Hochsensibilität

[ichbinmehr]

Haben wir hier eigendlich schonmal über Hochsensibilität gesprochen?

Gibt es noch andere hochsensible Menschen hierim Forum? Welche Stärken habt ihr als hochsensibler Mensch, die andere Menschen fehlen? Welche Schwächen und Einschränkungen habt ihr auf Grund der Hochsensibilität? Wurdet ihr so hochsensibel geboren oder habt ihr die Hochsensibilität als Folge der Erziehung und Sozialisation entwickelt? Vielleicht fällt euch ja noch mehr zu dem Thema ein.

Ich habe gerade dieses Video gesehen und fühlte mich sehr gut beschrieben:

Diese Dinge machen hochsensible Menschen glücklich!

Mich hat das Video glücklich gemacht, weil ich mich gesehen und gespiegelt fühlte.

[glider]

Naja, ich habe mir dieses Video angeschaut und wie immer bei diesem Thema wäre ich dann auch hochsensibel.
Aber für mich ist es immer noch eher ein neuer Hype: es tönt doch viel besser hochsensibel zu sein als bloss introvertiert oder schüchtern, auch wenn die Gründe dafür vielleicht wirklich physikalisch bedingt sind.

Die Menschen hatten schon immer sehr unterschiedliche Charakter, wohl genetisch und soziologisch (anerzogen) bedingt. So wie ich es in meinem Umfeld erlebe, ist es für mich eindeutig familiär bedingt. Aber das darf ich natürlich nicht verallgemeinern.

[ichbinmehr]

Für mich bedeutet Hochsensibilität folgendes:

- Ich fühle die Gefühle anderer Menschen voll. Das heißt ich fühle wenn du traurig bist. Ich fühle wenn du Schmerzen hast. Ich fühle wenn du eine Muskelverspannung oder eine energetische Blockade hast. Es gibt gar keine Trennung zwischen Ich und Du. Ich leide unter deinem Schmerz, ganz besonders dann wenn du ihn nicht selbst verarbeitest.

- Ich habe sehr empfindsame Sinne. Daher brauche ich ganz viel Rückzug und Ruhe, um mich emotional zu regulieren und zu stabilisieren.

-Wenn ich zum Beispiel in einen Bus steige, dann werde ich vom Geruch des Plastiks der Sitze so überflutet, dass mir schlecht wird. Ich werde von den Stimmen der Fahrgäste überflutet, dass ich Kopfschmerzen bekommen. Ich werde von den Emotionen und Energien der Fahrgäste überflutet dass ich mich in ihre Ego Geschichten reinziehen lasse. Ich bin visuell schnell überfordert. Alle Sinne reagieren mit Überforderung auf die Welt die für andere Menschen normal ist.

- Ich habe keine Grenzen. Ich kenne keine innere Abgrenzung.

-Ich kann gar nicht so leben wie normale Menschen. Ich brauche einen ganz besonderen äußeren Schutzraum, weil meine Wahrnehmung so hypersensibel ist und ich diese nicht ausstellen kann.

[Liri]

Eine plausible Theorie eines Freundes : die sogenannte Hochsensibilität ist der eigentliche normale psychische Zustand, die anderen sind durch Überreizung und Überflutung abgestumpft. Wir hatten uns vor paar Tagen darüber unterhalten, dass für uns beide z. B. viele sog. Vergnügungen und Parties eigentlich der blanke Horror sind und wir mit z. B. großen Anzahl an Menschen gar nicht gut klar kommen. Ich finde die Theorie eigentlich ganz plausibel.

[Bultungin]

Ich nehme meine eigene vermutliche Hochsensiblität dadurch wahr, dass es mir sehr schwer fällt, äußere Reize zu filtern. Bei mir läuft gefühlt alles durch, wie ein Bienenschwarm der auf mich einsticht. Ich habe das Gefühl, dass das daher kommt, dass mein ganzes Nervensystem komplett übersteuert. Hierbei bin ich gerade auch am Ergründen wie meine Angststörung entstanden ist. Es ist am Ende eine Kombination aus genetischer Grundlage, Atmosphäre im Elternhaus und späterer Lebensführung. Das alles ist bei mir von einer grundsätzlich ängstlichen Grundstimmung geprägt, die zu einem Ja-Sager Leben mit Dauerstress im Erwachsenenalter geführt hat. Hierdurch hat sich mein Toleranzbereich so weit verschoben, dass mich mittlerweile schon kleine Reize aus dem Konzept bringen.

Davon abgesehen denke ich auch, dass HSP im Grunde auch daran liegt, dass wir in unserer Welt täglich so vielen Reizen ausgesetzt sind wie unsere nomadischen Vorfahren vielleicht innerhalb einer oder mehrerer Wochen. Das sagt ja schon alles. Schöne, neue, blinkende, lärmende, grelle Welt. Error.

[ichbinmehr]

Meine Hochsensibilität hat allerdings auch sehr positive Effekte:

- Ich kann die Emotionen anderer Menschen wahrnehmen. Ich kann quasi telepathisch wahrnehmen, was jemanden bewegt. In der Kombination mit Kundalini Tantra Übungen habe ich entdeckt, dass ich eine telepathische Wahrnehmung habe, die ich noch weiter verfeinern und trainieren kann.

Das finde ich sehr spannend. Mein Problem ist noch, dass ich das eben noch nicht ganz steuern kann, wann ich mitfühle und wann nicht. Ich bräuchte so eine Art Türe, die ich bewusst zumachen kann. Ich glaube aber, dass ist gerade in Arbeit und ich denke, wenn ich die Tür dann mal konsequent zu machen kann, wird sich diese Fähigkeit des hellfühlens auch nochmal vertiefen können.

- Manchmal kommt mein Freund von der Arbeit nach Hause und es geht ihm schlecht. Er kann aber nicht sagen wieso. Dann fühle ich und kann zb sagen, ah du hattest heute Angst oder du bist Enttäuscht. Ich kann seine Emotionen die ihm unbewusst ist, dann versprachlichen und ihm bewusst machen. Dann sagte er, das stimmt. Wie machst du das? Und dann kann er seine Gefühle durch meine Hilfe integrieren, vor allem wenn ich dann seinem Inneren Kind auch noch helfe, einen Umgang mit dem Gefühl zu finden. Das sind wirklich ganz tolle Heiler Skills, die ich durch meine HS habe.

- Ich kann über ein Foto einer mir unbekannten Person sagen, was die Person für Themen in ihrem Leben hat. Ich kann ihren Energie Körper scannen und sagen welche Krankheiten sie hat, welche Blockaden, welche Kompetenzen, welches Potential in der Person vorhanden ist.

- Ich kann mit Tieren und Pflanzen kommunizieren.

- Wenn ich eine psychoaktive Substanz konsumiere, reichen mir homöopathische Dosen, weil ich mein Bewusstsein einfach nur auf die entsprechende Frequenz einstellen muss. Die Tiefe der Erfahrug erlange ich, indem ich mich Einlasse und ganz Hingebe.

- Keine Ich Grenzen zuhaben, hilft mir mein Ego systematisch zerstückeln zu können. Damit erweitert sich mein Bewusstsein kontinuierlich. Ich muss mein Ich nicht töten, damit ich an den Kern komme. Mein Ich ist sehr flexibel, weil ich keine Ich Grenzen habe.


Alles hat eben zwei Seiten. Ich glaube es ist wichtig auf eine Weise zu leben, die einem Selbst gerecht wird. Manchmal braucht man sehr viel Mut, sich so ein artgerechtes Leben zu erlauben, besonders dann wenn man aus nicht artgerechter Haltung kommt.

Mein Fehler war, dass ich lange Zeit versucht habe, so zu leben wie andere Menschen und mich verurteilt habe, weil ich die Anforderungen des Lebens nicht schaffte. Damit habe ich mich selbst nicht artgerecht behandelt. Es ist schwer sein Potential zu bergen, wenn die Umwelt einem ständig suggeriert, dass Sensibilität eine Schwäche ist.

Ich habe in den letzten Jahren verstanden, dass meine Empfindsamkeit, mein offenes Herz (Chakra) eine große Stärke ist. Ich habe erkannt, dass ich meine Stärke nicht im Kampf finde. Mein Herz ist meine Stärke undmien Größe.

Ich habe aber auch verstanden, dass ich nicht so leben kann, wie Menschen die nicht so empfindsam sind wie ich. Ich brauche einen ganz besonderen Schutzraum, damit ich meine Fähigkeiten auch als Fähigkeit und Stärken einsetzen kann. Ich habe ebenso verstanden dass Selbstschutz wichtig ist. Das Herz Chakra kann sich nur in dem Maße öffnen, die das Solar Plexus Chakra den Schutz aufrecht erhalten kann. Denn sonst wird man von Menschen, ob seiner Gutmütigkeit ausgenutzt.

Es fällt mir schwer meine wehrhaften Seiten zu entwickeln, denn mir wurde meine Ich Stärke und meine Wehrhaftigkeit systematisch aberzogen. Deshalb glaube ich, dass ein hochsensibler Mensch für sich etwas tun kann, indem er lernt sich selbst artgerecht zu behandeln. Indem er lernt Verständnis und Mitgefühl für seine eigene Empfindsamkeit haben. Und indem er lernt anderen Menschen Grenzen zu setzten um sich zu beschützen.

[Bultungin]

Ich muss sagen, dass ich das ganze Thema Hochsensibilität wesentlich nüchterner betrachte. Ich dachte auch eine ganze Zeit lang, dass ich da etwas bei anderen Menschen wahrnehmen kann etc. und mit Sicherheit habe ich da auch eine gewisse Empathie, das meiste ist jedoch Projektion. Anders kann ich mir zumindest nicht erklären, weshalb meine Selbstwahrnehmung so extrem stark von der Fremdwahrnehmung abweicht.

Ich erfahre das im Grunde so, wie Anaïs Nin schon sagte: "Wir sehen die Dinge nicht, wie sie sind. Wir sehen sie so, wie wir sind."

Abgesehen davon muss ich sagen, dass mir das Ganze hochtrabende bei der Hochsensibilität nicht gefällt. Von wegen es ist ne Stärke etc. Ich denke, dass man sich alles irgendwie schönreden kann. In meinem Fall ist es nämlich eher so, dass es mich ziemlich anstrengt schnell reizüberflutet zu sein. Statt also immer wieder überall zu lesen "Superpower Hochsensibilität" würde ich mir eher wünschen, dass Lebens- und Arbeitsbedingungen wieder mehr zum Wesentlichen zurückkehren und entschleunigt werden. Ich denke nämlich nach wie vor, dass das Phänomen Hochsensibilität auch einfach eine Folge der modernen Reizüberflutung ist, da das Nervensystem komplett überstrapaziert wird in unserer Lebensumwelt. Das zerrt ziemlich an Seele und Körper, wie ich finde. Das Ganze zu romantisieren hat mich jedenfalls noch nicht weitergebracht.

Ich finde es jedoch positiv zu sehen, dass es vielleicht wirklich Menschen gibt, die irgendwie ne Stärke dadurch haben oder besondere Fähigkeiten. Ich denke dass es da auch stark von den Lebensbedingungen abhängt, wie jemand damit umgeht. Wenn ich bei McDonalds arbeiten müsste, wäre es definitiv ein Fluch. Hingegen als Zen-Gärtnerin hätte ich wohl in der Tat einen Vorteil mit meiner überstrapazierten Wahrnehmung jeglicher Details.

[Liri]

Man muss sich jedenfalls sehr gut rausnehmen können, als Selbstschutz, was nicht immer schön ist, denn man möchte ja gern leistungsfähig und unkompliziert sein. . Mit Hellsichtigkeit würde ich das Ganze nicht gleichsetzen, da steckt für mich zu viel an Hybris dahinter.

[mathchild]

Gehört das nicht auch alles zur Thematik der Neurodivergenz?
Dazu bin ich nämlich vor wenigen Tagen auf ein Video gestoßen, durch das mir erst richtig klar wurde, warum ich so ein Fan der Serie "Willkommen im Haus der Eulen" bin:
The Owl House and Growing Up Neurodivergent | A Character Analysis
(ich hoffe, ihr könnt soweit ganz gut Englisch)

[Liri]

Naja, es ist ja keine klinisch klassifizierte Störung oder Erkrankung oder so. Ich meine, wenn jemand hochsensibel ist und nicht die Möglichkeit hat, adequate Umgebungsbedingungen zu erreichen, kann sich das natürlich in Form von Folgeerkrankungen äußern, weil das enormen Stress verursacht, aber ich denke das ist an sich prinzipiell primär alles nicht krankhaft.

[Liri]

Naja, es ist ja keine klinisch klassifizierte Störung oder Erkrankung oder so. Ich meine, wenn jemand hochsensibel ist und nicht die Möglichkeit hat, adequate Umgebungsbedingungen zu erreichen, kann sich das natürlich in Form von Folgeerkrankungen äußern, weil das enormen Stress verursacht, aber ich denke das ist an sich prinzipiell primär alles nicht krankhaft. Ich weiß, dass das Thema neurodivergenz genau da drauf abzielt, aber das ist meiner Ansicht nach nicht mal besonders divergent, sondern einfach was, was vorkommt. Wenn du verstehst, was ich meine. Das ist einfach Teil der Bandbreite.

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Hochsensibilit%C3%A4t
Gerade noch nachgelesen, ist nicht nur meine eigene Erfahrung /Meinung.

[mathchild]

@ Liri: ja, das ist im Prinzip auch meine Meinung. Die ganzen Autismus-Spektren z.B. sind ja auch fließend. Es wurde lange darum gerungen, unter welchen Kriterien eine Diagnose gestellt wird, und ich bin mir sicher, diese Kriterien werden sich auch in Zukunft noch ein wenig ändern.

[Bultungin]

Ja das ist sowieso ein interessantes Feld. Die Grenze zwischen Gesundheit und Krankheit, was ist noch natürliche Bandbreite und wo beginnt Krankheit? Ich habe mich damit recht stark beschäftigt nachdem ich wegen psychischer Probleme jetzt erstmal raus aus dem Beruf bin. Eine Gesellschaft definiert - abgesehen von messbar organischen Störungen - eine Krankheit wohl als Abweichung vom Normalstandard. Der Normalstandard ist aktuell leider: Funktionieren, funktionieren, funktionieren. Fällt jemand aus aufgrund einer höheren Stresssensibilität gilt dieser direkt als krank, weil er sich an das bestehende System nicht anpassen kann.

Ich lese gerade dazu das Buch von Dr. Nelting: Burn out - Wenn die Maske zerbricht. Er thematisiert dort psychisch und psychosomatisch bedingte Hyperstressreaktionen ("Burn out") als misslungenen Anpassungsversuch an unsere gegenwärtige Lebensumgebung. Ich finde das sehr spannend. Da ich auch von mir selbst sagen würde: Auf einem Bauernhof mitten im Nirgendwo mit meinen 5 bis 8 Menschen um mich herum hätte ich kein Stressproblem durch Arbeitsverdichtung. Das merke ich auch wenn ich bei meinen Eltern bin und teils jeden Tag im Garten mithelfe und abends kaputt bin von der angenehmen körperlichen Arbeit. Das zeigt mir, dass ich klar leistungsfähig BIN, das Arbeitsumfeld ist aber auch ein ganz anderes.

Ich würde mir wünschen, dass in Zukunft nicht mehr so sehr geschaut wird, wer "krank" ist und nicht arbeiten kann, sondern dass geschaut wird was braucht Person xy, um gesund zu sein und sich wohlzufühlen.

[Liri]

Es gibt aber noch eine andere Definition von Krankheit, und zwar, wenn die Person (massiv) leidet oder sich bzw. anderen schadet. Leider ist aber die oben beschriebene Haltung einer Norm-Gesundheit weit verbreitet. Was die Norm ist, kann sich auch immer mal ändern, was das Ganze noch absurder macht. Teils z. B. auf Druck der Pharmalobby. Ich bin kein Feind der sog. "Schulmedizin, muss ich dazusagen. Trotzdem sind einige" Krankheiten " offensichtlich erst erfunden worden.

[mathchild]

Hab heute an diesen Themenfaden gedacht, als ich Bayern 2 gehört hab, da kam nämlich ein Beitrag über Hochsensibilität:
"radioReportage: Reize ohne Filter - highly sensitive persons" (hier im Programm). Ist als Podcast verfügbar, irgendwie finde ich da auf die Schnelle nicht den direkten Link für...