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Hängt das Gesprächsthema von der Umgebungshelligkeit ab?

Hängt das Gesprächsthema von der Umgebungshelligkeit ab?
#1
25.05.2006, 20:11
Es ist mir aufgefallen, das Freunde und Bekannte und auch ich am Tag anders sprechen als in der Nacht. Wir verhalten uns anders. Mit etwas Wahrscheinlichkeit denken wir auch anders.

Ich kannte eine Frau die am Tag ordentlich, geschäfftlich korrekt manchmal regelrecht distanziert war. Nach Einbruch der Nacht verwandelte sie sich förmlich. Sie war offen, suchte Nähe, war verträumt.

Gut, da könnte man jetzt das Hormon Melatonin ins Spiel bringen, das im Menschen den Tag-Nachtrhythmus steuert, bei Ausschüttung schlaffördernd wirkt und es ist vielleicht das Mittel, aber nicht die Ursache dieser Änderung.

Die Wahrnehmung scheint mir eher dafür verantwortlich zu sein.
Wenn ich etwas optisch wahr nehme dringt Licht ins Auge, stimuliert dort Sinneszellen, diese Feuern die Rohinformation ins Gehirn und dort wird ein Bild zusammengebaut. Während des ganzen Vorgangs laufen Anfragen auf Erinnerungen mit, Strukturerkennung. Kanten werden gefunden, Bilder werden mit Erinnerungen abgeglichen. So nach und nach dringt das Bild ins Bewußtsein. Ein Baum wird sichtbar, er hat grüne Blätter, eine weite Krone.
Das Symbol (der Baum) wird in Kategorien eingeordnet und mit Details versehen.
Am Tag funktioniert das recht problemlos. Die optischen Informationen sind umfangreich, es ist nicht so dunkel (der Signal-Rausch-Abstand ist hoch), Details sind erkennbar. Die erste Assoziation ist mit hoher Wahrscheinlichkeit die Richtige. Man hat abgesichertes Wissen wo man ist, was um einen passiert. Die Gedanken sind eindeutig und fest.

Nachts sieht es da anders aus. Es ist dunkel, manches ist erkennbar, manches liegt im schwarzen Schatten. Das Gehirn hat zu tun. Die Informationen sind mangelhaft, Farben sind nicht so gut erkennbar, da die Sinneszellen für die Farbe (Zapfen) wegen zu wenig Licht ausfallen, bleiben nur die Fotorezeptoren für die Helligkeit (Stäbchen). Manche Linien verschwinden in Schattenpartien, woanders bleiben nur Umrisse übrig.
Ob die erste Interpretation des Symbols richtig ist, ist nicht sicher. Das Gehirn interpretiert, vergleicht das Gesehene mit Erinnerungen. Könnte es ein Baum sein, oder ein Mensch, oder ein seltsam schiefes Ding?
Mehrere vieschieden wahrscheinliche Interpretation finden dann ihren Weg ins Bewußtsein, und nebenher sprudelt die Phantasie und viele fördert Erinnerungen und Assoziationen zu Tage und diese ergeben dann ganz neue und oft spekulative Gedanken. Da ist es von der Frage "Was verbirgt sich in dieser dunklen Ecke?" bis zu "Was verbirgt sich unter ihrer Kleidung?" gar nicht weit und die schon auf Hochtouren laufene Phantasie bietet sofort unglaublich viele Antworten und weitere Vorgehensweisen an.

Das nun auch das schlafförderne Melatonin wirkt, da das Licht, das für dessen Abbau sorgt, nicht da ist, kann ich mir gut vorstellen. Es wird dunkler, mehr und mehr Melatonin wird im Blut angereichert. Die Gedanken werden mehr und mehr spekulativer. Die Bilder die in das Bewußtsein gelangen sind immer mehr abhängig von den Gedanken und Erinnerungen und immer weniger von den Reizen, die von der Netzhaut herrein kommen. Kurz darauf falle die Augen zu, man träumt.

Das würde ebenfalls erklären, warum die meisten Klarträume am späten Morgen stattfinden, wenn der Körper auf wach sein eingestellt ist, weniger dieses Schlaf- und Träumhormons im Körper ist, der Träumer aber noch schläft.

Spot
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Re: Hängt das Gesprächsthema von der Umgebungshelligkeit ab?
#2
29.05.2006, 09:07
Interessante Theorie, Spot.

Ich für meinen Teil weiß, dass ich im Dunkeln andere Themen anschneide oder erwähnen kann, die mir im Hellen Schwierigkeiten machen. Manchmal finde ich es nämlich ganz gut, wenn das Gegenüber nicht genau sehen kann, was in einem vorgeht - und umgekehrt ebenso.
Es ist dann auch ganz spannend, nur zu hören. Wie viel Ausdruckskraft unsere Stimme hat. Bei Männern ist das etwas schwierig, habe ich festgestellt - sie hören nicht jede Nuance heraus, und wenn man sie auf etwas festnageln will, sind sie sauer, weil es ja eigentlich nicht so gemeint war. Oder vielleicht doch, nur wollen sie es nicht zugeben?

Wie auch immer - Du hast das so schön aufgedröselt, dass da durchaus etwas dran sein könnte big

LG,
Moira
The Science of Sleep
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Re: Hängt das Gesprächsthema von der Umgebungshelligkeit ab?
#3
29.05.2006, 21:14
Vielleicht hats auch damit zu tun, dass man die Körpersprache, besonders die Signale der Augen, nachts anders (weniger) wahrnimmt.

Deshalb ergeben sich (bei den meisten Menschen wohl eher unbewusst) andersartige Gesprächsthemen.
Gar nichts...
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Re: Hängt das Gesprächsthema von der Umgebungshelligkeit ab?
#4
30.05.2006, 15:16
Ja, ich denke schon, das die veränderte Wahrnehmung der Körpersprache da wohl auch mit verantwortlich ist.

Meist ist ja auch die Wirkung des einen die Ursache des nächsten. Wenn der eine Gesprächspartner in eine etwas vertraulichere Gefühlslage kommt, verändern sich seine Themen und auch seine Körpersprache, was der andere dann aufnimmt. Er verändert sich, bewußt oder unbewußt, wird auch vertraulicher und gibt das verbal und nonverbal zurück.

Findet sich hier die aus der Physik bekannte Resonanz wieder?

Spot
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Re: Hängt das Gesprächsthema von der Umgebungshelligkeit ab?
#5
01.06.2006, 23:04
ich linke mal:
http://www.muthesius-kunsthochschule.de/...chmitz.php
weils nämlich ein urinteressantes thema ist, das der unterschiedlichen phänomenologie von atmosphären, räumen, situationen. das vokabular, atmosphären zu charakterisieren, ist reich: heiter, melancholisch, bedrückend, erhebend, achtunggebietend, unheimlich, einladend, erotisch, schwül usw. einen vorläufer hat schmitz atmosphärenbegriff bei ludwig klages, der meint, daß bilder eine sehr eigene wirkmächtigkeit haben, wogegen schmitz den räumlichen charakter der atmosphären betrachtet als randlos ergossen, ortlos, d.h. nicht lokalisierbare (also nicht dinglich manifest), sondern objektiv wirksame, ergreifende gefühlsmächte und räumliche träger von stimmungen. diese sichtweise wendet sich scharf gegen das übliche gerede von den projektionen (einer seele als konstrukt), sondern gesteht der melancholie eines abends beispielsweise, eigene wirkmächtigkeit zu: sie vermag umzustimmen. das affektive betroffensein wäre demnach das nächtlich-dunkle als zuerst dämpfende atmosphäre; dies auch, weil die lichte weite des raumes (der tagesklarheit) fehlt.
hermann schmitz ist eine äußerst starke persönlichkeit von köstlichem witz. ich kenne und liebe ihn big

lg
sensei
offene weite - nichts von heilig
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Re: Hängt das Gesprächsthema von der Umgebungshelligkeit ab?
#6
02.06.2006, 01:47
Mal sehen ob es mir gelingt auf deinen Text einzugehen. Ich habe ihn mehrmals gelesen, aber ein Gefühl sagt mir, nicht oft genug.

Ja, auch ich finde die Funktion der Wahrnehmung und ihre Auswirkungen sehr interessant.

> das vokabular, atmosphären zu charakterisieren, ist reich: heiter, melancholisch, bedrückend, erhebend, ...

Aber warum ist das so. Was macht eine Athmosphäre heiter, was melancholisch. Wie wirken hiert hier die Lokalität, die Architektur des Raumes, die Beleuchtung, die Düfte, Geräuschen. Welcher Anteil liegt bei den Anwesenden (manchmal auch abwesenden) Personen, ihren Äußerlichkeiten wie die Kleidung oder Frisur oder deren nicht so offensichtlichten Seiten wie ihre eigene Geschichte, Gefühle oder auch einfach die Anzahl der Anwesenden.
Es ist alles miteinander verzahnt. Manches kann man manipulieren, manches andere nicht, manches ist einfach nur gut zu wissen, warum es so ist.

>bilder (haben) eine sehr eigene wirkmächtigkeit.

Stimmt schon. Ein Bild hat eine Wirkung. Es hat immer eine Wirkung, auch wenn diese im schlimmsten Falle nur Langeweile und Desinteresse ist. Ich kann ein Bild anschauen, und es verändert unterschwellig meine eigene Wahrnehmung der Welt. Doch ist das Bild auch Teil der Umgebung und verändert die Athmosphäre. Ich denke, es wäre recht schwierig in einem Raum eine ausgelassene Stimmung zu etablieren, wenn an der Wand ein großes Bild hängt, auf dem einer gefoltert wird. Man muß das Bild nicht direkt anschauen, sich nicht direkt hineinversetzen, und doch tränkt das Bild den Raum mit Blut, und das ist im allgemeinen der Heiterkeit abträglich.
Die Wirkung des Bildes ist also nicht nur auf das Bild beschränkt, es wechselwirkt auch mit dem Rest des Raumes.

>diese sichtweise wendet sich scharf gegen das übliche gerede
> von den projektionen (einer seele als konstrukt)

Was ist dieses "übliche Gerede" und wer redet da?

> ...gesteht der melancholie eines abends beispielsweise, eigene wirkmächtigkeit zu.

Hm, es ergibt sich also eine gewisse Dynamik aus den Faktoren des Raumes und der Personen. Irgendwas passiert und der Abend ist melancholisch. Der eine nimmt es stärker wahr, als der andere. Ein dritter hat vielleicht eine ganz andere Hauptempfindung.
Aber wieso?

Was genau macht die "die Athmosphäre" aus, wie funktioniert sie? Wann unterstützt ein Raum die Entwicklung einer heiteren Stimmung, wann die einer bedrückenden, wann die einer achtungsgebietenden? Gibt es für diese Auslöser vielleicht noch einen (wenn auch spekulativen) physischen / psychologischen Hintergrund?

> melancholie eines abends -> weil die lichte weite des raumes (der tagesklarheit) fehlt.

Ok, dieses Extrakt des Satzes finde ich gut und Inhaltsvoll, dem kann ich zustimmen. Vieles in deinem Beitrag geht mir nicht tief genug.

> wogegen schmitz den räumlichen charakter der atmosphären
> betrachtet als randlos ergossen, ortlos, d.h. nicht lokalisierbare
> (also nicht dinglich manifest), sondern objektiv wirksame,
> ergreifende gefühlsmächte und räumliche träger von stimmungen.

Mit diesem Satz kann ich irgendwie nichts anfangen. Der Sinn entzieht sich mir. Kannst du das bitte nochmal etwas anschaulicher erklären?

Schade, das der Vortrag vom Herrn Schmitz schon ein halbes Jahr vorbei ist und sich auf der Seite dennoch keine fortführenden Berichte finden.

bis dann,
Spot
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