(24.11.2011, 18:52)spell bound schrieb: [ -> ] (24.11.2011, 18:34)ricky_ho schrieb: [ -> ]Ich verstehe unter dem rationalen Bewusstsein die in unser Kultur an der Oberfläche vorherrschende Struktur des Wachbewusstseins.
verstehe. aber damit ist dein begriff von ration ebenso historisch und damit ziemlich eingeschränkt, wie z.b. der begriff von rechtsextremismus.
Ich glaub da hab ich mich missverständlich ausgedrückt. Was ich sagen wollte ist, dass ich denke, dass in unserer Kultur derzeit die rationale Bewusstseinsstruktur dominiert (unser Bewusstsein, nicht unser Verhalten). Diese Struktur seh ich aber schon als inhaltlich bestimmt an und nicht durch die Tatsache, dass sie derzeit vorherrscht.
Zitat:würden die menschen z.b. einen bewusstseinswandel dahingehend erleben, dass bisher unbewusstes nun bewusst wird, wäre der begriff der rationalität hinfällig oder müsste neu definiert werden.
Nein, ich würde sagen, dann wäre die rationale Bewusstseinsstruktur nicht mehr die dominierende. Es käme dann etwas neues, das das rationale Bewusstsein integriert, wenn alles klappt, oder aber unterdrückt, wenn es schiefläuft.
Man könnte heute z.B. diskutieren, ob viele Probleme nicht daher rühren, dass die rationale Struktur dabei versagt hat, die vorigen Strukturen zu integrieren, weil es sie stattdessen als irrational unterdrückt (ins Unbewusste), und desweiteren die weitere Entwicklung zum postrationalen blockiert, weil es mit dem prärationalen als irrational gleichgesetzt wird.
Zitat:ich denke es ist ungerecht, das unbewusste mit zum definiens der ratio zu machen, man sollte sie eher inhaltlich bestimmen, als faktisch.
Ich denke eigentlich schon, dass ich die rationale Bewusstseinsstruktur inhaltlich definiere. Was jetzt nicht heisst, dass ich so eine Definition liefern könnte, aber Stichworte sind Kausalität, Logik, Objektivität. Ein Gerichtetsein auf eine dreidimensionale Aussenwelt. Zeit & Raum. Davon ist das rationale Bewusstsein bestimmt. Das wäre doch eine inhaltliche Definition oder?
Zitat:mit der integration sprichst du das an, was ich meine: nicht ist alles eigentlich rational, auch wenn wirs noch nicht wissen, sondern die rationalität ist nicht im widerspruch zu dem, was du z.b. vorrational nennst, sondern damit vereinbar.
Absolut! Was aber grade Menschen, die sich für besonders rational halten, ja oft strikt ablehnen. Ich denke beispielhaft zeigt sich das in dem Konflikt zwischen Spiritualität und Wissenschaft.
Vielleicht ist das Problem aber auch einfach, dass wir die rationale Bewusstseinsstruktur noch gar nicht richtig entwickelt haben. Das heisst auch integriert haben.
Wilber sieht es so, dass die Entwicklung immer so abläuft, dass zunächst differenziert wird, was vorher diffus undifferenziert war, und dann die so differenzierten Teile integriert werden. Das Ergebnis ist eine neue Struktur. Nun hat die Aufklärung den einen Teil des Prozesses erfolgreich abgewickelt und Kunst, Wissenschaft und Ethik differenziert. Dann aber erfolgte nicht die Integration dieser drei zu einer neuen Struktur, sondern die Wissenschaft unterdrückte die anderen beiden, setzte sich als Alleinherrscher ein und seit dem sitzt sie nun da und erklärt alles, was sie nicht erklären kann, als nicht-existent, unwichtig, falsch usw...
So gesehen leben wir derzeit nicht wirklich in der voll entwickelten rationalen Bewusstseinsstuktur, sondern in einem Zerrbild davon, und die Frage ist, ob dieser Entwicklungsschritt doch noch erfolgreich vollzogen werden kann oder aber das Ganze hier nun endet und abstirbt.
Zitat: allerdings würde ich das auch wiederum nicht so entwicklungstechnisch deuten als vor- oder nachrational. was sollte eigentlich postrational sein? hast du n beispiel? ich fürchte ja, jetzt wirds wieder um mystik gehen...
Wie gesagt, derzeit leben wir in einer rationalen Kultur (egal ob jetzt "gesund" oder "krank"). Ich denke, diese hat sich aus vorigen Kulturen, deren Bewusstseinsstruktur eine andere war, entwickelt. Da gibts viele Modelle bzw. Abstufungen, Gebser z.B. nennt die archaische, magische, mythische, rationale, integrale Struktur, und er beschreibt sie auch inhaltlich. Eine ähnliche inhaltliche Beschreibung dieser Strukturen sind die Leary/Wilson-Schaltkreise. Oder das AQAL-Modell von Wilber.
Für mich ist die Darstellung der Entwicklung von der archaischen bis zur rationalen plausibel und nachvollziehbar. Ich sehe nun keinerlei Grund, anzunehmen, dass die Struktur, in der wir uns jetzt befinden, die letzte sein soll. Höchstwahrscheinlich ist jede Kultur davon ausgegangen, dass sie das Ende der Entwicklung war.
Inhaltlich kann ich zu der nächsten Entwicklungsstufe nicht viel sagen. Verschiedene Autoren schreiben dazu, wie sie sich das vorstellen (auch Learys / Wilsons Schaltkreise gehen ja über den rationalen Schaltkreis hinaus), manche sagen, Leute wie Buddha oder Jesus hätten möglicherweise schon "höhere" Bewusstseinsstrukturen erreicht gehabt.
Zitat:was du hier beschreibst als zurechtlegung rationaler erklärungen läuft im grunde auf rationalisierungen hinaus, die zwar mit rationalen mitteln arbeiten, allerdings an gewissen punkten doch falsche prämissen setzen.
Ja, ich denke das ergibt sich jetzt auch aus dem was ich geschrieben habe, dieser Drang, alles zu rationalisieren, folgt eben genau daher, dass die Integration nicht funktioniert hat und nun alles nichtrationale als falsch angesehen wird. Darum werde die nichtrationalen Anteile unseres Bewusstseins nicht akzeptiert, wenn wir sie nicht irgendwie rationalisieren können.
Zitat:insgesamt aber kein gegenargument gegen die rationale erklärung dessen, was man bisher nicht versteht.
Aber ist die Behauptung, irgendwann könne man alles rational erklären, denn überhaupt falsifizierbar?
Zitat:ich würde hier ja schon daran zweifeln, ob man sich diese frage dann tatsächlich stellt. - was bedeutet es, sich eine frage zu stellen?
Nein, da hast du recht, so gesehen hab ich mich nie wirklich gefragt, was die Gründe meines Verhaltens sind. Ich hab mich einfach nur gewundert, dass ich sie nicht weiss. Du willst vielleicht darauf hinaus, dass ich, wenn ich der Frage nachgegangen wäre, vielleicht darauf gestossen wäre, dass das für anderes Verhalten genauso gilt.