchte nur, daß diese Qual ein Ende hat...von so einem Menschen dann irgendwas ERWARTEN zu wollen, find ich persönlich einfach nur inhuman hoch 10....dazu wird er nicht mehr in der Lage sein.

Ich find das ist ein ernstes und wichtiges Thema, es sterben jährlich in Deutschland ca 50000 Menschen durch Suizid, mehr als durch Unfälle (wobei es natürlich auch noch mal viel mehr versteckte Suizide gibt, wie eben den Mann, der mit Absicht gegen einen Baum rast. Immerhin versuchen sogar einige, ihren Angehörigen das schwere Erbe eines Suizids zu ersparen, indem sie es als Unfall tarnen....)

Etwa dreimal soviel Männer wie Frauen bringen sich um, auf Frauen kommen dagegen mehr Selbstmordversuche. Bei Frauen wird dagegen viel häufiger eine Depression diagnostiziert. Das paßt nicht ganz zusammen, das hängt wohl damit zusammen, daß Männer das eher zu verstecken versuchen, selber irgendwie auch mit psychischen Befindungsstörungen ganz allein fertig werden zu wollen. (ist jetzt aber nur Vermutung).


Bis 2004 die Suizidrate erfreulicherweise kontinuiertlich gesunken ist, etwa auf ein Drittel, das führt man auf die bessere medizinische Versorgung als auch auf den mittlerweile zumindest etwas enttabuisierten gesellschaftlichen Umgang damit drauf rurück. Ach und richtig, 1990 kamen die SSRI (Serotoninwiederaufnahmehemmer) auf den Markt, sehr viel wirksamere Antidepressiva als die alten. Bericht von 2010 hab ich aber gelesen, daß die Rate wieder zunimmt, wobei das kann jetzt aktuell auch mit dieser Paranoia "2012" zusammenhängen. Insgesamt rechnet man aber mit einer starken Zunahme von Depressionen, so daß man da sehr wachsam sein sollte. Traurigerweise gibt es dann vielleicht immer noch weniger Selbstmörder, dafür aber wesentlich mehr Pillenschlucker, na, ob das dann die bessere Alternative ist.......

Ich möchte für dasTthema einfach nur mehr sensibilisieren, für den Fall, daß man selber mal betroffen sein sollte, ob jetzt persönlich oder als Angehöriger. Also ich persönlich kenn beides, ich bin selber schon in die Nähe von Suizid geraten, kenne mehrere Menschen mit Suizidversuchen, die glücklicherweise noch leben, aber auch einige, wo es "geglückt" ist.

Es gibt ein paar Ausnahmen, wo es tragischerweise sogar gewissen "Sinn" macht (wobei das Wort zu hoch dafür gegriffen ist), etwa daß mein Vater sich umgebracht hat, war das fürsorglichste das er je für uns Kinder getan hat. Das ist jetzt harter Tobak und klingt total grausam, ist aber die traurige Wahrheit. Und ein Freund von mir hätte, wenn er am Leben geblieben wäre sein Leben sehr wahrscheinlich mit Drogen und Alk langsam aber sicher zerstört (Sucht ist ja nix weiter als schleichender Suizid) und hätte damit auch noch anderen Menschen sehr viel Kummer zugeführt. Ich hab da mal einen Junkie gefragt, ob er mit dieser Tat dann vielleicht seine Seele gerettet hätte, was er bejahte.

Das ist ein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft, daß sie in manchen Dingen so gar nix an wirklich adäquater Hilfe anzubieten hat, Sucht und Drogen sind solche Dinge, aber kein Wunder, da krankt sie selbst ja mit am meisten dran, nur in verschleierter Form.

Also manchmal, aber wirklich nur MANCHMAL gibt es auf Dauer keien gute Lösung; dennoch sollte man alles versuchen, umbringen kann man sich ja immer noch, aber umgekehrt kann man niemandem mehr zum Leben erwecken.

Wer damit also mal zu tun kriegt, sollte wachsam sein, vorsichtig mit jedwedem urteilen, sich auf jeden Fall Hilfe suchen bei Menschen die sich mit sowas auskennen, immer ernst nehmen wenn jemand von redet (früher galt mal das Vorurteil, wer davon redet, bringt sich nicht um, absolut falsch).

Man darf auch nicht übersehen, daß es ein Thema der AGGRESSION ist, also das ist keine Entscheidung, die man mit nüchternem Kopf trifft, das man also als "freie Entscheidung" deklarieren könnte. Das halt ich für "vorgeschoben" wie hier auch schon gesagt wurde. Ein Selbstmord ist eine nach innen, gegen sich selbst gerichtete Aggression die eigentlich jemand ganz anderm gilt, oft vermutlich natürlich einem Elternteil. Also das Thema unterdrückte Wut sollte man sich da auf jeden Fall anschauen.

Anders sieht es bei bspweise bei unheilbaren Krankheiten aus, also ich bin nicht gegen Sterbehilfe. Gibt ja da z.b EXIT, einen Verein in der Schweiz, der bei sowas hilft; soweit ich weiß klopft der aber sehr genau auf psychiatrische Ursachen ab und ein gewisses Alter muß man auch haben.

Eigenes Thema ist auch noch mal Suizid im Alter, in sämtlichen europäischen Ländern steigt ebenfalls mit dem Alter die Suizidrate, aber auch das läßt sich in den meisten Fällen mit entsprechender Behandlung verhindern. Alt werden ist hierzulande halt nur nix mehr wert, da ist verständlich, daß dann einige keinen Bock mehr haben....

Naja, aber das Thema sollte wirklich mehr in die Köpfe, traurigerweise wissen auch Ärzte nicht genug darüber, ungefähr 80 % aller die sich umbringen waren nämlich noch in der letzten Woche bei einem Arzt, unterschwellig hofften sie wohl auf Hilfe, aber auch viele Ärzte sind da nicht sensibilisieert für.

Wobei das öffentliche Reden darüber auch nicht ganz ungefährlich ist, es zeigen sich nämlich jedesmal "Suizidwellen", wenn so ein Thema in den Medien auftaucht, etwa bei Werner Enke, damlas schon bei Goethe mit seinem Werther, also es wird da empfohlen, in den Medien NICHT drüber zu berichten. Aber das zeigt natürlich nur, wie sehr das Thema als kollektives "Schattenthema" verdrängt wird und klar kommt der Schatten erst mal verstärkt hoch, wenn man sich mit ihm auseinandersetzt.

Naja, wollt halt nur mal meine Meinung kundtun, ich hoffe, die wenigsten hier müssen sich mal mit dem Thema auseinandersetzen

lg
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RE: Suizid
09.11.2012, 23:36
(09.11.2012, 12:28)lain schrieb: Etwa dreimal soviel Männer wie Frauen bringen sich um, auf Frauen kommen dagegen mehr Selbstmordversuche. Bei Frauen wird dagegen viel häufiger eine Depression diagnostiziert. Das paßt nicht ganz zusammen [...].
Das passt zusammen, da es bei Frauen eben oft ein Hielferuf ist und sie sich gar nicht wirklich umbringen wollen.
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RE: Suizid
10.11.2012, 16:00
Die Suizidankündigung auf jeden Fall ernst nehmen.

Ich persönlich verurteile niemanden, der diese Gedanken nach aussen trägt.
Ganz im Gegenteil, sehe ich das als Hilfeschrei.
Dementsprechendes Handeln ist gefragt. Ich rufe lieber einmal zu oft die Polizei als einmal zu spät.

Letzten Endes kommt es auch immer auf die Hintergründe an.
Es gibt Menschen, die einfach nicht mehr können. Viel zu lange haben sie Lasten getragen und emotional, psychische Torturen erlebt, das sie keinen anderen Ausweg mehr sehen.

Es geht ihnen dabei nicht darum, ihrem Leid ein Ende zu setzen, sondern vielmehr - ihren Angehörigen das Leben zu erleichtern.
Denn, sie sehen sich als Belastung. Sicher spielt das eigene Leid auch eine Rolle dabei. Aber eben nicht die Hauptrolle. Das ist auch keine Ausrede in meinen Augen, da ich das sogar verstehen kann. Ich lebe mit einer Betroffenen zusammen, welche in ihrer Kindheit auf´s Böseste missbraucht wurde. Hierraus entwickelte sich eine Borderline Persönlichkeitsstörung.

Diese brach jedoch erst so vor 5 Jahren durch und es war nicht immer schön, was sie mir so das ein, oder andere mal sagte. Dennoch war ich von der Ernsthaftigkeit ihrer Worte überzeugt. Denn, um ehrlich zu sein....
diese Last könnte ich auch nicht so ohne weiteres tragen.

Es würde jetzt zu sehr ausschweifen, das zu erklären.
Fakt ist, man muss immer ersteinmal erkennen, warum diese Person eine solch Aüsserung von sich gibt. Heisst also - man muss ins Gespräch gehen und sich im Vorfeld im Klaren sein, es könnte einen selbst sehr belasten.
... mit liebem Gruss - Alastair

<<< jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt >>>
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RE: Suizid
10.11.2012, 16:43
Ich würde mit dieser Person einfach erstmal reden. Das tue ich dann nicht aus der Motivation helfen zu wollen, sondern einfach um diese Person zu verstehen. In diesem Punkt bin ich dann Egoist und einfach nur neugierig. Natürlich werde ich mit dieser Person dann reden und sie nicht zum Selbstmord motivieren, aber ich würde sie auch nicht versuchen davon abzubringen. Wenn es sich aber um eine Person aus meinem engsten Bekanntschaftskreis handelt (4-5 Leute), dann würde ich es vielleicht in Erwägung ziehen. Aber soetwas wie "Tu es nicht", stelle ich mir als wenig hilfreich vor. Solche Menschen brauchen Ehrlichkeit und dann bringt es auch nichts, wenn man ihnen etwas befielt. Ich glaube ihnen ist mit aufrichtigem Interesse am meisten geholfen. Deswegen ist mein Ansatz sicher auch nicht gerade der falscheste. Dabei spielen meiner Meinung nach die Intensionen keine Rolle.
(26.10.2013, 16:10)NEC schrieb: Ein Forum ohne Signaturen wäre wirklich viel übersichtlicher!

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RE: Suizid
15.11.2012, 12:31 (Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 19.01.2013, 14:55 von lain.)
(09.11.2012, 23:36)Dreckiger_Dan schrieb:
(09.11.2012, 12:28)lain schrieb: Etwa dreimal soviel Männer wie Frauen bringen sich um, auf Frauen kommen dagegen mehr Selbstmordversuche. Bei Frauen wird dagegen viel häufiger eine Depression diagnostiziert. Das paßt nicht ganz zusammen [...].
Das passt zusammen, da es bei Frauen eben oft ein Hielferuf ist und sie sich gar nicht wirklich umbringen wollen.

Das ist richtig. Nur, die Männer, die sich umbringen, sind zu 90 % psychiatrisch erkrankt, bei ihnen wird nur keine Diagnose gestellt, weil sie offenbar nicht zum Arzt damit gehen. Darauf wollt ich aufmerksam machen.
Ich glaub nicht, daß die Männer sich eigentlich ernsthafter umbringen wollen als Frauen, beide Geschlechter quälen sich ganz fürchterlich bevor sie eine solche Entcheidung treffen, Männer sind nur rabiater in dem was sie tun (das liegt wohl am Testosteron, es sterben in jungen Jahren auch wesentlich mehr Männer durch Unfälle; die Natur baut da auch vor, indem sie 6 % mehr männliches als weibliches ins Leben klatscht, weil insgesamt die Männersterblichkeit bis zum 20. Lebensjahr höher ist, danach gleicht sich das aus, außer wohl im Alter dann wieder)

Mir geht`s aber nur darum, halt aufmerksam zu machen, sorgfältig Problemanalyse betreiben, wo kann man eingreifen, wie kann man das verhindern, denn eigentlich ist jeder Mensch, der sich umbringt einer zuviel. Und die meisten Menschen sind froh, wenn sie in einer suizidalen Krise gerettet werden und anschließend weiterleben. Der häufigste Grund für einen Suizid ist die Depression, und gerade diese Krankheit wird vielleicht DIE Krankheit der Zukunft sein. Deshalb find ich es wichtig zu wissen, für die Betroffenen selber wie auch für`s Umfeld, daß diejenigen KRANK sind, daß die Depression aber als insgesamt GUT zu behandelnde Krankheit gilt.

Und deshalb auch keine Scheu vor`m Arzt, auch in einer suizidalen Krise muß man da nicht als "Bittsteller" hingehen (ich glaub da tun sich Männer einfach schwerer mit), sondern man hat einfach ein gesundes Anrecht auf Hilfe und das sollte man auch wahrnehmen. Und die Angehörigen sollten sich auch nicht abhalten lassen, denjenigen auch da "hinzuschleppen", falls es nötig ist, notfalls auch unter Protest, alles besser als tot.

Es ist einfach traurig, ich bin überzeugt, daß eigentlich wesentlich mehr Menschen gerettet werden könnten, und ich hoffe, das ändert sich (wobei es ist ja offensichtlich eigentlich schonmal im Aufwind ist, das ist schonmal sehr gut)

lg
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