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Realistische Bewusstseinsarbeit» Über den Klartraum hinaus

Realistische Bewusstseinsarbeit
#1
21.05.2025, 11:17 (Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 21.05.2025, 14:54 von ichbinmehr.)
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Realistische Bewusstseinsarbeit

Ich möchte gerne nochmal auf den Inhalt des Videos eingehen, welches ich hier verlinkt hatte.

Es handelt sich um: Set & Setting – Psychedelika: Die unbequeme Wahrheit.

Ich habe diesen Text auch im Hinblick auf die Probleme verfasst, die ich bei Klarträumern beobachtet habe – er passt jedoch ebenso gut zu den Schwierigkeiten, die ich in anderen Traditionen erkenne.

In diesem Video wird unter anderem über das Konzept der Somatischen Gefühlsbereitschaft gesprochen – ein Begriff, der mich besonders angesprochen hat.

Somatische Gefühlsbereitschaft bedeutet, dass der Körper (also das Nervensystem, die Muskulatur, der Atem usw.) bereit und in der Lage ist, bestimmte Gefühle wirklich zuzulassen, zu spüren und zu verarbeiten.

„Somatisch“ heißt körperlich – also geht es nicht nur darum, ein Gefühl kognitiv zu verstehen oder emotional zuzulassen, sondern darum, ob mein Körper das Gefühl wirklich halten kann, ohne in Stress, Abwehr oder Erstarrung zu verfallen.

Wenn zum Beispiel große Trauer, Angst oder sogar Freude aufsteigen, aber mein Körper nicht gelernt hat, mit diesen Zuständen umzugehen, kann das Nervensystem überfordert reagieren – etwa mit Spannung, Dissoziation oder Panik.

Somatische Gefühlsbereitschaft bedeutet also:

- Mein Körper ist durch Übung, Regulation und innere Sicherheit in der Lage,
- intensive Gefühle zu spüren,
- ohne sie abwehren zu müssen oder zusammenzubrechen.

Sie ist eine Voraussetzung dafür, dass tiefe emotionale Prozesse – zum Beispiel in Meditation, Therapie oder durch Psychedelika – wirklich integriert werden können, statt das System zu überfordern.

Ich denke, man kann vieles, was hier gesagt wurde, auch auf andere Bereiche übertragen – auf Klarträumen, auf Meditation, auf Satsang, ganz allgemein auf die Bewusstseinsarbeit mit der wir eine Veränderung erhoffen.

Das ist auch meine persönliche Erfahrung: Ich habe mich oft mental bereit gefühlt, aber im Laufe der Jahre immer wieder festgestellt, dass ich emotional noch gar nicht so weit war, bestimmte Dinge wirklich zu fühlen. Dafür braucht es oft eine gewisse innere Stabilität – und vor allem Zeit, um diese Themen zu verarbeiten und zu integrieren.

Im Rückblick sehe ich, dass ich mit einer großen Naivität an die Bewusstseinsarbeit herangegangen bin. Aber ohne diese Naivität hätte ich mich vielleicht gar nicht darauf eingelassen. Vielleicht ist diese Naivität sogar notwendig – wie eine Art Falle, in die man erst tappen muss, um sich auf den Weg zu machen. Ähnlich wie beim Verliebtsein: Anfangs sieht man alles durch die rosarote Brille. Erst später merkt man, dass eine Beziehung auch Arbeit bedeutet.

So ist es auch oft mit spiritueller Praxis: Ob es nun ums Klarträumen, Meditation, Astralreisen oder den Weg zur Erleuchtung geht – am Anfang gibt es oft eine Art „Honeymoon-Phase“. Man erlebt vielleicht einen besonderen Freiheitszustand oder ein Satori-Erlebnis, diesen einen super klaren Klarttraum und ist begeistert – fast wie verliebt. Wir kennen das alle. Doch was man zu Beginn meist noch nicht versteht: Der Weg ist oft lang und nicht immer leicht. Er kann steinig sein.

Ich erlebe es so, dass gerade die schwierigen Gefühle, die man lernen muss zu fühlen und zu integrieren, uns oft zu wichtigen Entscheidungen im Leben führen. Das braucht Zeit. Und deshalb empfehle ich allen, die sich ernsthaft auf diesen Weg einlassen wollen: Seht das Ganze ganzheitlich. Glaubt nicht, dass eine einzelne Methode – sei es Psychedelika, Klarträumen, Meditation – allein ausreicht. Wirkliche Veränderung braucht einen umfangreichen Werkzeugkoffer mit vielen Methoden.

Zum Beispiel die Idee, sich in der Meditation für Einsichten zu öffnen – das funktioniert nicht bei jedem gleich. Es gibt Menschen, die jahrelang meditieren und trotzdem das Gefühl haben, dass „nichts passiert“.
Ebenso wie es Menschen gibt, die Psychedelika nehmen und bei denen sich nichts verändert.

Meiner Meinung nach liegt das oft daran, dass der innere Boden – die emotionale Verarbeitungsfähigkeit – noch gar nicht vorbereitet ist. Dann passiert einfach nichts, keine tieferen Fortschritte, keine Integration. Vielleicht gibt es kurze Einsichten, aber keine nachhaltige Veränderung, weil die Fähigkeit fehlt, mit dem, was da hochkommt, umzugehen.

Und genau diese Grundfähigkeit muss man erst aufbauen. Dazu gehört emotionale Selbstregulation: Gefühle zulassen, fühlen, aushalten, verarbeiten. Dafür gibt es viele psychotherapeutische und traumatherapeutische Methoden, die einem wirklich helfen können. Alles greift dann ineinander wie Zahnräder.

Ich habe zum Beispiel sehr naiv mit Klarträumen und buddhistischen Meditationstechniken angefangen, ohne dass mein System dafür überhaupt bereit war. Ich hatte kleine Satoris, aber sie haben mich oft nur überfordert. Auf jedenfall konnte ich sie nicht festhalten. Es hat mich nicht befreit. Erst später – nach vielen Jahren Therapie – habe ich gelernt, mit mir selbst umzugehen, gerade in Momenten großer Verzweiflung oder innerer Not. Ich habe gelernt, dieser Not wirklich zu begegnen.

Ohne die therapeutischen Fähigkeiten, ohne Menschen, die mich anfangs begleitet haben, hätte ich das nicht geschafft. Durch die Co-Regulation in der Therapie habe ich erfahren: Es ist okay, bestimmte Gefühle zu haben. Zum Beispiel Trauer und Entsetzten über das, was ich in meiner Kindheit erlebt habe. Mein Nervensystem hat nach und nach gelernt, dass solche Gefühle da sein dürfen.

Das ist genau diese innere „Bremse“, von der auch der YouTuber von Set und Setting im Video spricht – und die man mit der Zeit lösen kann. Man kann sein Nervensystem schulen, Gefühle zuzulassen. Dafür braucht es nicht immer andere Menschen. Manches habe ich auch durch Bücher oder Videos gelernt. Es gibt viele Wege, sich diese Fähigkeiten anzueignen. Co- Regulation ist jedoch für viele Menschen eine wichtige Unterstützung damit das Nervensystem lernt sich auch in schwierigen emotionalen Zuständen sicher zu fühlen.

Ich glaube: Erst wenn wir gelernt haben, mit schwierigen Emotionen umzugehen, können Methoden wie Meditation, Klarträumen oder psychedelische Erfahrungen ihr volles Potenzial entfalten. Selbst große, intensive Glücksgefühle brauchen ein stabiles inneres Fundament – damit sie überhaupt auftauchen und bleiben dürfen.

>>> weiter zu Teil 2 >>>
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RE: Realistische Bewusstseinsarbeit
#2
21.05.2025, 11:39
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Aktuell beschäftige ich mich viel mit Advaita Vedanta, und auch dort sehe ich dasselbe Muster: Der innere Boden ist oft nicht vorbereitet. Das führt nicht selten zu ungesunden Entwicklungen.

Manche Menschen geraten in spirituelle Krisen oder rutschen ins sogenannte „spirituelle Bypassing“ – andere erleben einfach gar nichts. Und manchmal ist dieses „Nichts“ sogar ein Schutz: Besser, es passiert gar nichts, als dass das System in eine Überforderung gerät – so wie es bei mir damals war, als ich in eine psychotische Episode rutschte. Ich wollte mit aller Härte und Gewalt durch die Wand, habe alle Übungen gleichzeitig gemacht – aus einem tiefen Wunsch heraus, endlich zu befreien, zu durchbrechen. Ich habe eine große Fähigkeit zur Hingabe, das weiß ich heute. Aber damals war diese grenzenlose Hingabe an Meditationsübungen nicht im Gleichgewicht mit meiner inneren Stabilität. Und genau das war gefährlich.

Dieses Ausbleiben von Erfahrung ist also nicht unbedingt ein Scheitern – manchmal ist es eine gesunde Grenze des Nervensystems. Wir sollten uns deshalb viel stärker mit dem Zustand unseres Nervensystems beschäftigen. Denn es ist letztlich die Grundlage dafür, ob wir überhaupt offen sein können für innere Erfahrungen – und ob wir sie auch halten und integrieren können.

Dafür gibt es heute eine Vielzahl an Methoden: von körperorientierten Ansätzen wie Somatic Experiencing über Polyvagal-Theorie-basierte Übungen bis hin zu achtsamkeitsbasierter Körperarbeit und klassischer Traumatherapie.

Welche Methode für uns passt, hängt von der individuellen Geschichte ab – wichtig ist nur, dass wir unser Nervensystem nicht übergehen, sondern als zentrales Fundament in unsere spirituelle Arbeit einbeziehen.

Der Boden muss vorbereitet sein. Doch oft haben wir das nie wirklich gelernt. Wir verlieben uns in eine Methode – wie das Klarträumen – und hoffen, dass sie uns hilft. Aber wenn das innere Fundament fehlt, kommen wir nicht weiter oder rutschen sogar in ein Ungleichgewicht.

Bei mir war das ganz deutlich spürbar: Solange ich das Klarträumen einfach spielerisch erkundet habe, ohne den Anspruch, damit Heilung zu bewirken, funktionierte es. Ich konnte durch Wände gehen, fliegen, Dinge ausprobieren – es war spannend, lebendig, leicht. Doch in dem Moment, als ich begann, das Klarträumen gezielt für Heilung einsetzen zu wollen, hörten die Klarträume auf. Mein innerer Boden war nicht bereit. Und vielleicht wäre ich auch nicht stabil genug gewesen, mit dem umzugehen, was ich dort möglicherweise entdeckt hätte. Ich glaube, ich hätte mich darin verloren – denn es war auch eine Flucht. Eine Flucht aus dem Hier und Jetzt, ein Ausweichen aus dem Körper. Ein Versuch, nicht wirklich da zu sein.

Wenn man mit einer Methode nicht weiterkommt, hilft es, sich ganzheitlich aufzustellen – sich auch aus anderen Bereichen der Bewusstseinsarbeit Werkzeuge zu holen. Zum Beispiel durch Therapie, Seminare oder Methoden wie Somatic Experiencing. Dabei geht es im Kern darum, mit der Aufmerksamkeit zwischen sehr unangenehmen und angenehmen Gefühlen hin- und herpendeln zu lernen. So kann man das belastende Gefühl besser aushalten, ohne davon überwältigt zu werden. Ob man solche Techniken kennt oder nicht, kann den entscheidenden Unterschied machen – ob Veränderung geschieht oder nicht.

Beim Klarträumen gibt es viele romantisierte Geschichten über Heilung – von Versöhnungen, von tiefen Umarmungen im Traum, von Begegnungen mit inneren Anteilen oder spirituellen Wesen. Solche Geschichten haben mir früher viel Mut gemacht, gerade weil ich im Alltag manchmal keine Perspektive mehr sah. Und ja, es ist wichtig, dass wir solche Geschichten kennen – Geschichten, die Hoffnung geben, die uns berühren, die etwas in uns öffnen. Ohne Hoffnung würden viele überhaupt keinen Schritt machen. Aber zugleich ist es wichtig, dass wir diese Geschichten nicht als Versprechen oder Abkürzung missverstehen. Sie können eine Tür öffnen – doch der Weg hindurch braucht oft mehr, als uns am Anfang bewusst ist.

Aber letztlich hat mir das Klarträumen allein keine tiefgreifende Veränderung gebracht. Solche Methoden hängen eng mit der Fähigkeit zusammen, Gefühle zuzulassen. Und wenn ich das nicht kann – aus Angst vor Überflutung oder Überforderung –, dann können selbst die besten Techniken wenig bewirken.

Deshalb glaube ich, es ist essenziell, sich breit aufzustellen – besonders im Umgang mit Gefühlen. Es braucht innere Stabilität und konkrete Übungen, die einem helfen, bei sich zu bleiben, wenn schwierige Emotionen auftauchen. Es bringt nichts, Gefühle einfach nur zuzulassen, wenn man dabei innerlich zerbricht. Genau deshalb verhindert unser Unbewusstes oft, dass überhaupt etwas aufsteigt – aus Schutz.

Jede gute Psychotherapie beginnt deshalb mit Stabilisierung: Man stärkt erst die Ressourcen, bevor man sich tiefen Themen widmet. Doch in spirituellen Kreisen – sei es durch Meditation, Klarträumen oder Advaita Vedanta – fokussieren wir uns oft viel zu schnell auf das Ziel der Befreiung. Das ist genau diese Naivität, von der ich spreche, die wir durchbrechen müssen. Solange wir uns in der Honeymoonphase sind wir zwar sehr motiviert, aber wir werden wahrscheinlich keine langfristigen Fortschritte machen.

Und andererseits: Ohne diese Honeymoon-Phase wären viele von uns – mich eingeschlossen – wahrscheinlich nie auf diesen Weg gegangen. Auch wenn sie manchmal von Illusionen und überhöhten Erwartungen geprägt ist, war sie für mich der Einstieg. Diese erste Verliebtheit in eine Methode, dieses Gefühl von „Jetzt habe ich etwas gefunden“ – das war es, was mich überhaupt motiviert hat, tiefer einzutauchen. Rückblickend war es vielleicht naiv, aber es war auch notwendig. Ohne diese Anfangsbegeisterung hätte ich den Mut nicht gefunden, mich auf das einzulassen, was später kam. Insofern: Ja, auch die Honeymoon-Phase hat ihren Platz. Sie lockt uns auf den Weg – doch der Weg selbst verlangt irgendwann mehr.

Ja, es gibt Menschen wie Ramana Maharshi, die mit 16 Jahren einfach erwacht sind. Und wir hoffen dann, dass es uns genauso geht – dass wir auch einfach nur still sitzen, den Tod des Ichs erleben und dann für immer frei sind. Aber meist sitzen wir jahrelang da, hoffend – und nichts passiert.

Diese Geschichten können inspirierend sein, aber sie können auch zu einer stillen Erwartung führen, die uns blockiert. Denn wenn es bei uns nicht so geschieht – und das ist bei den meisten der Fall – fragen wir uns vielleicht, was mit uns „falsch“ ist. Dabei ist unser Weg einfach ein anderer: Ein Weg, der über viele kleine Schritte führt, über Rückschläge, Reifung, und manchmal auch über Krisen. Und gerade dieser Weg verdient Anerkennung – weil er wirklich gegangen wird.

Und ja es gibt diese Hand voll grandioser Klarträumer, die dazu berufen sind, in ihren Träumen tiefe Heilungen zu erleben, Kontakt zu höheren Bewusstseinsformen aufzunehmen oder sogar anderen als Lehrer*innen zu dienen. Aber das sind Ausnahmen – und wir vergessen oft, welchen Weg sie bis dahin gegangen sind oder welche besonderen Voraussetzungen sie mitbringen. Vielleicht sogar aus früheren Leben?

Wenn wir uns jedoch daran messen, kann das schnell zu Frustration oder Selbstzweifeln führen. Viel heilsamer wäre es, den eigenen Weg anzunehmen, mit all seinen Umwegen, Sackgassen und Pausen. Denn wirkliche Reifung passiert selten in einem einzigen erleuchtenden Moment – sondern in der Bereitschaft, dranzubleiben, gerade wenn es zäh oder dunkel wird.

Für langfristige Erfolge müssen wir die Schutzmechanismen sanft und über längere Zeit hinweg umwandeln. Wer noch nie Sport gemacht hat, tut sich auch nichts Gutes damit, plötzlich einen Marathon laufen zu wollen – das endet meistens in einer Überforderung.

Genauso ist es mit innerer Arbeit: Ohne Vorbereitung überfordern wir unser System, statt es zu stärken. Wir müssen vor allem auf den unteren Ebenen erst einmal eine Grundstabilität herstellen. Wahrscheinlich hat jeder schon einmal den Spruch gehört: Die Krone kann nur in den Himmel wachsen, wenn die Wurzeln tief genug reichen. Und genau das ist der Punkt: Wenn uns die nötigen Fähigkeiten fehlen, um das zu verarbeiten, was aus der Tiefe auftauchen könnte, dann passiert auch nichts Wesentliches – weder in der Meditation noch im Klartraum oder auf anderen Wegen der Bewusstseinsarbeit.

Und das dritte Problem betrifft jene Menschen, die sich ernsthaft bemühen – sei es mit Klartraumübungen, Meditation oder der Arbeit mit Psychedelika – und bei denen trotzdem „nichts Wesentliches passiert“.

Sie wenden Methoden regelmäßig an, lesen Bücher, besuchen Kurse, investieren Zeit und Energie – und erleben dennoch keine spürbaren Fortschritte. Das kann zu tiefer Frustration führen, zu Selbstzweifeln oder sogar zu dem Gefühl, versagt zu haben.

Dabei liegt das Problem oft nicht in der Methode selbst, sondern darin, dass der innere Boden noch nicht vorbereitet ist. Wenn grundlegende emotionale Kompetenzen oder ein stabiles Selbstgefühl fehlen, können auch wirksamste Methoden ins Leere laufen. Der Samen mag gut sein – aber ohne fruchtbaren Boden wird daraus keine Pflanze wachsen. Auch das gehört zur Reifung: zu erkennen, dass nicht jedes Ausbleiben einer Erfahrung ein Scheitern bedeutet, sondern manchmal ein Hinweis darauf ist, dass noch etwas Tieferes vorbereitet werden möchte.

Es ist schmerzhaft, sich diese Naivität einzugestehen – aber heilsam. Ich selbst wurde durch die Erfahrung einer Psychose darauf aufmerksam gemacht. Und ihr könnt euch sicherlich vorstellen, dass eine so existenzielle und erschütternde Erfahrung einen wachrüttelt. Sie zwingt einen, genauer hinzusehen: Was ist echt? Was ist Wunschdenken? Und was davon war vielleicht nur Flucht vor dem, was wirklich gefühlt werden wollte?

Aber auch Menschen, die sich seit Jahren aufrichtig bemühen – mit Meditation, mit Klartraumübungen, mit der Arbeit mit Psychedelika, oder die in irgendwelchen Satsangs sitzen – und dennoch keine spürbaren Fortschritte machen, sind oft tief enttäuscht. Sie haben viel gegeben, oft mit echter Hingabe, doch es scheint, als käme nichts zurück.

Diese stille Enttäuschung ist schwer zu tragen. Gerade weil sie meist nicht dramatisch ist, sondern sich leise in den Alltag schleicht – in Form von innerer Resignation, Müdigkeit oder dem Gefühl, „irgendetwas falsch zu machen“. Doch auch hier gilt: Vielleicht liegt das Problem nicht im Mangel an Disziplin oder Aufrichtigkeit, sondern darin, dass der innere Boden noch nicht aufnahmefähig ist. Ohne emotionale Grundstabilität und die Fähigkeit, innere Prozesse zu halten, verpufft vieles, was eigentlich transformierend wirken könnte.

Dieses innere Kind, das gehofft hat, dass der Durchbruch schneller kommt, darf enttäuscht sein. Diese Ent-Täuschung ist kein Scheitern, sondern eine Einladung zum Reifen. Denn genau aus dieser Enttäuschung kann ein ehrlicherer, geerdeterer Blick entstehen. Und mit diesem realistischeren Blick können wir unsere Träume oft sogar besser verwirklichen – weil wir beginnen, den Weg wirklich zu gehen, anstatt nur davon zu träumen.

Der Erwachsene in uns erkennt vielleicht: „Ich will mit dem Klarträumen heilen, aber ich bin gar nicht bereit, die zugrunde liegenden Gefühle wirklich zu fühlen.“

Vielleicht war die Vorstellung vom Klartraum als Heilungsort nur die erste Tür – ein Einstieg, durch den wir uns für das Thema geöffnet haben. Doch Erwachsenwerden heißt, sich selbst ernst zu nehmen: Welche Schritte muss ich wirklich gehen? Welche Fähigkeiten fehlen mir noch, um die Werkzeuge, die ich so sehr liebe, überhaupt sinnvoll nutzen zu können?

Meditation, Klarträumen oder Advaita Vedanta können weiterhin wertvolle Bestandteile unseres inneren Werkzeugkastens sein. Sie müssen nicht aufgegeben werden. Doch sie sollten nicht alleine dastehen. Der reife Mensch erkennt, dass ein einzelnes Werkzeug – so kraftvoll es auch sein mag – nicht ausreicht, um ein ganzes Haus zu bauen. Es braucht ein Fundament. Es braucht Stützpfeiler. Es braucht Geduld. Und manchmal braucht es Hilfe von außen.

Langfristige Entwicklung geschieht nicht durch radikale Eingriffe, sondern durch sanfte, wiederholte Bewegung – wie beim Muskelaufbau. Ohne geerdete Vorbereitung führt das nicht zur Befreiung, sondern in eine Krise oder zum Stillstand.

Die Krone eines Baumes kann nur in den Himmel wachsen, wenn seine Wurzeln tief genug in der Erde verankert sind. Ich habe diesen Satz früher oft gehört, aber nicht wirklich verstanden. Ich wusste gar nicht, was damit konkret gemeint sein könnte – Wurzeln stärken, das klang für mich irgendwie nach Stillstand oder danach, dass sich gar nichts verändert. Und genau deshalb habe ich mich lange Zeit nicht damit beschäftigt.

Heute verstehe ich: Es geht dabei nicht um Anpassung oder Unterdrückung, sondern darum, ein Fundament zu entwickeln, das mich überhaupt erst in die Lage versetzt, innere Prozesse zu halten. Es geht um Sicherheit im Körper, um emotionale Erdung, um ein Nervensystem, das nicht ständig im Alarmzustand ist. Und je stärker diese Wurzeln werden, desto tiefer kann ich mich auf innere Prozesse einlassen – und desto höher kann ich tatsächlich auch wachsen.

Nur dann beginnen Methoden wie Meditation, Klarträumen, die Arbeit mit Psychedelika oder Satsang wirklich zu blühen. Aber diese Blüte braucht den Boden. Oder anders gesagt: Der Lotus wächst im Schlamm. Und genau dort beginnt der Weg – nicht in der Höhe, sondern in der Tiefe.

So wie manche Menschen mit instabiler Ich-Struktur schnell in eine spirituelle Krise rutschen, erleben andere scheinbar erweiterte Bewusstseinszustände, die jedoch stark dissoziiert sind. Auch das sieht man oft in spirituellen Kreisen: Menschen, die nicht unter ihrem Zustand leiden, die aber innerlich abgeschnitten sind – von ihrem Körper, von ihren Gefühlen, von zwischenmenschlicher Nähe. Sie wirken vielleicht ruhig, „bewusst“, sogar erleuchtet – aber irgendetwas fehlt. Man spürt es. Kein echtes Mitgefühl, keine Verletzlichkeit, keine Verbundenheit.

In beiden Fällen – ob Überflutung oder Abspaltung – zeigt sich: Ohne innere Reifung, ohne emotionale Integration ist jede Methode begrenzt. Was wir brauchen, ist ein ganzheitlicher Ansatz, der Körper, Gefühl und Geist gleichermaßen einbezieht. Und vor allem: ein Weg, der die Fähigkeit fördert, mit dem zu sein, was gerade ist – auch wenn es unangenehm, roh oder traurig ist.

Denn nur dort beginnt echte Transformation. Nicht in den Lichtmomenten allein, sondern auch – und vielleicht vor allem – im liebevollen Annehmen dessen, was wir am liebsten vermeiden würden.
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RE: Realistische Bewusstseinsarbeit
#3
21.05.2025, 13:01
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Wie gelingt eine integrierte spirituelle Entwicklung? – Eine persönliche Reflexion und Einladung zum Austausch

Immer wieder fällt mir auf, dass viele Menschen auf ihrem Weg früher oder später an einen Punkt kommen, an dem sich etwas nicht mehr stimmig anfühlt. Es entstehen Fragen, Zweifel – oder sogar Krisen. Einige erleben Überforderung, andere geraten in eine Art inneren Stillstand. Manche erfahren außergewöhnliche Bewusstseinszustände, fühlen sich aber dabei innerlich leer oder abgespalten.

Mich beschäftigt besonders die Frage:


Wie kann spirituelle Entwicklung gelingen, ohne dass dabei die emotionale Tiefe, die Menschlichkeit und das körperliche Empfinden verloren gehen?

Ich glaube, viele dieser Probleme haben damit zu tun, dass die spirituelle Praxis auf einem Boden stattfindet, der emotional oder somatisch (also körperlich-seelisch) nicht ausreichend vorbereitet wurde. Es fehlt manchmal an innerer Gefühlsbereitschaft – einer Fähigkeit, Emotionen wirklich zuzulassen, zu spüren und zu integrieren.

In meinem eigenen Prozess habe ich erlebt, wie wichtig es ist, nicht nur „nach oben“ zu streben – zu besonderen Zuständen, zu erweiterten Ebenen des Bewusstseins –, sondern auch „nach unten“ zu schauen: auf den Körper, die Gefühle, die unbewussten Schichten der Psyche.

Ich habe mich gefragt:

Was brauchen Menschen, damit spirituelle Übungen – egal welcher Tradition – auf fruchtbaren Boden fallen können?

Was hat mir selbst geholfen?

Vor allem die Auseinandersetzung mit psychotherapeutischen Perspektiven. Besonders die Traumatherapie hat mir gezeigt, wie entscheidend es ist, emotionale Prozesse im Körper zu halten und zu verarbeiten, um überhaupt offen für tiefere spirituelle Erfahrungen zu sein. Gleichzeitig ist mir bewusst, dass psychotherapeutische Wege nicht für alle Menschen der richtige Zugang sind – und es andere Möglichkeiten gibt, innere Stabilität zu entwickeln.

Ich vermute, dass Menschen mit einem sehr stabilen Ich andere Wege gehen können als Menschen mit einem eher brüchigen oder verletzten Selbstbild. Beide Pole bergen jedoch Gefahren:

– Das eine kann zu Überforderung führen,
– das andere zu Abwehr, Abspaltung oder innerer Starre (Stillstand, fehlende Fortschritte).

Deshalb glaube ich: Es braucht Räume, in denen wir gemeinsam erforschen können, was uns hilft, wirklich präsent zu bleiben – mit all unseren Gefühlen, in unserem Körper, in unserer Menschlichkeit.

Wir brauchen nicht noch eine weitere Klartraumtechnik, die wir kurzzeitig idealisieren, wie brauchen Übungen, Techniken, um das Fundament zu stärken.

Ich selbst habe mich mit verschiedenen Traditionen beschäftigt: mit Meditationen aus dem Osten, mit Techniken aus der Bewusstseinsforschung, mit klartraumbasierten Methoden, mit Ansätzen aus dem Schamanismus, mit der westlichen Psychologie – und vielem mehr. Und immer wieder bin ich auf ähnliche Herausforderungen gestoßen:

Spirituelle Zustände werden erreicht, aber nicht gehalten.
Menschen geraten in spirituelle Krisen oder Dissoziation.

Die eigene Geschichte, das emotionale Erleben, das persönliche Ich werden abgewertet oder umgangen.
Für mich war ein entscheidender Wendepunkt das Verständnis, dass Bewusstseinsentwicklung mehrdimensional ist – nicht nur eine Reise nach oben in höhere Zustände, sondern auch nach innen, nach unten, in die Tiefe.

Besonders hilfreich war für mich die integrale Theorie, die unterscheidet zwischen Zuständen (besondere Erfahrungen) und Stufen (reife Entwicklungsprozesse). Nur wenn beides miteinander in Einklang steht, entsteht eine stabile und gesunde Spiritualität.

Auch der kabbalistische Lebensbaum hat mir auf einfache Weise gezeigt, dass die höheren Ebenen – wie transpersonale Erfahrungen oder das Auflösen von Dualitäten – nicht ohne stabile Wurzeln funktionieren:

Körperbewusstsein, emotionale Heilung, intellektulle Bildung und innere Struktur bilden das Fundament.

Ich habe selbst erfahren, wie es ist, spirituell zu „schnell zu weit“ zu gehen – ohne diese Wurzeln. Und ich musste sie mir im Nachhinein wieder bewusst erarbeiten, um mich nicht zu verlieren.

>>>

Deshalb meine Einladung an dich, an euch, an alle, die diesen Text lesen:


Was hat dir auf deinem Weg geholfen, eine integrierte Form von spiritueller Erfahrung zu finden?
Was waren deine Ressourcen, deine Methoden, deine entscheidenden Erkenntnisse?
Wie bist du mit Krisen umgegangen?
Was hat dich geerdet und gleichzeitig geöffnet?
Welche Tradition oder Praxis hat dir geholfen, in Verbindung mit dir selbst zu bleiben?

Ich möchte gemeinsam mit anderen Menschen herausfinden, was es wirklich braucht, damit Spiritualität und Klarträumen nicht zur Flucht, sondern zur Reifung führt. Ich glaube, wir können voneinander lernen – über Traditionsgrenzen hinweg, jenseits von Dogmen.

Wenn du möchtest, teile deine Erfahrungen. Ich freue mich auf einen Austausch über Wege, die nicht nur „erheben“, sondern auch verbinden, berühren und heilen.
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