(19.12.2010, 14:19)fiodra schrieb: [ -> ]Die Wissenschaft ist die einzige Quelle der Wahrheit, alles ausserhalb der Wissenschaft ist bestenfalls Lug und Trug und möglicherweise nicht existent. Dieser Haltung begegne ich in diesem Forum immer wieder. Sie scheint ein zeitgenössischer Ausdruck von gymnasialer und universitärer Bildung zu sein.
Ich glaub nicht, dass es in diesem Forum, am Gymnasium oder in der Universität irgendwie besonders verbreitet wäre. Dort wird nur öfter darüber diskutiert. In der Gesellschaft an sich ist meist nicht einmal eine Diskussion über die geschweige denn ein Infragestellen der wissenschaftlichen Dogmen möglich, denn es besteht überhaupt kein Bewusstsein darüber, dass es diese Dogmen gibt, sie werden als "der gesunde Menschenverstand" betrachtet und jede Abweichung als Spinnerei.
Zitat:Dem gegenüber steht die persönliche Auseinandersetzung mit Träumen, den eigenen und auch denen von anderen. Sind sie eine Quelle von Wissen und Weisheit oder spiegeln sie den Trug unseres Herzens? Sind die Träume von den Toren aus Horn (=wahr) oder von den Toren aus Elfenbein (=falsch)?
Der Artikel gibt doch schon eine Antwort, es gibt beide Arten von Träumen. Ich denke nicht, dass die Einteilung so scharf ist in wahre und falsche Träume. Sowieso hab ich ein Problem mit dem Begriff "Wahrheit". Was ist das eigentlich und was soll das in bezug auf Träume bedeuten? Jeder Traum ist für mich eine reale Erfahrung und somit "wahr". Die Frage ist halt, wie bedeutsam ist er und in welcher Hinsicht? Ich denke, da decken Träume das gesamte Spektrum ab.
Danke ricky, dass du den Faden doch noch aufgenommen hast. Von mir aus muss nicht jede philosophische Diskussion kontrovers geführt werden, man kann ein Thema auch gemeinsam erarbeiten, z.B. in dem man Fragen stellt zu einzelnen Aussagen und nicht seine eigene Meinung gegenüber stellt und dann streitet, wer recht hat.
Zu den wahren und falschen Träumen denke ich auch, dass dies schwarz-weiss Malerei ist. Die falschen Träume, die den "Trug unseres Herzens" spiegeln, sind nämlich auch sehr interessant, denn sie zeigen, wie dieser individuelle "Trug des Herzens" beschaffen ist. Meiner Meinung nach sind Träume ein gutes Instrument um die Funktionsweise unserer persönlichen Wahrnehmung, und wie sie unsere Erfahrungen färbt, zu erkennen. Sie versetzen uns in die Lage, wie der Baron von Münchhausen, sich selber aus dem Sumpf zu ziehen. Das Bewusstsein ist in der Lage, sich selber zu betrachten. Doch wurde schon seit Menschengedenken postuliert, dass es Träume gibt, die diesem Trug nicht unterworfen sind, wo das Bewusstsein klar und nicht durch die persönliche Historie mehr oder weniger entstellt ist. Früher nannte man das Träume, die von den Göttern kommen. Ausserdem ruht jeglicher Traumyoga und somit auch das Klarträumen auf der Prämisse, dass man den Spiegel des Bewusstseins von den persönlichen Verunreinigungen reinigen und klären kann. Wem dies gelingt, der hat eine direkte Anschauung vom Bewusstsein an sich.
Dann möchte ich aber doch noch einmal auf die uralte und weit verbreitete Tendenz hinweisen, das innere Wissen, zu dem auch die Träume gehören, zu disqualifizieren. Dies hat meines Erachtens in erster Linie mit Macht zu tun. Es ist essenziell wichtig für den Mächtigen, die Deutungshoheit zu erlangen, um die anderen geistig zu unterwerfen. Jahwe hat sich so zum alleinigen Gott gemacht, der nicht einmal eine Gemahlin hat (wie sonst üblich) und seine Priester, die Schriftgelehrten erhielten Macht über diejenigen, die aus inneren, individuellen Quellen schöpften und danach handelten. (die Propheten). Nur dank der Schrift und der Monopolisierung des schriftlich niedergelegten Wissens konnten Staaten gegründet und zusammengehalten werden. Auch im Mittelalter wurden so die keltischen und germanischen Seher, Hexen, Druiden und Schamanen, welche aus inneren Quellen schöpften getötet und verfolgt. Ganze Dörfer wurden beispielsweise unter Karl dem Grossen, der dem Christentum in Mitteleuropa zum Druchbruch verhalf, abgebrannt und alle Bewohner gemeuchelt, weil sie nicht ihrem alten Glauben abschworen. Ich finde das sehr wichtig um zu erkennen, was auch heute im Namen der Wissenschaft läuft. Die Leute werden wohl nicht gemeuchelt, aber sie erhalten keine Arbeit mehr und werden der Lächerlichkeit preisgegeben, was auch existenziell bedrohlich ist. Es handelt sich hier also um ein sehr tief eingegrabenes psychologisches Muster, das nicht leicht aufgeweicht werden kann. Es wird von den Schulen, den Universitäten und natürlich auch durch das kollektive Bewusstsein und den "gesunden Menschenverstand" aufrecht erhalten.
Ich finde deinen Text sehr interessant und sehr wahr. Allerdings glaube ich nicht, dass Jahwe es war, der sich zum alleinigen Gott gemacht hat – es hat nur irgendeinem Mächtigen in den Kram gepasst, einen alleinigen Gott zu haben, dem er seine Macht zu verdanken hat.
Ursprünglich gehen Religionen wohl alle auf Erfahrungen zurück, Erfahrungen von einzelnen – vielleicht auch Erfahrungen von Gruppen, auf jeden Fall von Leuten, denen geglaubt wurde, denen ihre Erfahrung abgenommen wurde. Und dann wurde sie weitergegeben, und mit der Zeit wurde sie verändert, dann aufgeschrieben, Dinge, die man nicht mehr verstand, wurden umgeschrieben (vielleicht noch in gutem Glauben), Dinge, die nicht mehr passten, wurden passend gemacht. Und irgendwann war das Dogma geboren – und eigene Erfahrung, die dem Überlieferten vielleicht widersprechen kann, ist seitdem verpönt. Von anderen wird festgelegt, was wahr und richtig ist.
Allerdings gibt es erschreckend viele Menschen, die genau das wollen. Die wissen wollen, was sie denken und fühlen sollen. Die ihren eigenen Erfahrungen nicht trauen, denen der Mut oder das Selbstbewusstsein dazu fehlt. Die wirklich glücklich über jeden Priester, Guru oder sonstigen Erlöser sind, der ihnen sagt, wo es lang geht, wie sie zu einem besseren Leben kommen. Und wenn ihre Erfahrung der allgemeinen Ansicht widerspricht, stellen sie lieber ihre eigene Erfahrung in Frage, das ist billiger.
Zu den Träumen: Ich glaube auch nicht, dass es wahre und falsche Träume gibt. Aber es gibt große und kleine Träume. Und die unterscheiden sich von einander (aber auch die kleinen Träume sind wichtig).
Gemeint sind die von den meisten Menschen in unserer Kultur unhinterfragt geteilten Weltanschauungen, welche heute in der Regel von der Wissenschaft geprägt sind.
(24.12.2010, 01:02)ricky_ho schrieb: [ -> ]Gemeint sind die von den meisten Menschen in unserer Kultur unhinterfragt geteilten Weltanschauungen, welche heute in der Regel von der Wissenschaft geprägt sind.
Dann darf man
diese Dogmen aber nicht mit "wissenschaftliche" näher beschreiben, weil sie nicht von der
Wissenschaft aufgestellt werden, sondern von der Gesellschaft. Denn das ist irreführend und zieht die Wissenschaft in den
Dreck.
Aber ich würde nicht sagen:
"von den meisten Menschen in unserer Kultur"
70% der Bevölkerung in Deutschland bezeichnen sich als religiös (und gehören einer der Religionsgruppen an), laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung, die zwar schon 3 Jahre alt ist, aber immer noch mehr oder weniger Aktualität besitzt. Somit sind die Weltanschauungen eher durch die Religionen geprägt als durch die Wissenschaft.
Das Thema haben wir hier schon öfter ausführlich diskutiert, ich empfehle
diesen Thread (hier ist das offtopic).