Kunstauffassungen ändern sich ziemlich schnell, denke ich. Daher kann ich nur eine Momentaufnahme davon machen. Meinen derzeitigen Kunstbegriff habe ich bereits einmal im Thema zum Wert von generierter Musik dargelegt (
hic/16731#235531 ). Das Folgende ist im Wesentlichen eine etwas tiefere Ausführung, ich werde auch ein paar Sätze kopieren.
Zunächst will ich erwähnen, dass mir die auf Wikipedia getroffene Ontologie im Artikel
wiki/Art sehr zusagt.
Wikipedia schrieb:Within this latter sense, the word art may refer to several things: (i) a study of a creative skill, (ii) a process of using the creative skill, (iii) a product of the creative skill, or (iv) the audience's experience with the creative skill. The creative arts (art as discipline) are a collection of disciplines which produce artworks (art as objects) that are compelled by a personal drive (art as activity) and convey a message, mood, or symbolism for the perceiver to interpret (art as experience).
Ich will das Wort “Kunst” hier, wie ich selbst im Themenanfang bereits angedeutet habe, im Sinne (ii) und “Kunstwerk” im Sinne (iii) verwenden und darlegen, was genau für mich diese Begriffe momentan bedeuten.
Was macht für euch Kunst aus? Was ist für euch ein Kunstwerk?
Für mich ist Kunst, als Tätigkeit, menschliches Schaffen zur Veräußerung des Inneren. Inzwischen – nachdem ich das schöne Zitat von Werner Herzog unten kenne – würde ich sogar pointiert sagen:
Art is articulation. (Die Wörter sind anscheinend tatsächlich etymologisch entfernt verwandt über Proto-Indogermanisch
wiktioniary/*h₂er-.)
Ein Kunstwerk ist das Ergebnis künstlerischen Schaffens.
Oft macht ein Künstler durch seine Kunst etwas Inneres, aber bisher für ihn Unwahrnehmbares wahrnehmbar. Genau darin liegt auch der gewisse Anspruch an Innovation und Kreativität, den viele an Kunst stellen. Innovation und Kreativität sind aber nur ein Beiprodukt einer solchen Veräußerung. Ebenfalls oft veräußert ein Künstler auch nur sein momentanes Innenleben, bringt etwa seine Gefühle zum Ausdruck. Diese andere Form der Veräußerung bedarf weder Innovation noch Kreativität. Ich denke, interpretierende Musiker veräußern sich oft so. (Wobei man sicherlich auch innovativ und kreativ spielen kann.)
Ein wunderschönes Beispiel, über das ich erst vorgestern gestolpert bin. Werner Herzog hat zum Dreh von
wiki/Fitzcarraldo (etwa unter
youtube/PxfYDUvnHg4 zu sehen und hören) gesagt:
“
It’s not only my dreams. My belief is that all these dreams are yours as well. And the
only destinction between me and you is that I can articulate them. And that is
what poetry or painting or literature, filmmaking is all about. It is as simple as that.”
So klar und schön gesagt. Ich bin sehr begeistert.
Kunst verstehe ich weiters dual als Form und Farbe, als technisch und poetisch. Beides beschreibt die Qualität der Veräußerung. Um etwas deutlich zu artikulieren, muss man sein Instrument sicher und frei beherrschen.
Wann haltet ihr Kunst oder Kunstwerke für gut?
Tja, das weiß ich selbst noch nicht so recht … Vielleicht werde ich irgendwann diesen Punkt um eine bessere Antwort ergänzen. Aber bisher würde ich sagen, dass gute Kunst sich durch eine deutliche Artikulation auszeichnet.
Kunst halte ich außerdem für bedeutend oder wertvoll, wenn sie etwas Seelisches veräußert. Die Seele ist für mich das unsterblich Wahrnehmende und Entscheidende im Menschen. (Mehr zu meinem Seelenbegriff steht im Thread
Euer Konzept von Seele, siehe
hic/16605#233790.) Die Seele formt sich durch ihre Entscheidungen und Wahrnehmungen selbst zu einem wahrnehmbaren Abbild im Geiste des Menschen. Durch dieses Abbild kann die Seele in Kunst ausgedrückt werden. Ein bedeutendes oder wertvolles Kunstwerk hält dann den seelischen Zustand des Künstlers fest. In dem selben Sinne, glaube ich, können auch Träume unsere Seele reflektieren.
Hat Kunst für euch einen Sinn? Seht ihr einen? Wenn ja – welchen?
Den höchsten Sinn der Kunst sehe ich darin, die Grenzen menschlichen Verstehens neu zu ziehen. Zu hoher Kunst wird, was zum Menschen an sein Innerstes gewandt spricht, sodass er versteht, ohne zu verstehen,
was er da versteht. Dies gelingt, wenn der Künstler etwas Urmenschliches in seinem Innersten veräußert. Dadurch wird das Veräußerte ein Stück weit klarer, rückt ein Stück weit näher ins Licht menschlichen Verstehens, wird sozusagen
verstandener. Ich denke, es ist genau diese hohe Kunst, welche die Menschheit bildet. Hohe Kunst bildet.
Wie wirkt sich eure Kunstauffassung auf euer eigenes Schaffen aus?
Ich bin leider kein Künstler. Ich schreibe hin und wieder Gedichte, aber ich beherrsche meine Dichtung nicht. Manchmal schreibe ich einfach ein paar Zeilen drauf und los. Aber um Reime zu finden, suche ich manchmal auch im Internet und sowas oder ich breche Gedichte vorzeitig ab, weil mir nichts mehr einfällt. Das ist alles sehr stümperhaft. Ich mache keine Kunst, meine Kunstauffassung wirkt sich nicht wirklich auf mein Schaffen aus.