Klartraumforum

Normale Version: Anarchie ist machbar, Herr Nachbar!
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Hallo,

zuerst einmal bekenne ich offen, dass ich Anarchist bin, aber ich versuche trotzdem unvoreingenommen zu sein, was aber nie ganz möglich ist.

Ich würde gerne zum Einstieg von euch hören was ihr denkt wenn ihr das Wort Anarchie hört und was ihr darunter versteht.
die Überschrift soll nicht eine Meinung oder sonst was vorgeben sondern ist ein beliebter Ausspruch unter Anarchisten
interessanter fände ich die frage: unter welchen bedingungen ist anarchie machbar?

wenn man unter anarchie herrschaftslosigkeit versteht, und unter herrschaft jede form von unterdrückung, dann ist die frage, wo diese herrschaft denn überall vorherrscht und was ihre wurzeln sind.

wenn man das nicht zuerst klärt, sondern sich gleich in politischen aktivismus stürzt, kommunen gründet oder dergleichen, wird man schnell auf das problem stoßen, nur zum schein für anarchie zu sorgen.

stellt man sich z.b. vor, in diesem forum bekäme einfach jeder adminrechte, wäre das chaos vorhersehbar. meine schlussfolgerung: in manchen fällen kann strukturelle herrschaft besser sein als strukturelles chaos. dann nämlich, wenn die leute noch nicht bereit sind für anarchie. wenn die ursachen der herrschaft noch nicht aufgelöst wurden. ausserdem muss hierarchie noch nicht unbedingt in jeder hinsicht unterdrückung bedeuten.

was also sind die wurzeln?
Ich finde Anarchie ist machbar und sollte das "Ziel" sein.

Dabei muss es den Menschen allerdings klar sein, dass es bei Anarchie nicht darum geht machen und lassen zu können, was man will/kann, sondern es geht darum selbst zu merken, was man machen "muss" und was nicht. Ich sehe in der Anarchie die Möglichkeit der sich selbst organisierenden Gesellschaft. Meiner Meinung nach ist dies erstrebenswert, allerdings ist damit viel Arbeit verbunden und vor allem muss die Trägheit, die leider jedem Menschen anhaftet überwunden werden und ein Umdenken stattfinden.
In der Anarchie hat jeder die Möglichkeit seine Individualität so zu skalieren und auszubilden, wie es von nöten oder von ihm selbst erwünscht ist.
Nur ohne Unterdrückung und Herrschaftsverhältnisse sind auch völlige Freiheiten in Kunst und Kultur gegeben.
Dabei ergeben sich natürlich wieder Regeln, die allerdings aus einer Selbst(!)erkenntnis herrühren und damit selbstverständlich und lebbar sind (im Gegensatz zu den im Moment vorherschenden und bedingt durch ihre Herkunft enfremdeten Regeln).

Die größte Hürde auf dem Weg zur sich selbst organisierenden Gesellschaft ist die Trägheit jedes einzelnen und die damit verbundene Barriere auf dem Weg zum Umdenken.

Zu hoffen beleibt nur, dass eines Tages wie selbstverständlich eine Revolution von innen (!) stattfindet, die diese Barrieren überwindet und uns (und damit meine ich Gänze der Menschheit) eine Schritt weiter nach vorne bringt.
@DerTräumer

Das würde vielleicht mit den Leuten aus dem Forum klappen, eine Gesellschaft ist aber nie homogen. Da hast du die ganze Bandbreite von Spießer bis Spinner bis Psychopath. Und die kannst du nicht ohne Hirachie zusammenleben lassen, wenn es nicht Mord und Totschlag geben soll.
(27.02.2011, 12:33)DerTräumer schrieb: [ -> ]Ich finde Anarchie ist machbar und sollte das "Ziel" sein.

Dabei muss es den Menschen allerdings klar sein, dass es bei Anarchie nicht darum geht machen und lassen zu können, was man will/kann, sondern es geht darum selbst zu merken, was man machen "muss" und was nicht.
idealerweise wäre das doch dasselbe. "es gibt kein gesetz, ausser tu was du willst. tue dies und keiner soll nein sagen." (crowley)

Zitat:Die größte Hürde auf dem Weg zur sich selbst organisierenden Gesellschaft ist die Trägheit jedes einzelnen und die damit verbundene Barriere auf dem Weg zum Umdenken.
trägheit klingt da etwas beschönigend. und was ist der grund für die "trägheit"? wie schaffen leute es, "umzudenken"?

Zitat:Zu hoffen beleibt nur, dass eines Tages wie selbstverständlich eine Revolution von innen (!) stattfindet, die diese Barrieren überwindet und uns (und damit meine ich Gänze der Menschheit) eine Schritt weiter nach vorne bringt.
heisst das, dass du bloß wartest und hoffst? kann man sonst nix machen?
@snapman
natürlich gibt es immer Menschen die sich nicht in eine Gesellschaft einfügen möchten/können (geistig kranke). Doch das ist eine sehr kleine Zahl an Menschen und in einer anarchisch organisierten Gesellschaft gäbe es viel weniger Menschen, die schon in der Kindheit nur Unterdrückung erleben und diese dann reproduzieren sobald sie erwachsen sind. Und viele Verbrechen würden einfach sinnlos: Diebstahl, da die Grundbedürfnisse (zumindest meiner meinung nach) für jeden kostenlos von der Gesellschaft gedeckt werden.
@DerTräumer
schöne antwort bigwink diese Trägheit und Faulheit der Menschheit ist ein wichtiger Punkt, doch im Endeffekt würden die Menschen sehr viel freie Zeit durch eine Anarchie erreichen. Denn die Arbeitszeiten wären deutlich kürzer:
Hochrechnungen haben ergeben das jeder Mensch zwischen 3-5 Stunden statt wie heute übliche 8 Stunden arbeiten müsste wenn man keine Kriege, keine Wegwerfprodukte und keine sinnlosen Arbeiten (Re-importe etc.) hätte. Und das in unserer Wirtschaft und mit einem menschenwürdigen Wohlstand für alle!
n kleines Zitat aus dem Buch Anarchie! von Horst Stowasser dazu:

"All das aber bindet heute unglaubliche Mengen an Arbeitskraft, Kreativität, Ideen, Ressourcen, Werten und Geld. Für die Herstellung und Verteilung von Waren, Lebensmitteln und Dienstleistungen wird schon heute der geringere Teil menschlicher Arbeit aufgewendet – der größere Teil wird verschwendet und verpufft in ›Leistungen‹, die entweder niemand wirklich braucht, oder die auf andere Weise besser organisiert werden könnten. Alle Jahre wieder gibt es Studien amerikanischer und europäischer Universitäten, die ausrechnen, wieviel Arbeitsstunden der Mensch bei einer konsequenten Bedürfnisproduktion noch leisten müßte, um den Bedarf aller Menschen der Erde zu befriedigen. Zur Zeit liegen diese Zahlen zwischen drei und fünf Stunden täglich, manche Anarchisten kommen mit ihren Rechenkunststücken sogar auf die phantastische Vision einer Fünf-Stunden-Woche … Wie dem auch sei, die Welternährungsexperten der Vereinten Nationen sind sich darin einig, daß allein der weltweite Wegfall der Rüstung genügend Kräfte und Mittel freisetzen würde, um mit dem Hunger in der Welt sofort Schluß zu machen."

Durch eine sinnvolle Ordnung würde jeder seinem Egoismus nachkommen und weniger arbeiten müssen. Aber ich glaube viele Menschen wollen arbeiten (schaut euch allein die Rentner an die wieder arbeiten wollen), die Frage ist nur wieviel und unter welchen Bedingungen

PS: zu der Sache mit der 5 Stunden Woche: ich hab das noch nicht überprüft oder genaueres darüber gelesen gibt aber ein Buch dazu: Dante Darwin: 5 Stunden sind genug Frankfurt/M. 1993, Manneck Mainhatten Verlag 234 S.
(27.02.2011, 14:48)spell bound schrieb: [ -> ]
(27.02.2011, 12:33)DerTräumer schrieb: [ -> ]Ich finde Anarchie ist machbar und sollte das "Ziel" sein.

Dabei muss es den Menschen allerdings klar sein, dass es bei Anarchie nicht darum geht machen und lassen zu können, was man will/kann, sondern es geht darum selbst zu merken, was man machen "muss" und was nicht.
idealerweise wäre das doch dasselbe. "es gibt kein gesetz, ausser tu was du willst. tue dies und keiner soll nein sagen." (crowley)

Zitat:Die größte Hürde auf dem Weg zur sich selbst organisierenden Gesellschaft ist die Trägheit jedes einzelnen und die damit verbundene Barriere auf dem Weg zum Umdenken.
trägheit klingt da etwas beschönigend. und was ist der grund für die "trägheit"? wie schaffen leute es, "umzudenken"?

Zitat:Zu hoffen beleibt nur, dass eines Tages wie selbstverständlich eine Revolution von innen (!) stattfindet, die diese Barrieren überwindet und uns (und damit meine ich Gänze der Menschheit) eine Schritt weiter nach vorne bringt.
heisst das, dass du bloß wartest und hoffst? kann man sonst nix machen?

Gesetzlosigkeit heißt ja nicht das es keine Vorgaben und Regelungen gibt, diese sind nur freiwillig von den Menschen getroffen und nicht von einem Infremdeten Staat.
Anarchie ist eine Gesellschaft von Gesellschaften, von Gesellschaften etc.
Es gibt nicht die Gesellschaft oder Anarchie, sie ist ein Zusammenschluss von vielen kleinen "Teilen". Auch wird Anarchie nie erreicht werden sondern es ist ein Ideal, an dem sich die Gesellschaft versucht anzunähern.
Der Grund für die Trägheit liegt in vielen Aspekten, einerseits daran dass Anarchie leider oft mit Kommunismus gleich gesetzt wird. Und unser Staat uns immer schön erzählt das in der UdSSR ein Kommunismus war, doch dieser Staat hat soviel "mit Marx zu tun, wie ich mit Buddhismus" (zitat: Jean Ziegler)
(27.02.2011, 01:45)spell bound schrieb: [ -> ]stellt man sich z.b. vor, in diesem forum bekäme einfach jeder adminrechte, wäre das chaos vorhersehbar.
Da hätten wir aber eher eine Anomie, wenn sich nicht an Regeln gehalten wird und derlei. In Richtung Anarchie ginge es schon, wenn Administrative und Moderation ausschließlich auf Beschluß der Community handeln dürften. Anarchie bedeutet nicht, daß jeder frei von Konsequenzen jeden Blödsinn machen kann.

e: huch, sind hier seit gestern noch Beiträge reingeflattert *g*
@glass: deine beschreibung von anarchie klingt wie direkte demokratie. oO - wie dem auch sei: dann sind wir uns ja einig, dass anarchie nicht einfach hergestellt werden kann, wenn man alle zu admins macht. was aber wären die bedingungen für funktionierende anarchie?

@rockstar: was sagst du denn zu meinem ersten posting?
das mit den Wurzeln der Herrschaft?
die liegen überall, von der klassischen Kleinfamilie, über die Kirche (ich habe nichts gegen Gläubige mein bester Freund ist Baptist) bis zum Staat.
Ich glaube du willst darauf hinaus ob diese Herrschaft natürlich ist oder nicht.
Diese Frage lässt sich schwer klären. Der Mensch bekommt seit Jahrhunderten Hierarchie vorgesetzt und Egoismus wird zum Ideal erklärt und gefördert. Um die Frage nach der Natürlichkeit von Herrschaft muss man in die Geschichet der Menschheit gehen und genauer suchen.
Beispiel Hochsteinzeit:
Die Funde belegen, dass die Menschen keine Kriege führten, Solidarität und Gleichbehandlung an der Tagesordnung stand (keine herrschende Klasse, und wenn z.B. der Mann bei der Jagd starb wurde die Familie von der Gesellschaft wie selbstverständlich weiterversorgt). Auch hatten die Menschen in dieser Zeit beeindruckend viel Freizeit (Hälfte der Zeit ohne Schlaf war ohne Arbeit) und ihre Knochen waren sogar vom vielen Tanzen verbogen.
Oder allein die vielerorts sichtbare freiwillige Hilft lässt darauf schließen das der Mensch ein soziales Wesen ist. und sozial und hierarchie lässt sich schwer vereinbaren.


ich gebe zu ich vereinfache viel und lasse Quellen weg aber wer z.b. das mit der steinzeit genauer wissen möchte ich hab n schönes ebook aufm pc und er/sie bekommt natürlich gerne ausschnitte bzw. das ganze buch
(27.02.2011, 15:34)spell bound schrieb: [ -> ]@glass: deine beschreibung von anarchie klingt wie direkte demokratie. oO
Für ein konstruktives Miteinander braucht es Regeln, für Regeln braucht es einen Konsens. Den Weg dahin kannst Du vielleicht mit direkter Demokratie vergleichen. Eine übergeordnete, «politische» Führung wäre dennoch nicht nötig.
Bezügl. "Natürlich"...Soweit ich weiss gibts bei den meisten Arten auch ein "Leittier" was die Regeln vorgibt.
Natürlich ist Anarchie wohl keineswegs...
Soziale/r Bündnisse/Umgang hingegen schon.
Ein Problem sehe ich darin, dass 'Anarchie' so negativ besetzt ist, wie sonst irgendwas. Schon der Klang dieses Wortes löst bei vielen Menschen Angst und Abscheu aus.

Man kann sagen: 'ich träume von der Anarchie' - Furchtbar, wahrscheinlich wird man gleich verhaftet.

Sagt man jedoch: 'Ein basisdemokratisches postkapitalistisches System scheint mir erstrebenswert' klingt das ganz anders.
Meint aber meiner Meinung nach das gleiche.

Was müsste aber meiner Meinung nach für eine funktionierende Anarchie passieren?
- Ich denke, dass eine Gruppe von Menschen aus diesem System aussteigen müssten, um das libertäre System in der Praxis zu erproben und zu verbessern.
- Wahrscheinlich passiert schon recht viel über neuartige Kommunikationsmittel. Videoplattformen und soziale Netzwerke zwingen Diktatoren in die Knie, weißhaarige Hacker spucken Weltmachten in die Suppe.

Vieles von dem, was noch vor 150 Jahren für unmöglich, ja absud gehalten wurde, heute Alltag ist.
Es gibt zum Beispiel die Zapatisten in Mexiko, die derartige Vorstellungen jetzt seit doch schon recht langer Zeit in die Praxis umsetzen. Auch in Venezuela gibt es basisdemokratische Organisationsformen, die vom Präsidenten Chavez ausdrücklich unterstützt werden. Grade in Lateinamerika könnte man weitere Beispiele aufführen, die im Unterschied zu solchen Strömungen bei uns schon sehr konkret in die Lebensrealität der Menschen einfliessen. Selbstverständlich werden alle diese Versuche in unseren Mainstream-Medien diffamiert und dämonisiert. Bei uns gibts lieber erneute Vorstösse, endlich die Internetsperren durchzusetzen, damit wir nicht am Ende noch von solchen Vorbildern motiviert werden, nach Alternativen zu suchen.
(27.02.2011, 16:02)RockStarRC schrieb: [ -> ]das mit den Wurzeln der Herrschaft?
die liegen überall, von der klassischen Kleinfamilie, über die Kirche (ich habe nichts gegen Gläubige mein bester Freund ist Baptist) bis zum Staat.
Ich glaube du willst darauf hinaus ob diese Herrschaft natürlich ist oder nicht.
nein, darauf wollte ich eigentlich nicht hinaus. ich dachte nur, falls du es ernst meinst mit anarchie, willst du sie ja sicherlich umsetzen, und nicht nur drüber reden. um sie aber umzusetzen wärs wichtig zu wissen, was man konkret ändern muss, und wo anfangen. auch: was falsche wege sind. ich befürworte die idee, an den wurzeln anzusetzen. deswegen frage ich danach, was die wurzeln sind.
worauf ich hinaus wollte war, dass die herrschaft v.a. in unseren köpfen steckt, und nicht nur im "system". wir müssen sie zuerst von dort vertilgen, damit das system frei davon wird und es nicht den nächsten generationen wieder in die köpfe pflanzt. würden wir nur das system ändern, wäre die änderung bloß kosmetisch. man denke an die 68er. mit gewalt vom system losreißen, alle fühln sich verdammt frei, aber in der praxis terrorisiert man sich dann halt mit "freier" liebe und zerstört sich mit drogenexzessen. also bevor wir am system rumwerkeln, sollten wir unser unterbewusstsein mal in den fokus holen.

oder in den worten von the cranberries: "in your head, they're still fighting."


(28.02.2011, 13:58)ricky_ho schrieb: [ -> ]Es gibt zum Beispiel die Zapatisten in Mexiko, die derartige Vorstellungen jetzt seit doch schon recht langer Zeit in die Praxis umsetzen.
was genau sind nun "derartige vorstellungen"? ich will es ja nicht verteufeln, aber nur weil etwas sich anarchie nennt, muss noch lange keine anarchie drin sein. siehe "kopf vs. system".
auch die ganzen befreiungskämpfe in der arabischen welt sind ja ganz "nett", aber muten mir doch etwas naiv an. selbstverständlich müssen tausende ihre leben opfern, und selbstverständlich sind die bösen führer (keine frage, böse sind sie) für alles übel ihrer lage verantwortlich. freudentaumel nach dem blutbad, wenn ein despot verscheucht wurde. nun kommen also die hehren westlichen werte und alles wird gut.

leute die nicht wissen was sie wollen, können auch nicht das richtige wählen. da hilft auch keine direkte demokratie.
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