(09.05.2010, 13:50)spell bound schrieb: Über die Klarheit des Klarträumens
Bekanntlich verbinden nicht wenige Oneironauten mit dem Klarträumen hehre Ideale - ganz ähnlich, und oft auch im Zuge anderer spiritueller Programme - von geistiger Erkenntnissteigerung, dem Weg des Anti-Ego auf seiner Befreiung vom gehässigen Ego durch die Geschichte der Reinkarnationen und seiner Erfolgsstufen, dem Fortschreiten des Bewusstseins bis hin zu seiner ekstatisch-asketischen Auflösung im heißgeliebten Nirwana - oder in der postaufklärerischen, kollektiven Aufhebung der Menschheit zum Bewusstsein des Wassermanns, idealerweise noch irgendwann um 2012.
Wer das nicht so oder ähnlich begreift, macht sich aus dem Klarträumen oft gerne eine etwas weniger heroische Angelegenheit, die - und wenn sie nicht dem bloßen Akkumulieren geistiger Erkenntnisschnipsel dient, die zwar noch nicht die Welt oder das Selbst befreien, doch aber immerhin schon gutes Karma oder die Weichen zur weiteren Entwicklung für künftige indigo-Generationen anlegen - dann zumindest noch die ganz alltäglichen Anreize kennt, mithin ihre eigentlich sublimierten extremeren Ausprägungen, die eben in den Träumen und im Bewusstseinszustand des Träumens gern stärker zutage treten: Da soll der Klartraum dann noch wenigstens vor Ängsten schützen, Spaß und Abwechslung bereiten, die Phantasie anregen oder alltägliche Beschwerden heilen, im Ganzen sozusagen eine wirksame Entspannungskur, einen verklärten Urlaubsort des trocknen Alltags darstellen, oder wahlweise in spannenden, vielleicht sogar allweisheitlichen Stories nicht nur für die nötige Portion an Abenteuern sorgen, die ja sonst im Leben nicht so möglich scheinen, sondern gerne auch den geneigten Klartraumberichteleser in Verzückung - ja bitte Loblieder anstimmend - versetzen.
OK, bis hierhin habe ich es mir mal durchgelesen und bin nun motiviert, auch den Rest zu lesen
Das ist zunächst mal eine Bestandsaufnahme, würde ich sagen.
Es mag in satirischem Tonfall formuliert sein, aber letztlich würde ich es nichtmal als echte Satire durchgehen lassen, weil ein dafür wichtiges Element fast vollständig fehlt, nämlich die Übertreibung. (Ok, abgesehen vielleicht von Wassermann und 2012

)
Ja doch: GENAU SO präsentiert sich das Klarträumen im Klartraumforum.
Ok, ich les dann mal weiter ...
Edit:
@Orakel
Der nächste Absatz liefert doch eigentlich eine recht gut verständliche Anleitung, wie das Ganze zu verstehen ist:
Zitat:Nun aber kommen wir bereits zur psycho-analytischen (sofern man das Wort nur genau nimmt) Betrachtung dieses Dinges "Klarträumen", das wohl von Hobby bis Erleuchtungstechnik reicht, und doch in allen Abschattungen und Stufen zwischen diesen Polen gemeinsame psychische - ja bald psychotische - Strukturen aufweist. Wo es tatsächlich gerechtfertigte Abhandlungen über die Vorzüge und richtigen Geistesmodi der Klarträumerei gibt, ist es an dieser Stelle mein Ziel, gerade die beschränkten Geistesmodi auszuleuchten, und das heisst auch oft: die Beschränktheit in dem ganzen Programm der Klarträumerei selbst. Da dies nun vorwiegend als arrogante Polemik aufgefasst werden könnte, und wohl auch werden wird, und vielleicht auch ist, mag ich nur kurz anfügen, dass ich folgende Erkenntnisse vorwiegend und erster Hand aus meinem eignen Geist schöpfe, und von der so hehren intellektuellen Kritik der Kritik der Kritik nicht ausgeschlossen bleibe. Man könnte vielleicht auch einwenden, dass ich hier selbst intellektuell bloß Konstruktionen entwerfe, die eigentlich kaum mit dem zu tun haben, was in der Wirklichkeit des Forums oder des Geistes eines Klarträumers geschieht. Darauf entgegne ich nur: Ich spiele hier in der Tat, wage absonderliche Gedankengänge, die sicherlich in vielen konkreten Fällen entkräftet werden können, besonders, wenn man es nur "fest" genug will. Doch das Spiel hat ebenso einen Ernst, und dieser besteht vor allem darin, das Auge zu schulen für eine doch meist blinde Stelle, und so nehme sich ein jeder davon und daraus, was er verdient hat oder wenigstens, was er ertragen will.
Edit:
Ok, jetzt habe ich mir endlich den Text nochmal bis zum Ende durchgelesen.
Exzellent geschrieben und, wie ich finde, sehr treffend bis auf den letzten Absatz.
Den halte ich nämlich tatsächlich für ideologisch - und zwar nicht etwa primär luzidistisch, sondern für ganz banal freudianisch-psychoanalytistisch. Ich werde versuchen, das zu erläutern:
Nach meinem Verständnis scheinst Du zu glauben (und auch in dem Text zu unterstellen), dass grundsätzlich ALLES, was man sich nicht in voller Klarheit zu Bewusstsein führt, einen irgendwann einholt und man dann dafür büßen muss, dass man es vorher verdrängt oder sublimiert hat - seien es nun persönlich erlittene Traumata, oder das Wissen um die "geistige Beschränktheit und Leere", die wir alle teilen.
Weiter oben stellst Du neben allen möglichen anderen auch die psychoanalytische Betätigung IM Klartraum als Realitätsflucht, Stellvertretergefecht usw. dar, vertrittst dabei aber eben genau den psychoanalytischen Standpunkt, dass Realitätsflucht schädlich sei.
"Dem Schrecken im eigenen Kopf" müsse man sich stellen - so lautet der GLAUBE, das DOGMA, das auf einer (schon relativ verstaubten) Theorie beruht, die ursprünglich eigentlich dazu aufgestellt wurde um psychisch Kranke gesund zu machen und nicht um alle Menschen kathegorisch für krank (da sich ständiger Verdrängung und Sublimierung befleissigend) zu erklären.
Es ist nämlich ein Riesenunterschied ob man beobachtet, dass Verdrängtes in bestimmten Fällen psychische Probleme hervorrufen KANN, oder ob man dogmatisch behauptet, dass Verdrängung IMMER früher oder später zu psychischen Problemen führt.
Letzteres ist nichts als eine nicht im Mindesten bewiesene Theorie.
Trotzdem wird hier im Forum von vielen Usern stillschweigend der Grundsatz "Verdrängen schadet der Gesundheit" vorausgesetzt, als ob es sich dabei um eine ähnlich fundierte Behauptung handeln würde wie das, was man analog auf Zigarettenschachteln lesen kann.
Und selbst wenn genau so ein Fall vorliegt, bei dem auf der Hand liegt, dass die Probleme durch ein erlittenes Trauma verursacht werden, dann bleibt es immer noch ein GLAUBE, ein DOGMA, zu behaupten, die einzige (oder beste) Möglichkeit, die Probleme zu beheben, bestände in der "Aufarbeitung" durch Konfrontation mit dem traumatischen Erleben. Dabei gibt es durchaus auch erfolgreiche psychotherapeutische Ansätze (z.B. der systemische), die den Schlüssel nicht in der Beschäftigung mit der Vergangenheit sehen.
Aber selbst wenn man diesem psychoanalytischen Glauben anhängen mag, ist es immer noch sehr gewagt, die anhand von konkreten Traumata aufgestellte Theorie auf etwas zu übertragen, das ich mal probeweise unser "faustisches Trauma" nenne.
(Faust: "... und sehe dass wir nichts wissen können. Das will mir stets das Herz verbrennen" usw.)
Denn es kann ja sehr wohl auch sein, dass das "Wissen um die geistige Beschränktheit und Leere" zwar Dir, spell, und Faust und sicher auch vielen anderen einen "Schrecken im eigenen Kopf" verursacht - wiederum viele andere aber damit in natürlicher Akzeptanz leben ohne sich extra das Gehirn im Streben nach "Klarheit" zu verrenken.
Oder aber - wenn man nicht hoffnungslos von dem obigen freudianischen Dogma indoktriniert ist - könnte man sich auch Menschen vorstellen, die die geistige Leere und Beschränktheit ERFOLGREICH bis an ihr Lebensende verdrängen oder sublimieren.
Was kümmert es z.B. einen "Erleuchteten", wenn er sich streng philosophisch betrachtet eigentlich nur einbildet, erleuchtet zu sein? Solange er sich sein Leben lang so fühlt, ist doch alles gut (wenn man nicht mit irgendwelchen Jenseitsgeschichten anfangen will ...). Auch daran dass er dann vermutlich seine Illusion der Erleuchtung an die nächste Generation weitervermitteln wird, muss man nicht Anstoß nehmen. Wer sich mit solch einer Illusion nicht zufrieden geben will, der kann sich ohnehin nur aus eigener Kraft davon befreien, wenn - und das ist der entscheidende Punkt - er das will.
Ich behaupte: Trübheit in jeglicher Form kann auch gesund sein.
Klarheit und Wahrheit (in diesem Zusammenhang fast das Gleiche) taugen nur demjenigen was, der sie von sich aus anstrebt.
Es tut niemandem gut, wenn man versucht sie ihm aufzuzwingen.
Wer dem widerspricht, der ist ein Luzidist