ahoi,
hier darf nun also nach herzenslaune ueber "paraphilien" jeglicher art diskutiert und sich die köpfe eingeschlagen werden.
was meine ich damit überhaupt? ich meine es zuerst möglichst wertneutral. also jegliches vom geltenden standard sexueller praktiken und vorlieben abweichende. wenn ihr dafuer ein besseres wort als "paraphilie" findet - da mir dieses zu pathologisierend wirkt - dann wäre ich euch dankbar.
denn gerade dieser aspekt ist hier thema: die pathologisierung oder gar kriminalisierung von abweichendem sexualverhalten - inwiefern sind die gründe dafür moralische denkblockaden, angst vor dem fremden, usw., oder tatsächlich auch mal gerechtfertigt?
bei der analyse dieses problems sollte man die einzelnen begriffe, wie ich finde, in ihren verschiedenen bedeutungsebenen auseinandernehmen. dann sieht man, dass manche bedeutungsebenen vielleicht zu verurteilen, andere nicht zu verurteilen, ganz andere wiederum neutral zu betrachten sind; und vielleicht sieht man dann sogar, dass sich manche begriffsdimensionen widersprechen, sodass man sie eher voneinander trennen sollte.
hier ein paar allgemeine thesen zum thema:
- als verurteilenswert kann im sexuellen kontext gelten, personen oder andere empfindungsfähige wesen zu schaden.
- was aber als schaden gilt, ist garnicht so eindeutig. man könnte sagen, es ist prinzipiell die einschränkung von interessen der betroffenen, worunter also auch körperliches und psychisches leid zählt.
- was diese interessen aber sind, ist noch weniger eindeutig. auf der körperlichen seite vielleicht noch eher als auf der psychischen. hier sollte die genese des jeweiligen interesses im konkreten fall genauer betrachtet und dekonstruiert werden. denn, so meine these, manches psychische leid ist bloß konstruiert, anderes hingegen wird verdrängt. es ist wichtig, das zu berücksichtigen.
"inzest" eignet sich hier doch ganz gut als konkreterer einstieg, da es in einem anderen thread gerade off the topic angeschnitten wurde.
was bisher geschah:
owa:
dreamweaver:
owa:
jetzt noch ein paar ideen von mir dazu:
- als negative folge von inzest wird einerseits ein verkrüppeltes kind betrachtet. gehen wir aber mal davon aus, dass verhütung moralisch vertretbar und auch praktisch machbar ist, dann ist dieser einwand schonmal völlig verschwunden.
- dann kommt wiederum die idee des missbrauchs: machtgefälle durch familiäre hierarchien oder durch zu großen altersunterschied würden missbrauch zu sehr begünstigen. ersteren fall kann man gesondert unter pädophilie behandeln.
aber auch das betrifft nicht jegliche form dessen, was man unter inzest verstehen kann. und allein die begünstigung von machtmissbrauch ist übrigens auch bloß relevant für schutzgesetze, nicht aber für generelle verurteilungen, da diese ja noch keinen faktischen machtmissbrauch bedeuten müssen.
- ausserdem: wenn man sicherstellen kann, dass verwandte in keinen besonderen abhängigkeitsverhältnissen zueinander stehen, ist das argument auch an seine grenzen gelangt. und was ist das eigentlich für eine verhältnismäßigkeit?: geschwister stehen vermutlich sogar weit weniger in abhängigkeitsverhältnissen zueinander als ehepartner.(!)
krassere thesen:
- eben gesagtes deutet übrigens darauf hin, dass die ganz normalen zustände im sexualleben durchaus gefährlicher und sogar faktisch schwerwiegender sein können, als angeprangerte paraphilien.
- gerade die gesellschaftliche akzeptanz eines ganz normalen wahnsinns macht blind für den schaden, den er anrichten kann, und umgekehrt konstruiert oder verstärkt gerade die moralische verteufelung von paraphilien erst angebliche schädigungen.
the other way 'round (wir wollens ja gleich mal übertreiben):
- man kann auch so argumentieren: heteronormativität schränkt menschen in ihrer freien sexuellen entfaltung ein, indem sie auf bestimmte wenige vorlieben und praktiken beschränkt werden.
auch wenn man nun sagt, man hätte ja die freie wahl oder es sei alles genetisch bedingt: nein, die sozialisation (wie ein trauma) hat einen bedeutenden anteil dabei, zu prägen (konditionierung), worauf man steht, was man widerwärtig findet, und wozu man sich traut - nicht nur im tun, sondern letztlich auch im denken und fühlen. - das nennt man dann auch verdrängung. natürlich hab ich hier noch garnichts bewiesen, aber ich will ja auch mal krass sein, dass man drüber nachdenken kann und so: kindheitstraumata sind üblich. nein, hier spricht nicht sigmund freud, hier spricht allenfalls alice miller.
- das übliche bild und die übliche praxis und institutionalisierung (ehe, partnerschaft) von sex ist extrem von gewalt geprägt: herabwürdigung und nötigung der frau (v.a. stumpfe pornographie), verstumpfung und nötigung (not-geilheit) des mannes, moralisierung oder kommerzialisierung von sex, überhöhte ansprüche an sex bzw. an die beteiligten, sex als ersatzhandlung, usw. (und ich hab hier sowas wie "normale" vergewaltigungen bewusst nicht erwähnt, weil ich glaube, es geht noch tiefer..)
- und daraus entsteht dann die "aufgeklärte gesellschaft". ich glaube vielmehr an die macht der traditionslastigen mehrfach-moral und der wiederholung von kindheitstraumata an den eigenen kindern. alleine schon eine notwendigkeit zu schutzgesetzen zeigt mir sehr deutlich, dass wir es nicht weit gebracht haben..
es gibt sicher noch vieles mehr zu sagen, aber das erfahrt ihr beim nächsten mal.
bis dann, eure spell
hier darf nun also nach herzenslaune ueber "paraphilien" jeglicher art diskutiert und sich die köpfe eingeschlagen werden.
was meine ich damit überhaupt? ich meine es zuerst möglichst wertneutral. also jegliches vom geltenden standard sexueller praktiken und vorlieben abweichende. wenn ihr dafuer ein besseres wort als "paraphilie" findet - da mir dieses zu pathologisierend wirkt - dann wäre ich euch dankbar.
denn gerade dieser aspekt ist hier thema: die pathologisierung oder gar kriminalisierung von abweichendem sexualverhalten - inwiefern sind die gründe dafür moralische denkblockaden, angst vor dem fremden, usw., oder tatsächlich auch mal gerechtfertigt?
bei der analyse dieses problems sollte man die einzelnen begriffe, wie ich finde, in ihren verschiedenen bedeutungsebenen auseinandernehmen. dann sieht man, dass manche bedeutungsebenen vielleicht zu verurteilen, andere nicht zu verurteilen, ganz andere wiederum neutral zu betrachten sind; und vielleicht sieht man dann sogar, dass sich manche begriffsdimensionen widersprechen, sodass man sie eher voneinander trennen sollte.
hier ein paar allgemeine thesen zum thema:
- als verurteilenswert kann im sexuellen kontext gelten, personen oder andere empfindungsfähige wesen zu schaden.
- was aber als schaden gilt, ist garnicht so eindeutig. man könnte sagen, es ist prinzipiell die einschränkung von interessen der betroffenen, worunter also auch körperliches und psychisches leid zählt.
- was diese interessen aber sind, ist noch weniger eindeutig. auf der körperlichen seite vielleicht noch eher als auf der psychischen. hier sollte die genese des jeweiligen interesses im konkreten fall genauer betrachtet und dekonstruiert werden. denn, so meine these, manches psychische leid ist bloß konstruiert, anderes hingegen wird verdrängt. es ist wichtig, das zu berücksichtigen.
"inzest" eignet sich hier doch ganz gut als konkreterer einstieg, da es in einem anderen thread gerade off the topic angeschnitten wurde.
was bisher geschah:
owa:
Zitat:Es ist auch nicht besonders schwierig. Ich wollte lediglich darauf hinaus, dass in den in den westlichen Ländern vorherrschenden Moralvorstellungen eben Homosexualität aufgrund von Erwägungen anerkannt ist, mit denen man eigentlich auch Inzest anerkennen müsste. Und umgekehrt ist Inzest hier sogar strafrechtlich verboten, aufgrund von Erwägungen mit denen man ohne weiteres auch das Ausleben von Homosexualität verbieten müsste. Ein Widerspruch, eine Inkonsistenz, nicht infrage gestellt aufgrund von religiöser, erzieherischer und gesellschaftlicher Indoktination, die mir ehrlich gesagt ziemlich übel aufstößt.
dreamweaver:
Zitat:Wie ich mir schon gedacht hatte, verstehe ich das wirklich nicht. Welche Erwägungen sollen das sein? Homosexualität hat nichts mit dem Schutz von Minderjährigen zu tun, das Inzest-Thema größtenteils schon. Einerseits findet der Inzest nämlich oft mit Minderjährigen in Abhängigkeitsverhältnissen statt, die ich definitiv als schützenswert erachte, andererseits kann bei inzestuösen Beziehungen im Erwachsenen-Alter ein Kind entstehen, das genetisch benachteiligt ist und davor ebenfalls geschützt werden sollte. Insofern ist das schon ein anderes Thema als Homosexualität.
owa:
Zitat:Was die Inzest-Sache betrifft erläutere ich das gerne noch genauer. Aber nicht mehr heute. Vorrausgeschickt sei jedoch, dass ich es zumindest für äußerst problematisch halte, wenn man - wie du - sagt, dass ein Kind vor einer genetischen Benachteiligung (*laut hust*) "geschützt" werden sollte, indem man meint, dass es besser gar nicht erst geboren werden sollte (durch ein Verbot von inzestuösen Beziehungen).
jetzt noch ein paar ideen von mir dazu:
- als negative folge von inzest wird einerseits ein verkrüppeltes kind betrachtet. gehen wir aber mal davon aus, dass verhütung moralisch vertretbar und auch praktisch machbar ist, dann ist dieser einwand schonmal völlig verschwunden.
- dann kommt wiederum die idee des missbrauchs: machtgefälle durch familiäre hierarchien oder durch zu großen altersunterschied würden missbrauch zu sehr begünstigen. ersteren fall kann man gesondert unter pädophilie behandeln.
aber auch das betrifft nicht jegliche form dessen, was man unter inzest verstehen kann. und allein die begünstigung von machtmissbrauch ist übrigens auch bloß relevant für schutzgesetze, nicht aber für generelle verurteilungen, da diese ja noch keinen faktischen machtmissbrauch bedeuten müssen.
- ausserdem: wenn man sicherstellen kann, dass verwandte in keinen besonderen abhängigkeitsverhältnissen zueinander stehen, ist das argument auch an seine grenzen gelangt. und was ist das eigentlich für eine verhältnismäßigkeit?: geschwister stehen vermutlich sogar weit weniger in abhängigkeitsverhältnissen zueinander als ehepartner.(!)
krassere thesen:
- eben gesagtes deutet übrigens darauf hin, dass die ganz normalen zustände im sexualleben durchaus gefährlicher und sogar faktisch schwerwiegender sein können, als angeprangerte paraphilien.
- gerade die gesellschaftliche akzeptanz eines ganz normalen wahnsinns macht blind für den schaden, den er anrichten kann, und umgekehrt konstruiert oder verstärkt gerade die moralische verteufelung von paraphilien erst angebliche schädigungen.
the other way 'round (wir wollens ja gleich mal übertreiben):
- man kann auch so argumentieren: heteronormativität schränkt menschen in ihrer freien sexuellen entfaltung ein, indem sie auf bestimmte wenige vorlieben und praktiken beschränkt werden.
auch wenn man nun sagt, man hätte ja die freie wahl oder es sei alles genetisch bedingt: nein, die sozialisation (wie ein trauma) hat einen bedeutenden anteil dabei, zu prägen (konditionierung), worauf man steht, was man widerwärtig findet, und wozu man sich traut - nicht nur im tun, sondern letztlich auch im denken und fühlen. - das nennt man dann auch verdrängung. natürlich hab ich hier noch garnichts bewiesen, aber ich will ja auch mal krass sein, dass man drüber nachdenken kann und so: kindheitstraumata sind üblich. nein, hier spricht nicht sigmund freud, hier spricht allenfalls alice miller.
- das übliche bild und die übliche praxis und institutionalisierung (ehe, partnerschaft) von sex ist extrem von gewalt geprägt: herabwürdigung und nötigung der frau (v.a. stumpfe pornographie), verstumpfung und nötigung (not-geilheit) des mannes, moralisierung oder kommerzialisierung von sex, überhöhte ansprüche an sex bzw. an die beteiligten, sex als ersatzhandlung, usw. (und ich hab hier sowas wie "normale" vergewaltigungen bewusst nicht erwähnt, weil ich glaube, es geht noch tiefer..)
- und daraus entsteht dann die "aufgeklärte gesellschaft". ich glaube vielmehr an die macht der traditionslastigen mehrfach-moral und der wiederholung von kindheitstraumata an den eigenen kindern. alleine schon eine notwendigkeit zu schutzgesetzen zeigt mir sehr deutlich, dass wir es nicht weit gebracht haben..
es gibt sicher noch vieles mehr zu sagen, aber das erfahrt ihr beim nächsten mal.
bis dann, eure spell
Bin nicht mehr hier, aber noch erreichbar.
Bitte keine coronaleugner
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