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Im Hostel

Im Hostel
#1
29.04.2008, 08:44

Es regnet und die Stadt riecht nach einem Fluss. Trotz dicken Wolken schafft die Sonne rauszublicken und den ganzen Horizont mit einem intensiven Gelb bemalen. Wir schauen uns gegenseitig an.

Im Hostel ist keiner da. Es ist still. Allein sitze ich auf dem Sofa und die Dunkelheit umarmt mich sanft von allein Seiten. Erstaunlich still ist es hier. So lautlos wie mein Gefühl für das Geheimnis des Geschehens. Nach und nach eröffnen sich die Türen, die Welten entfalten sich von meinen geistigen Augen, um zu verkünden, dass der Geist sich an die innere Sonne wendet. Die Autos schwimmen platschend durch den Fluss der Strasse und das künstliche Laternenlicht fällt durch das Fenster in mein Zimmer.

Obwohl es keiner da ist, obwohl ich allein in der fremden Stadt auf dem Sofa sitze, erlebe ich wie intensiv die Umgebung gefüllt ist. Als würde die Dunkelheit höchstpersönlich zu mir reden. Jedoch ist es still. Als würde sie mir einen unglaublichen dreidimensionalen Film vorführen. Jedoch ist es finster. Das Paradies auf der Erde befindet sich in einem kleinen Hostel, auf dem alten Sofa, in einer einsamen Gesellschaft.

Die Annäherung geschieht ohne Bewegung. Darum ist die Bewegung so unsinnig. Wohin ich nun blicke, was ich bloß augen blicklich erahne, dies alles bereitet sich vor, alles breitet ihre Kostbarkeiten aus, vorführt sich selbst auf eine überaus intime Art und Weise. Die Uhr an der Wand hält einen Rhythmus und die vorbeischwimmenden Autos lassen das Licht ihren Scheinwerfer auf den schrägen Wänden tanzen.

Dankbar betrete ich die Bühne. Dankbar für diese Inszenierung lausche ich der Dunkelheit auf dem Sofa. Dankend betrachte die eingefrorene Stille. Die Stehlampe wackelt auf ihrem dünnen Fuß, wenn ich mich bewege und nickt dabei nachdenklich mit ihren einäugigen Kopf. Sie bleibt uneingeschaltet, denn dort wo ich sitze bedarf man keinerlei Beleuchtung.
Es gibt Momente im Leben, für die man wirklich lebt. Diese Momente sind erfüllt mit Vollkommenheit, sie entspringen vollendet aus den Händen eines unsichtbaren Zauberers. Und diese Augenblicke sind unteilbar. Keiner wird jemals in der Lage sein nur ein Hauch von dem Wunder im Hostel mitzukriegen. Keiner wird erleben, wie atemberaubend die Landschaft der Dunkelheit sein kann.

Aus dem Nachbarraum ertönen die Stimmen. Frauen verabschieden sich, sie zwitschern fröhlich durcheinander, zufrieden mit einem gelungenen Yogakurs. Der Raum wird abgeschlossen, die Stimmen zwitschern weiter auf der Strasse und werden nach und nach von ihrer Fluss weggetragen. Das alte Sofa akzeptiert meine Verweilung bedingungslos.
Noch nie war die Stille so hautnah zu spüren. Noch nie war die Illumination so einfach, so schlicht und doch so selbstverständlich bestimmend anvertraut. Ein Flugzeug fliegt über die Dächer, seine Stimme wird tiefer und tiefer.
Alles begann mit einem Tod


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Re: Im Hostel
#2
29.04.2008, 08:47
[+] 1 User sagt Danke! Don Rinatos für diesen Beitrag

Ich übernehme seine Frequenz und schaue versenkt hinein. Durch die Zeitung und Getränke, durch die Brille und schlafende Gesichter… nichts bleibt mir verborgen! Die Dunkelheit des Hostels bin ich, entspringe aus seiner Stille, erfülle jede auch nur so kleine Ecke und schwappe in den Straßenfluss heraus. Gehüllt im Mantel der Dunkelheit wandere ich durch die Strasse der fremden Stadt. Jeden Schatten bittet mir ein Halt und die Menschen erschauern sich, wenn sie in meine Augen blicken.

Die Dunkelheit lenkt mich zu einem Haus. Eine grüne Tür und eine schmale Treppe führen mich hoch. Die Hausbesitzer schlafen. Sogar im Traum zucken sie sich zusammen, wenn ich vorbeischwebe. Ein Kinderzimmer. Das Mädchen. Es ist krank. Ein Schrank voller Medikamente. Viele Nebenwirkungen, jedoch keines davon hilft wirklich. Ich mache mir gemütlich auf einem Sessel, dem Kinderbett gegenüber. Hier werden am Abend die Geschichten vorgelesen. Ich schaue die Stille an. Ein Kater springt von irgendwo runter und kuschelt sich an meinen Beinen. Endlich hat jemand keine Angst von mir. Ich streichele ihn, doch meine Hand berührt nur die Leere. Der Kater fängt an zu brummen.

Die Tür im Hostel geht auf und ein Gast betritt das Zimmer. Er ist neu hier und schaut sich die Räumlichkeiten an. Ich schalte das Licht ein. Wir reden einwenig, der Gast verabschiedet sich und ich bleibe wieder allein. Eine willkommene Abwechslung! Denn inzwischen hat sich dieser frecher grau-weiße Kater auf meinem Schoß breit gemacht und zieht seine Krallen lang. Ich stehe auf, bewege mich durch ihn durch, nähre mich dem Bett an.

Der Regen hört plötzlich auf, so dass ich sogar stehen bleiben muss. Durch die Arterien fließe ich bis zum Herz. Stopp! Die Dunkelheit wird noch finster. Das Mädchen wird es nicht lange schaffen. Ihre Arterien sind verstopft.

Die Dunkelheit stößt mich ab. Die Stille wird unterbrochen und ich schaue mir die Wände des Hostels an. Ich kenne den Weg. Ich kenne das Haus. Soll ich jetzt rausgehen? Soll ich rausgehen und dort klingeln? Soll ich ihren Eltern die Ursache der Krankheit erzählen? Meine Gedanken schwatzen durcheinander, wie die Frauenstimmen nach einem gelungenen Yogaunterricht. Es macht kein Sinn.

Ich schaue die Stehlampe an, sie nickt. Ich werde nie erfahren, wer dieses Mädchen war. Die Dunkelheit legt sich hin und ich lächele zufrieden mit der Stille. Ihre kräftigen Hände packen mich an den Oberkörper und ich warte ab. Ein Motorrad! Ein Motorrad fährt unten an den Fenstern des Hostels vorbei, seine Stimme ist ein perfekter Träger. Ich sitze hinter dem Fahrer und spüre, wie ungemütlich er sich dabei fühlt. Die Strasse! Ich springe ab und werde vom Kater persönlich empfangen. Er ist nicht mehr so entspannt wie vorher, rennt durch die Katzentür rein und raus. Schnell!!! Durch die grüne Tür und dann die schmale Treppe hoch! Das Mädchen schläft noch, es lebt noch. Der Kater schaut mich fragend an. Es ist nicht meine Aufgabe, mein Lieber. Alles hat seine Berechtigung. Ich setze mich wieder in den Sessel. Das schmerzt bestimmt... Ich fange an die Ablagerungen zu essen. Das Mädchen schreit, die Eltern wachen auf und klopfen an ihrer verschlossenen Tür. Spontan unterdrücke ich den Würgreflex, puh… ganz schön ekelig! Der Vater schafft es endlich, die Tür aufzubrechen, seinen Gesichtsausdruck will ich nicht mehr sehen, ich bin dieser Dunkelheit satt und schalte elektrisches Licht ein.
Alles begann mit einem Tod


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Re: Im Hostel
#3
18.05.2008, 11:08
schön, werter Don, schön!
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Re: Im Hostel
#4
19.05.2008, 20:36
(-_-)
Alles begann mit einem Tod


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