Ok, also zunächst mal finde ich es schon mal hilfreich, dass wir den Aspekt der vorsätzlichen Tötung Unschuldiger weggelassen haben
Für mich persönlich bräuchte man die Frage
"Wen magst Du lieber?"
nicht in solcherlei Extremszenarien zu verpacken. Ich könnte sie vermutlich für jegliche Auswahl von mir bekannten Personen jederzeit beantworten - muss allerdings betonen, dass es sich dabei stets um eine Momentaufnahme handeln würde.
Im allgemeinen, mag ich die Menschen am liebsten, die mir in letzter Zeit am wenigsten auf den Geist gegangen sind
(Und die Liste derjenigen, die mich a.A.l.k., wird jeden Tag länger
)
Zum Aspekt des Entscheidungsfähigkeits-tests:
Selbst wenn er (je nach gewähltem Szenario) nicht unbedingt menschenunwürdig sein muss - zielführend, d.h. aussagekräftig ist er deshalb noch lange nicht, wie sich anhand von Erkenntnissen der neueren Hirnforschung darlegen lässt.
Welches meiner Kinder würde ich retten?
(Mit der Ergänzung, dass ich mir einen Arm gebrochen habe, sonst würde ich sie nämlich alle drei packen
)
Was auch immer ich hier gemütlich am Laptop dazu eintippe und immer wieder durchlese (bei owa als Gesprächspartner noch ein paarmal öfter als sonst
) - daran ist in hohem Maße meine Großhirnrinde (Verstand, Ratio, Cognition , ...) beteiligt.
Wenn sie auch nicht die endgültige Entscheidung trifft, so geschieht das, was Rhetor tippt, doch zumindest im Einvernehmen mit seiner Großhirnrinde. (Außer wenn "ES" passiert, dass ich z.B. polemisch werde, dann kann ich mich darauf berufen, dass "ICH" das eigentlich gar nicht schreiben wollte - das war dann mein Mittel- und Stammhirn in Eigenregie
)
Vermutlich nicht:
... würde ich ein Kind retten, weil es mir (momentan gerade) das liebste wäre. Das empfände ich (hier am gemütlichen Schreibtisch!) als ungerecht.
Vielleicht
- ... würde ich das Kind schnappen, das ich als erstes erwische, und mir einbilden, ich hätte noch Zeit für weitere Rettungsdurchgänge.
(Selbst wenn es den Tatsachen entspräche, dass die Zeit auf einen Durchgang beschränkt ist, wäre das sichere Wissen um diese Tatsache doch eine realitätsferne Konstruktion, wie Harald schon bemerkt hat.
Und selbst davon abgesehen wäre es (WISSEN!) immernoch eine Angelegenheit meiner Großhirnrinde - dazu gleich mehr.)
- ... würde ich in Panik vor dem Feuer schreiend davonrennen und kein Kind retten.
- ... würde ich es nicht fertigbringen, zwei meiner Kinder im Feuer zurückzulassen, und würde mit allen dreien zusammen verbrennen.
Somit haben wir die drei Varianten Angriff, Flucht und Totstellen (wobei bei der dritten noch diverse Brutpflege-Instinkte hineinspielen mögen) - alle drei im Mittel- und Stammhirn angesiedelt und dem Entwicklungsstand der frühen Säugetiere bzw. der Reptilien entsprechend.
Ich (d.h. Rhetors Großhirnrinde) kann nicht mit sagen, welcher Instinkt sich durchsetzen würde.
Für solch ein Durchschlagen von diesen entwicklungsgeschichtlich älteren Verhaltensreaktionen bedarf es aber gar nicht mal eines solchen Leben-und-Tod-Szenarios.
Und genau deshalb, glaube ich, ist ein derartiger Test der Entscheidungsbereitschaft nicht aussagekräftig.
Denn es reicht möglicherweise schon eine ganz "normale" Entscheidungssituation unter Stress und Zeitdruck, und der hoffnungsvolle Jungmanager, der beim Test noch ganz cool seinen Vater erschossen und sein liebstes (/jüngstes/klügstes/...) Kind gerettet haben wollte, erstarrt wie das Kaninchen vor der Schlange;
oder holt zu einem lose-lose Rundumschlag aus;
oder versucht die Verantwortung auf seine Mitarbeiter oder seine Vorgesetzten abzuschieben - Totstellen, Angriff, Flucht, wie sie sich eben bei unseren tierischen Vorfahren Jahrhunderttausende lang einspielen und bewähren konnten.
Darüber, ob jemand angesichts einer Extremsituation trotzdem noch in der Lage sein würde, seinen Verstand mit einfließen zu lassen, sagt der Test nämlich meiner Meinung nach gar nichts aus.
(Andererseits hält der Psychoanalytiker in mir dagegen, dass mir solcherlei Tests vielleicht einfach nur unsympathisch sind aus mir unbewussten, in meiner Kindheit ankonditionierten Gründen, und ich sie daher möglichst durchdacht zu diffamieren suche
)
Wie auch immer ...
hochachtungsvoll,
Rhetor